Das Buch Rut

(Kommentar)

Naomis Erleben und ihre Rückkehr

(Rut 1 + 2)

Einführung

 Das Buch Rut ist ein kostbares Juwel des Wortes Gottes; sogar die Ungläubigen schätzen es als eine Perle der Weltliteratur. Uns liegt eine einfühlsame Erzählung der Geschichte einer aufrichtigen und gläubigen Frau vor, die sich in einer finsteren Zeit zu Jewe, dem Elohim Israels, hält, die Ihm reinen Herzens treu ergeben ist und schließlich den Großvater des Königs David gebären darf. Damit ist ihr persönliches Geschick in die Heilsgeschichte eingebunden.

 Ihr Glaubenszeugnis ist eine eindrückliche Verherrlichung Jewes. Rut ist ein leuchtendes Vorbild für alle Gläubigen.

 Die Hauptperson ist jedoch Jewe, der alle in dem Buch geschilderten Wege und Führungen, Begegnungen und Entscheidungen bewirkt, Er, der Elohim der Witwen und Waisen, ja auch der Ausländer, Er, der einen gesegneten Ausgang der Dinge für alle Beteiligten herbeiführt.

 Der Verfasser des Buches, das uns einen Einblick in die Zeit um 1200 v. Chr. gewährt, ist unbekannt. Nach der rabbinischen Tradition soll es der Richter und Prophet Samuel gewesen sein, der etwa um 1125 v. Chr. geboren wurde und von etwa 1104 bis 1027 v. Chr. wirkte.

Kapitel 1

In Moab

1Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da kam Hunger über das Land. Und ein Mann aus Bethlehem in Juda ging, um in den Gefilden Moabs (als Fremdling) zu verweilen, er und seine Frau und seine zwei Söhne.

2 Und der Name des Mannes war Elimelech (heb. ALIMLK, punktiert ÄLIMäLäKh, übersetzt »Mein El ist König«) und der Name seiner Frau Naomi (heb. NOMI, punktiert NoOMI, übersetzt »Mein Beistand«) und der Name seiner zwei Söhne Machlon (heb. MChLUN, punktiert MaChLON, übersetzt »Erkranken«) und Kiljon  (heb. KLIUN, punktiert KiLJON, übersetzt »Alldahinseiender«); sie waren Ephratiter (Ephrata ist ein anderer Name für Bethlehem; heb. APhRT, punktiert ÄPhRaT, übersetzt »Fruchtbare«) aus Bethlehem (heb. BITLChM, punktiert BeJTLäCHäM, übersetzt »Haus des Brotes«) in Juda (heb. IEUDE, punktiert JöHUDaH, übersetzt »Dankendes«). Und sie kamen zu den Gefilden Moabs und wurden dort (befunden).

3Und Elimelech, der Mann Naomis, starb; und sie verblieb, sie und ihre zwei Söhne.

4Und sie nahmen sich Frauen, Moabiterinnen; der Name der einen war Orpa (heb. ORPE, punktiert ORPaH, übersetzt »Hartnäckige«) und der Name der zweiten Rut (heb. RUT, punktiert RUT, übersetzt »Durchtränkte«). Und sie wohnten dort etwa 10 Jahre.

5Da starben sie, auch noch sie beide, Machlon und Kiljon, und die Frau verblieb ohne ihre beiden Kinder und ohne ihren Mann.

...

 Ein Übel folgte dem anderen.

 In der Zeit der Richter (etwa 1400 - 1065 v. Chr.) brach sich die Gesetzlosigkeit wiederholt Bahn, die Söhne Israels taten, was böse war in den Augen Jewes, sie dienten sogar kanaanitischen Götzen (Ri. 3:7; 8:33; 10:6). Das Buch Rut dürfte seinen Platz in der Zeit des Richters Gideon (1209 - 1169 v. Chr.) haben.

 Die Hungersnot war ein Gericht Gottes, eine strenge Zurechtweisung (5. Mose 28:15, 38; 1. Kön. 17:1).

 Elimelech, der in einer Stadt wohnte, die »Haus des Brotes« hieß, verließ sich nicht auf diese Verheißung, sondern entschloss sich, nach Moab zu ziehen, wo kein Mangel herrschte. Eigentlich hätte er auf Jewe vertrauen und im Lande Jewes bleiben sollen, doch sein Wegzug wird nicht gerügt. War denn Jakob etwa nicht vor dem Hunger geflohen und nach Ägypten gezogen? Nach Jewes Weisheit musste es so geschehen.

 Die Moabiter stammten von Lot, dem Neffen Abrahams, und seiner ältesten Tochter ab (1. Mose 19:30 - 38).

 Eines Tages starb Elimelech.

 Naomis Söhne nahmen sich moabitische Frauen, Machlon die Rut (Kap. 4:10) und Kiljon die Orpa. Eheschließungen mit Ausländerinnen stellten grundsätzlich eine große Gefahr dar, weil sie ihre Männer zur Anbetung ihrer heimatlichen Götter verführen könnten. Im Falle gar der Moabiter steht geschrieben: »Nicht kommt ein Amoniter oder ein Moabiter in die Versammlung Jewes, auch nicht die zehnte Generation von ihnen in die Versammlung Jewe ¬ so sei's bis zum Äon ¬, weil sie euch nicht mit Brot und Wasser entgegengekommen sind auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt, und weil er Bileam ... gegen dich gedungen hat, dich zu verfluchen« (5. Mose 23:4, 5). Dies war im Jahr 1421 v. Chr. geschehen (4. Mose 22 - 25). Ob bis zum Jahr 1200 v. Chr. zehn Generationen geboren waren und die beiden Frauen der elften angehörten, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls kritisiert das Buch Rut die Heiraten der Söhne nicht.

 Dann starben auch noch die beiden Söhne, zudem kinderlos. Zurück blieb eine gealterte, gedemütigte, betrübte Frau, zwar mit zwei Schwiegertöchtern, aber ohne Hoffnung auf einen Erben. Doch Jewe weiß, was Er tun will; Seine Wege sind höher und Seine Gedanken stets erhabener als die der Menschen (Jes. 55:9).

Naomis Rückkehr

6Und sie stand auf, sie und ihre Schwiegertöchter, und kehrte aus den Gefilden Moabs zurück, denn sie hatte im Gefild Moabs gehört, dass Jewe Sein Volk heimgesucht und ihnen Brot gegeben habe.

7Und so ging sie hinweg von dem Ort, wo sie war, und ihre zwei Schwiegertöchter mit ihr. Und sie gingen des Weges, um zum Land Juda zurückzukehren.

8Da sprach Naomi zu ihren zwei Schwiegertöchtern: Geht, kehrt um, (jede) Frau zum Haus ihrer Mutter! Jewe erweise euch Huld, so wie ihr es an den (inzwischen) Toten und an mir getan habt.

9Jewe gebe euch, dass ihr eine Ruhestatt findet, (jede) Frau das Haus ihres Mannes. Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten

10und sprachen zu ihr: (Nein), denn (so ist's): Samt dir kehren wir zurück zu deinem Volk!

11Aber Naomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Habe ich etwa noch Söhne in meinem Inneren, die euch zu Mannen werden könnten?

12Kehrt um, meine Töchter, geht! Denn ich bin zu alt, um noch eines Mannes zu werden. Selbst wenn ich spräche: Das Erharrte wird mir (zuteil)!, auch noch (dies): Ich wurde diese Nacht einem Manne (zu eigen)! oder auch noch: Ich gebar Söhne!,

13hättet ihr deshalb Aussicht, bis sie groß werden? Würdet ihr euch deshalb sperren (zurückhalten), um nimmer eines Mannes zu werden? Nicht sei's, meine Töchter! Denn bitter ist mir's überaus, mehr als euch, denn gegen mich ging die Hand Jewes aus.

14Da erhoben sie ihre Stimme und weinten nochmals. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Rut aber hing ihr an.

15Da sprach sie: Da! Deine Schwägerin kehrte um zu ihrem Volk und zu ihrem Elohim. Kehre um, deiner Schwägerin nach!

16Aber Rut sprach: Nicht komme mir's entgegen, dich zu verlassen, von dir weg umzukehren. Denn wohin du gehst, gehe ich, und wo du nächtigst, nächtige ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Elohim ist mein Elohim.

17Wo du stirbst, sterbe ich, und dort werde ich begraben. So tue mir Jewe, und so füge Er (mir) hinzu; denn nur der Tod soll mich und dich trennen.

18Und als sie sah, dass sie gefestigt war, mit ihr zu gehen, da ließ sie ab, (weiterhin) zu ihr zu reden.

...

 Nach etwa zehn Jahren im Ausland suchte Jewe Sein Volk Israel gnädig heim und gab ihnen wieder Brot (Vers 6). Naomi durfte zu Recht erwarten, im verheißenen Land am Segen Jewes teilzuhaben.

 Sie machte sich auf den Weg (Vers 7); ihre Schwiegertöchter begleiteten sie ehrerbietig.

 Der Naomi lag das Wohl der jungen Frauen am Herzen, die in Israel keine Zukunft haben, nach ihrem Tode gar rechtlos dastehen würden (Vers 8). So wies sie sie an, umzukehren, und erbat die Huld Jewes für sie in Moab, insbesondere dass sie einen Mann finden mögen (Vers 9). Jewe segnet auch die Ausländer in fremden Ländern, die Ihn fürchten (1. Kön. 8:41). Zum Haus ihrer Mutter sollte eine jede sich umwenden; Naomi sagte nicht »ihres Vaters«, weil Töchter unter der besonderen Obhut der Mutter standen.

 Doch die Frauen wollten ihre Schwiegermutter nicht verlassen und einsam werden lassen, sondern für sie da sein (Vers 10). Bewegten Herzens weinten sie.

 Ein zweites und ein drittes Mal forderte Naomi sie auf, zurückzukehren (Verse 11 + 12). In aller Deutlichkeit führte sie den beiden Frauen vor Augen, dass sie keinen weiteren Sohn habe oder bekommen könne, der die Schwagerehe (Leviratsehe; 5. Mose 25:5) mit ihnen vollziehen und ihnen Kinder erwecken könne (Verse 11 - 13). Das war überaus bitter für Naomi, die sehr wohl wusste, dass Jewe ihr diesen Tiefenweg und das in all den Jahren erfahrene Übel geschickt hatte (Verse 13, 20, 21).

 Dann folgte der Moment, der über den weiteren Lebensweg der Orpa und der Rut entschied (Vers 14). Orpa gehorchte zwar ihrer Schwiegermutter, im Grunde aber fehlte es ihr an der Beständigkeit ihres im Haus Elimelechs kennen gelernten Glaubens. Orpa kehrte um zu ihrem Volk und zu dessen Elohim (Vers 15). Die Entscheidung für ihre Heimat war zugleich eine für den dortigen Elohim, der nicht der wahre Gott war.

 Dann drang Naomi in Rut, doch ebenfalls umzukehren (Vers 15). Wir bewundern Ruts Entschiedenheit, bei Naomi zu bleiben (Witwen beizustehen ist ein rechter Gottesdienst; Jak. 1:27) und damit auch bei Israel und Jewe, dem lebendigen Gott.

 Ruts Worte in den Versen 16 und 17 sind ein herzenerwärmendes und ihre Schwiegermutter sowie deren Volk und Elohim verherrlichendes, die gläubigen Leser auch heute noch stärkendes Bekenntnis. In ihrer Entschlossenheit in der Kraft des Glaubens rief Rut Jewe, den Elohim Israels, an (Vers 17), die Schwurformel »So tue mir Jewe, und so füge Er mir hinzu« gebrauchend.

 Da Rut den Namen Jewes angerufen hatte, ließ Naomi ab, sie umzustimmen.

 In einer bisher nicht gekannten Übereinstimmung setzten die beiden ihren Weg fort.

Naomis Ankunft in Bethlehem

19Und sie, sie beide gingen, bis  sie nach Bethlehem kamen. Und es geschah: Als sie in Bethlehem ankamen, da wurde die ganze Stadt aufgrund von ihnen durchhallt (hallten die Rufe durch die Stadt), und sie sprachen: Ist dies Naomi?

20Sie aber sprach zu ihnen: Ruft (Nennt) mich nicht Naomi (»Mein Beistand«), ruft mich Mara (»Bittere«), denn überaus bitter machte mir's der Schadaj (»Der Genüge Gebende«; ein Name Jewes).

21Ich, ich ging voll weg, und leer ließ mich Jewe zurückkehren. Warum ruft ihr mich Naomi, da Jewe doch gegen mich geantwortet und der Schadaj mir Böses getan hat?

22Und so kehrte Naomi zurück und Rut, die Moabiterin, ihre Schwiegertochter, mit ihr, die aus den Gefilden Moabs zurückkehrte (oder: sich aus den Gefilden Moabs zurückgezogen hatte). Und sie, sie kamen nach Bethlehem zu Beginn der Gerstenernte.

...

 Eine bitter gewordene Frau traf mit ausländischer Schwiegertochter in Bethlehem ein. Freudige Erregung eilte durch die Stadt. »Naomi ist wieder da!«, werden viele gerufen haben.

 Aber die kummervolle Frau wollte nicht länger Naomi genannt werden. »Nennt mich Mara (Bittere).« Sie litt unter der gegen sie tätigen Hand Jewes. Sie wusste, dass all ihre bitteren Erfahrungen von Jewe, dem Allmächtigen, dem Allesbewirkenden, gekommen waren (Vers 20; Jes. 45:7; Amos 3:6; Ps. 135:6; Eph. 1:11). Schon Hiob bezeugte: »Jewe gab, und Jewe nahm, der Name Jewes werde gesegnet« (Hi. 1:21). Jewe erniedrigt, Jewe erhöht (1. Sam. 2:7). Erniedrigung ist nicht der Abschluss des Heilshandelns Gottes.

 Voll, nämlich mit Mann und zwei Söhnen, war Naomi weggegangen (Vers 21), leer, kinderlos, kehrte sie wieder. Welch ein Jammer!

 Rut wird ausdrücklich als Moabiterin bezeichnet, also aus einem entfremdeten Volk stammend (Vers 22). Die Aussage, dass Rut aus Moab »zurückkehrte«, mag uns verwundern, und dennoch war sie zu dem wahren Gott zurückgekehrt, den ihre Vorfahren verlassen hatten.

 Für den weiteren Verlauf des Geschehens und überhaupt ist sehr bedeutsam, dass sie zur Zeit der Gerstenernte ankamen, im April. Mit der Gerstenernte begann eine neue Zeit im Lauf des Jahres; sie war ein Zeichen der Huld Jewes. Ob Naomi wieder Hoffnung schöpfte?

 Der Reifegrad der Gerste war mitbestimmend für die Festsetzung des ersten Monats, des Nisan (März/April). Falls nötig, füge man einen dreizehnten Monat (Schaltmonat) ein. Am 16. Nisan schwenkte der Priester eine Erstlingsgarbe von Gerste vor Jewe (3. Mose 23:11). Übrigens wird in Israel zu Pfingsten, dem Fest der Erstlingsfrucht (3. Mose 23:16), unter anderem stets das Buch Rut gelesen, weil es von einer Erntezeit spricht, in welcher ein Vorfahr des Königs David besonderen Segen erfuhr.

Kapitel 2

Des Boas erste Begegnung mit Rut

1Und Naomi hatte einen Engvertrauten ihres Mannes, einen Mann, ein Mächtiger, Wohlhabender von der Sippe Elimelechs; sein Name war Boas (heb. BUZ, punktiert BoAS, übersetzt »Im Starken«).

2Und Rut, die Moabiterin, sprach zu Naomi: Ich will doch aufs Feld gehen und will auflesen im Bereich der Halmähren hinter einem her, in dessen Augen ich Gnade finde. Und sie sprach zu ihr: Gehe, meine Tochter.

3Da ging sie und kam und las auf im Gefild hinter den Erntearbeitern her. Und es begegnete ihr das Begegnis (Geschick), dass dieses Feldstück dem Boas gehörte, der von der Sippe Elimelechs war.

4Und da! Boas kam aus Bethlehem heraus und sprach zu den Erntearbeitern: Jewe ist mit Euch! Und sie sprachen zu ihm: Jewe segnet dich!

5Und Boas sprach zu seinem Jüngling, der über die Erntearbeiter gestellt war: Wem ist diese Maid (zugehörig)?

6Und der Jüngling, der über die Erntearbeiter gestellte, antwortete und sprach: Die Maid, eine Moabiterin ist sie, die mit Naomi aus dem Gefild Moabs zurückkehrte.

7Und sie sprach: Ich will doch auflesen, und so sammle ich im Bereich der Garben hinter den Erntearbeitern her. Und sie kam und stand vom Morgen an bis jetzt, dies, ihr Sitzen in dem Haus, war (nur) kurz.

8Und Boas sprach zu Rut: (Ist's) nicht (so) ¬ du hörst doch, meine Tochter! Gehe nicht, um in einem anderen Gefild aufzulesen, und gehe auch nicht weg von diesem, und so hangst du meinen Maiden an.

9Deine Augen seien auf dem Feld, wo sie ernten, und du wandelst hinter ihnen her. Habe ich nicht den Jünglingen geboten, dich nicht anzurühren? Und dürstest du, so wandelst du zu den Gefäßen und trinkst von dem, was die Jünglinge schöpfen.

10Da fiel sie auf ihr Angesicht und warf sich zur Erde hin und sprach zu ihm: Weshalb finde ich Gnade in deinen Augen, mich zu beachten, und ich doch eine Ausländerin bin!

11Da antwortete Boas und sprach zu ihr: Berichtet, ja berichtet ist mir alles worden, das du deiner Schwiegermutter nach dem Tod deines Mannes tatest, und dass du deinen Vater und deine Mutter verlassen hast und das Land deiner Verwandtschaft und du zu einem Volk gegangen bist, dass du nicht näher kanntest, gestern und vorher.

12Jewe erstatte (dir) dein Wirken, und seine Entlohnung werde eine vollkommene von Jewe, dem Elohim Israels, zu dem du gekommen bist, dich unter Seinen Flügeln zu bergen.

13Da sprach sie: Ich finde Gnade in deinen Augen, mein Herr, dass du mich getröstet hast und dass du zum Herzen deiner Magd geredet hast, so ich, ja ich doch nicht einmal bin wie eine deiner Mägde.

14Und Boas sprach zu ihr zur Zeit der Speise: (Komm) herzu, hierher! Und du isst von dem Brot und tauchst deinen Bissen in den Essig (Weinessig) hinein. Und sie saß an der Seite der Erntearbeiter, und er reichte ihr Röstkorn dar; und sie aß und wurde satt und ließ noch übrig.

15Und sie stand auf, um aufzulesen, und Boas gebot seinen Jünglingen, sprechend: Sie mag auch noch zwischen den Garben auflesen, und nicht bringt ihr Schande über sie (frei übertragen: und nicht schmähet ihr sie).

16Und tut auch noch beiseite, ja tut beiseite für sie (Ähren) aus den Bündeln, und ihr lasst (sie) liegen, sodass sie auflesen kann; und nicht scheltet ihr sie.

17Und so las sie auf im Feld bis zum Abend. Und sie klopfte aus, was sie aufgelesen hatte, und es war etwa ein Epha (vmtl. ca. 22 l) Gerste.

...

 Nun führt die Erzählung den Boas ein (Vers 1).

 Um zum Lebensunterhalt der beiden Frauen beizutragen, entschloss sich Rut, Ähren zu lesen (Vers 2). Dies war das im Gesetz verankerte Recht der Armen (3. Mose 19:9; 23:22; 5. Mose 24:19). Gleichwohl war man den Launen des Feldbesitzers ausgeliefert, weshalb Rut ihre Hoffnung zum Ausdruck brachte, Gnade in dessen Augen zu finden.

 Rut kam »zufällig« auf das Feld des Boas (Vers 3); doch der ihr diese Begebenheit zufallen ließ, war Jewe; es war Seine Fügung, wie der Vers erkennen lässt.

 Als Boas kam, fiel ihm die ihm unbekannte Frau auf, und er erkundigte sich bei seinem Vorarbeiter nach ihr (Vers 4 + 5). Der gab ihm die Auskunft (Vers 6) und berichtete überdies Gutes über sie, nämlich dass sie um Erlaubnis gebeten hatte, auflesen zu dürfen (Vers 7), und vom Morgen an bis jetzt sehr fleißig gewesen war.

 Dies verschaffte der Rut das Wohlwollen des Boas (Vers 8), gewiss auf der Grundlage dessen, was ihm bereits über Naomis Schwiegertochter berichtet worden war. Er erlaubte ihr, für die gesamte Dauer der Ernte auf seinem Feld aufzulesen und wies sie sogar an, auf kein anderes zu gehen.

 Da Zudringlichkeiten der Männer nicht auszuschließen waren, sorgte Boas auch für den persönlichen Schutz Ruts, indem er den Arbeitern gebot, sie nicht anzurühren (Vers 9). Ganz außergewöhnlich war die Erlaubnis, aus dem Krug der Schnitter trinken zu dürfen. Über diese Gunst wird man sehr erstaunt gewesen sein.

 Auf die edle und demütige Antwort Ruts hin (Vers 10) teilte Boas ihr mit, dass ihm über sie berichtet worden war, was sie ihrer Schwiegermutter Gutes tat (Vers 11).

 Boas muss sehr beeindruckt davon gewesen sein, dass Rut zu Jewe, dem Elohim Israels, gekommen war, und sprach den Wunsch gegenüber Jewe aus, dass Er ihr alles reichlich vergelten möge (Vers 12). Niemand konnte ahnen, dass Boas dazu beitragen würde.

 Der Mann erkannte Rut als eine Gläubige an. Da sie unter den Flügeln Jewes, Seiner alles obwaltenden Hand, Bergung gesucht hatte, konnte kein gläubiger Israelit persönlich ihr die Bergung verweigern. Rut antwortete geziemend im Bewusstsein ihrer Niedrigkeit und in Erkenntnis der ihr widerfahrenen Gnade (Vers 13).

 Zur Essenszeit bat Boas sie in den Kreis der Arbeiter und Mägde und wies ihr sogar von deren Brot und Weinessig an (Vers 14). »Sie aß und wurde satt und ließ noch übrig«, und zwar um es der Naomi mitzubringen (Vers 18).

 Zwischen den Garben aufzulesen stand den Nachlese Tuenden nicht zu. Boas aber gestattete es der Rut ausdrücklich (Vers 15); niemand sollte sie dafür schmähen. Die Schnitter sollten gar einige Halme aus den Bündeln herausziehen und liegen lassen (Vers 16). Das ging über alles hinaus, was man erwarten konnte.

 Am Abend klopfte die junge Frau die Ähren aus und ging mit einem reichen Maß an Gerste nach Hause (Vers 17).

 Wir bewundern die Wege und die Güte Jewes, des Elohims Israels, der dies alles bewirkte. Ist es denn nicht so, wie Petrus im Hause des Kornelius sagte: »In Wahrheit erfasse ich es nun, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt« (Ap. 10:34, 35). Und leuchtete  uns etwa nicht die aus dem Herzen des Boas kommende Liebe Gottes auf?

Zurück bei Naomi

18Und sie trug's und kam zur Stadt. Und ihre Schwiegermutter sah, was sie aufgelesen hatte; und sie zog's hervor und gab ihr, was sie nach ihrer Sättigung übrig gelassen hatte.

19Da sprach ihre Schwiegermutter zu ihr: Wo hast du denn aufgelesen am heutigen Tag, und wo warst du tätig? Der dich anerkannt hat, werde ein Gesegneter! Und sie berichtete ihrer Schwiegermutter, bei wem sie tätig war und sprach: Der Name des Mannes, bei dem ich am heutigen Tag tätig war, ist Boas.

20Da sprach Naomi zu ihrer Schwiegertochter: Gesegnet sei er dem Jewe (zum Segnen anbefohlen sei er dem Jewe), dessen Huld nicht verlässt die Lebenden und die Toten! Und Naomi sprach zu ihr: Ein Naher (nah Verwandter) ist uns der Mann, einer von unserer Löserschaft ist er.

21Und Rut, die Moabiterin, sprach: (Es geschah) auch noch, dass er zu mir sprach: Du hangst den Jünglingen an, die mein sind, bis sie all die Ernte, die mein ist, vervollständigt (vollendet, beendet) haben.

22Da sprach Naomi zu Rut, ihrer Schwiegertochter: Gut ist's, meine Tochter, dass du mit seinen Maiden hinausgehst, so (tritt man) dir auf einem anderen Gefild nicht entgegen.

23So hing sie, um aufzulesen, den Maiden des Boas an, bis vervollständigt waren die Gerstenernte und die Weizenernte. Und sie wohnte bei ihrer Schwiegermutter.

...

 Was Rut der Naomi brachte und erzählte, machte ihr große Freude. Es war also doch nicht so, wie sie bei ihrer Ankunft in Bethlehem gesagt hatte, dass der Schadaj gegen sie eingestellt war (Kap. 1:20, 21). Sie schöpfte Hoffnung.

 Nach Ruts Bericht wünschte Naomi dem Boas den Segen Jewes (Vers 20). So preist auch Psalm 41:2 den glückselig, der klug und weise an den Armen handelt.

 Naomi erkannte, dass die Huld Jewes die Lebenden und die Toten, und zwar ihre Toten, Elimelech und seine beiden Söhne, nicht verlässt. Jewes Huld bezüglich der Entschlafenen erweist sich an den Lebenden. Im Übrigen könnte der Name Elimelechs durch die Schwiegertochter fortbestehen.

 Boas war ein möglicher Löser. Eine grundlegende Bibelstelle zum Loskauf finden wir in 3. Mose 25:25: »So denn dein Bruder ausgesogen wird, und er verkauft von seinem Besitz, so kommt der ihm Nahe (nah Verwandte) als sein Löser und löst das Verkaufte seines Bruders aus.« Ein Löser kaufte das verpfändete Grundstück eines nahe Verwandten zurück, befreite ein als Sklaven verkauftes Familienmitglied durch eine Lösegeldzahlung (3. Mose 25:47 - 49), hatte in bestimmten Fällen den Tod eines Angehörigen zu rächen (Blutrache; 4. Mose 35:19 - 21) und war gehalten, die Witwe des eigenen, kinderlos verstorbenen Bruders zu heiraten, damit dessen Linie nicht aussterbe (5. Mose 25:5 - 10).

 Boas war allerdings weder der Bruder noch der nächste Verwandte Elimelechs und somit zu nichts verpflichtet. Wenn er etwas tat, dann aus Nächstenliebe und aus eventuell erwachender Liebe zu einer Frau.

 Ein irdischer Löser ist ein prophetisches Vorbild auf den himmlischen Erlöser, Jesus Christus, von welchem Hiob bereits sprach: »Ich aber, ich erkenne: Mein Erlöser ist lebendig« (Hi. 19:25).

 Aber wie sollten sich die beiden Witwen nach der Erntezeit und dem Aufbrauchen der Vorräte ernähren? In dieser Situation dürfte bei

Naomi aber nun dennoch die Zuversicht aufgekommen sein, dass die bisherige gnädige Führung Jewes eine Fortsetzung finden könnte.

Die Lösung

(Rut 3 + 4)

Kapitel 3

Ruts nächtliche Unterredung mit Boas

Naomis Rat

1Und Naomi, ihre Schwiegermutter, sprach zu ihr: Meine Tochter, sollte ich dir nicht einen Ruheort suchen, der dir wohlgefällt?

2Und nun, ist nicht Boas unser Anverwandter, mit dessen Maiden du (befunden) wurdest? Da! Er worfelt diese Nacht auf der Gerstentenne.

3Und du badest und salbst dich und legst deine (beste) Kleidung an und (steigst) hinab zur Tenne. Dies werde dem Manne nicht bekannt, bis er zu essen und zu trinken vervollständigt (beendet) hat.

4Und es geschehe: Wenn er liegt, so erkennst du (achtest du auf) den  Ort, wo er liegt, und du kommst und deckst zu seinen Füßen auf, und du legst dich hin. Und er, er wird dir (dann schon) kundtun, was du tun sollst.

5Und sie sprach zu ihr: Alles, was du sprichst, will ich tun.

6Und sie (stieg) hinab zur Tenne und tat gemäß allem, was ihre Schwiegermutter geboten hatte.

7Und Boas aß und trank, und es war seinem Herzen wohl; und er kam, um am Ende des Getreidehaufens zu liegen. Da kam sie heimlich und deckte zu seinen Füßen auf und legte (sich nieder).

...

 Naomi war sich der Verantwortung für ihre sich aufopfernde, herzliebe Schwiegertochter bewusst (Vers 1). Da kam ihr, einer gewiss klugen Frau, die das hebräische Recht wie auch die Sitten und Gebräuche kannte, ein entscheidender, zielgerichteter Gedanke, und ihre liebevolle Fürsorge für Rut ließ sie ihn aussprechen. Eigentlich hätte sie Boas besuchen und alles mit ihm besprechen können. Aber sie wollte Rut in den Vordergrund rücken. Das war sehr kühn und riskant; man stelle sich vor: eine junge, vermutlich schöne und anmutige Frau nachts auf der Tenne!

 Als Naomi erfuhr, dass Boas an diesem Abend (der Begriff schließt den Nachmittag ein) ¬ dies meinte sie mit dem Wort »Nacht« ¬ seine Gerste worfelte (Vers 2), da ergriff sie die Gelegenheit. (Worfeln heißt das Getreide hoch in die Luft werfen, damit der Wind die Spreu wegtrage.)

 Sie wollte der Rut einen Ruheort verschaffen (Vers 1). Unter dem Ruheort ist ganz konkret das Haus ihres zukünftigen Mannes zu verstehen, wie auch Kapitel 1:9 definiert. Eines Tages wird Israel in die Sabbatruhe Jewes eingehen (Heb. 4:9). Zunächst aber geht es um Rut. Sie sollte sich zurechtmachen wie zu einer Hochzeit (Vers 3).

 Boas würde sich bei seinem Getreide schlafen legen, um es zu bewachen (Vers 4). Die Decke des Mannes zu seinen Füßen aufzuheben, könnte den Weg zu unmoralischem Verhalten bereiten. Naomi muss aber von der Anständigkeit des Boas überzeugt gewesen sein. Sie rechnete damit, den Boas veranlassen zu können, als ihr Löser aufzutreten und Rut zu heiraten.

 Rut gehorchte ihrer Schwiegermutter (Vers 5); dazu gehörte in diesem brisanten Fall viel Wagemut.

 Auf der Tenne sodann handelte Rut genau nach den Anweisungen Naomis (Vers 6).

 Die Verse eins bis sechs führen uns nur Naomi als die den Gang der Dinge Bestimmende vor Augen. Das weitere Geschehen aber zeigt deutlich, dass Jewe, der Elohim Israels, dies alles führte und fügte, Er, der Allesbewirkende (Eph. 1:11); Er rief alle Gedanken und Entscheidungen hervor.

 Die Nacht brach herein, Boas legte sich nieder (Vers 7). Rut deckte seine Füße auf; die Frische der Nacht wird ihn früher oder später aufwecken. Wird er verantwortungsvoll handeln? Eine gewaltige Spannung legte sich über die Szene. Rut wird kein Auge zugetan haben, ihr Herz pochte.

Das Gespräch zwischen Boas und Rut

8Und es geschah: In der Hälfte der Nacht (das heißt Mitternacht), da zitterte der Mann und war beklommen, und da! Eine Frau lag zu seinen Füßen.

9Und er sprach: Wer bist du? Und sie sprach: Ich bin Rut, deine Magd. Und du mögest deinen Gewandzipfel (im Sinne eines bergenden Flügels) über deine Magd ausbreiten, denn ein Löser bist du.

10Da sprach er: Eine Gesegnete bist du dem Jewe, meine Tochter! Du hast deine spätere Huld (an Naomi) edler erwiesen als die anfängliche, dass du nämlich nicht den Jungmannen nachgegangen bist, sie seien arm oder reich.

11Und nun, meine Tochter: Fürchte (dich) nicht! Alles, was du sprichst, will ich dir tun, denn das ganze Tor (Gerichtsstätte und die dort beurteilenden Ältesten) meines Volkes hat erkannt, dass du eine wackere Frau bist.

12Und nun denn, gewiss bin ich ein Löser, aber es ist auch noch ein Löser da, ein näherer Verwandter als ich.

13Nächtige diese Nacht (hier). Und am Morgen wird es geschehen:_ Wenn er dich löst, gut, so löst er; wenn es ihm aber nicht gefällt, dich zu lösen, so löse ich, ja ich, dich ¬ bei Jewe, dem Lebendigen! Liege (hier) bis zum Morgen.

14Und sie lag bis zum Morgen zu seinen Füßen. Und sie stand auf, noch ehe jemand seinen Gefährten erkennen konnte; und zwar sprach er zu sich: Es möge nicht bekannt werden, dass die Frau zur Tenne gekommen ist.

15Und er sprach: Gib das Tuch (den Überwurf), das auf dir ist und fasse es! Und sie fasste es, und er maß sechs (Maß) Gerste ab und lud sie auf sie. Und er kam zur Stadt.

16Sie aber kam zu ihrer Schwiegermutter, und diese sprach: Wer bist du (wie ist's mit dir), meine Tochter? Und sie berichtete ihr alles, was der Mann ihr getan hatte;

17und sprach: Diese sechs (Maß) Geste gab er mir, denn er sprach: Nicht mögest du mit leeren Händen zu deiner Schwiegermutter kommen.

18Da sprach sie: Sitze (warte ab), meine Tochter, bis du erkennst (erfährst), wie die Sache ausfällt, denn nicht wird der Mann Muße haben, es sei denn, dass er die Sache am heutigen Tag vervollständigt (zu Ende gebracht) hat.

...

 Um Mitternacht, zu einer Zeit, in der sich biblisch so manches entscheidet, erwachte Boas mit kalten Füßen und erschrak: Eine Frau zu seinen Füßen! (Vers 8).

 In der Dunkelheit erfragte er ihre Identität. Ruts Stimme und ihre demütige Antwort: »Ich bin Rut, deine Magd«, beruhigten ihn (Vers 9).

 Was Rut dann in überzeugender Kühnheit sagte, war ein klassischer Heiratsantrag (vgl. Hes. 16:8), eingebettet in den Wunsch, Boas möge das Lösungsrecht für Naomi wahrnehmen. Rut hat sich mit der Abwendung von ihrem Volk unter die bergenden Flügel Jewes begeben (Kap. 2:12), nun konnte diese Tatsache unter den Flügeln des Boas praktische Auswirkungen haben. Schützende Fittiche über Rut auszubreiten, hieß sie zur Frau nehmen. ¬ Es sei angemerkt, dass weder das Verhalten noch die Rede Ruts aufgrund der Reinheit der Begegnung zu beanstanden waren.

 Boas war sofort hellwach. Die gesamte Situation und Rechtslage sowie das selbstlose Handeln der Rut blitzschnell überblickend, erbat er den Segen Jewes für sie (Vers 10). Eine Heirat war ein Aspekt des Segens. Boas erkannte das göttliche Obwalten und ging mit Freude auf das Anliegen der Rut ein. Dann lobte er sie dafür, dass sie nicht jüngeren Männern nachgelaufen war ¬ sogar einen reichen hätte sie kriegen können, weil sie in der ganzen Stadt hoch geschätzt wurde ¬, sondern der Naomi die Huld erweisen wollte, dass das Haus Elimelechs einen Erben bekomme, indem sie sich an ihn, einen älteren Mann, gewandt hatte. Damit hatte sie ihre anfängliche Huld an Naomi, als sie sie auf ihrer Rückkehr begleitete und indem sie für sie sorgte, weit übertroffen.

 Boas sprach der gewiss bangenden jungen Frau zu, sich nicht zu fürchten (Vers 11). Er wolle alles, was sie sagte, tun und versprach ihr, noch heute (Vers 13) in der Ratsversammlung im Stadttor alles Nötige zu regeln und sie zu lösen.

 Doch es gab da eine Komplikation: ein anderer war näher mit Naomi verwandt als Boas (Vers 12). Ein anderer war der vorrangige Löser. Die weise Naomi hatte der Rut nichts davon gesagt, um sie nicht verunsichert zur Tenne schicken zu müssen.

 Boas wies Rut an, bis zum Morgen zu bleiben, um sie nicht den Gefahren der Nacht auszuliefern, etwa dass sie umherstreifenden jungen Männern begegnete (Vers 13). Und überhaupt sollte nicht bekannt werden, dass eine Frau des Nachts auf der Tenne war (Vers 14), um lästerlichen Gereden vorzubeugen und damit man ihm im Tor nicht Voreingenommenheit vorwerfen konnte.

 Zu Ruts festlicher Kleidung (Vers 3) gehörte gewiss ein Überwurf, in den Rut sich zum Schutz vor der Kälte gehüllt hatte und um nicht vorzeitig erkannt zu werden. Dieser Umhang diente dem Boas nun dazu, der Naomi zum Zeichen seines Wohlwollens die Hände zu füllen (Vers 15). Die Maßeinheit ist uns nicht bekannt, aber es wird so viel Gerste gewesen sein, dass Rut sie tragen konnte. Die Gabe für Naomi zeigt, dass es um Naomi, anders gesagt: um die Familie Elimelechs ging (Vers 17).

 Naomi kante den Boas und wusste daher genau, dass er die Angelegenheit unverzüglich klären wird (Vers 18).

 Mit Spannung erwarten wir den Ausgang der Sache.

Kapitel 4

Die öffentliche Verhandlung

1Boas aber war zum Tor hinaufgestiegen und hatte sich dort niedergesetzt. Und da! Der Löser ging vorüber, von dem Boas geredet hatte. Da sprach er: Kehre dich (von deinem Weg) ab (halte ein), setze dich hierher, (du) Soundso (wörtlich: nicht näher bezeichneter Außergewöhnlicher)! Und er kehrte sich ab und setzte (sich).

2Und Boas nahm zehn Mannen von den Alten der Stadt und sprach: Setzt (euch) hier nieder! Und sie setzten sich.

3Und er sprach zu dem Löser: Das Grundstück des Gefilds, das unserem Bruder, dem Elimelech, (zu eigen war), verkauft Naomi, die aus dem Gefild Moabs zurückgekehrt ist.

4Da sprach ich, ja, ich, zu mir: Ich enthülle es deinem Ohr, sprechend: Erwirb es in Gegenwart der (im Tor) Sitzenden und in Gegenwart der Alten meines Volks! Wenn du lösen willst, so löse! Aber wenn keiner löst, berichte es mir, sodass ich es erkenne (Bescheid weiß), denn außer dir (ist's an) keinem, zu lösen, und ich bin nach dir. Und er sprach: Ich, ich löse.

5Da sprach Boas: An dem Tag, an dem du das Gefild aus der Hand Naomis erwirbst, da hast du es von Rut, der Moabiterin, der Frau des Toten, erworben, um den Namen des Toten auf seinem Losteil erstehen zu lassen.

6Da sprach der Löser: Ich kann nicht für mich lösen, dass ich nicht mein Losteil verderbe. Löse du mir mein Lösungsrecht, denn ich kann nicht lösen.

7Dieses aber war vordem in Israel (Sitte): Beim Lösen oder bei einem Tausch ¬ um irgendeine Sache zu bestätigen, zog ein Mann seine Sandale aus und gab sie seinem Gefährten; und dies war die Bezeugung (rechtskräftige Bestätigung) in Israel.

8Und der Löser sprach zu Boas: Erwirb es dir! Und er zog seine Sandale aus.

9Da sprach Boas zu den Alten und all dem Volk: Zeugen seid ihr am heutigen Tag, dass ich alles, was dem Kiljon und Machlon (zu eigen war), aus der Hand Naomis erworben habe.

10Und auch noch Rut, die Moabiterin, die Frau Machlons, erwarb ich mir zur Frau, um den Namen des Toten auf seinem Losteil erstehen zu lassen, sodass der Name des Toten nicht von seinen Brüdern abgeschnitten wird und vom Tor seines Ortes. Zeugen seid ihr am heutigen Tag.

11Und all das Volk, das im Tor war, und die Alten sprachen: Zeugen sind wir! Jewe gebe der in dein Haus kommenden Frau, wie (Er) der Rachel und wie (Er) der Lea (gab), die beide das Haus Israel erbauten. Und bringe (du) Wappnung (Gewappnetsein gegen alle Nöte) in Ephrata und rufe (nenne) einen Namen in Bethlehem!

12Und dein Haus werde wie das Haus des Perez, den Tamar dem Juda gebar, aus der Nachkommenschaft, die Jewe dir aus dieser Maid geben wird.

...

 Boas begab sich zum Tor. Dort gingen viele hindurch, die aus der Stadt hinaus wollten. Da kam auch der Löser. Boas erklärte ihm, dass Naomi aufgrund ihrer Armut genötigt sei, ihren Besitz, nämlich das Grundstück ihres verstorbenen Mannes, zu verkaufen (Vers 3).

 Boas ging taktisch klug vor: Er sprach zuerst nur von dem Stück Land, was für den Löser von wirtschaftlichem Interesse sein konnte. So war es auch, und der Löser antwortete »Ich, ich löse« (Vers 4). ¬ Uns stockt der Atem!

 Doch jetzt eröffnete Boas jenem Mann, dass er mit dem Erwerb des Grundstücks des Elimelech nach dem Leviratsrecht (5. Mose 25:5) die Witwe des Sohnes Machlon heiraten müsse, um ihm auf seinem Losteil, nämlich diesem Grundstück, einen Nachkommen zu erwecken (Vers 5).

 Der Löser, der, wie sich nun erwies, nur wirtschaftlich dachte, entzog sich geschwind seiner Verpflichtung (Vers 6). Eine Frau zu versorgen war teuer, und ein Sohn von ihr würde nicht nur das Grundstück erben, sondern darüber hinaus noch einen Teil seines angestammten Nachlasses neben seinen übrigen Söhnen. Das würde sein eigenes Losteil schädigen. Die Lösung zu verweigern, war blamabel (5. Mose 25:9). Vermutlich wird der Name des selbstsüchtigen Lösers deshalb nicht genannt, damit seiner Sippe kein schlechter Ruf über viele Generationen hin anhange.

 Zur Bestätigung seiner Entscheidung zog der Löser eine Sandale aus (Vers 7); daran werden sich alle Zeugen erinnern können. Eine Sandale symbolisierte den Besitz (Jos. 1:3; 14:9; 5. Mose 1:36; 25:9; 11:24).

 Nach alledem war nun Boas rechtskräftig der Löser des Grundstücks wie auch der Rut, der Witwe Machlons, »um den Namen des Toten auf seinem Losteil erstehen zu lassen« (Vers 10). Von nun an versorgte Boas die beiden Witwen Naomi und Rut und war gehalten, mit der Rut einen Erben für Elimelech zu zeugen.

 Boas ist, ebenso wie viele andere Löser, ein prophetisches Bild auf Jesus Christus, den Erlöser der ganzen Welt.

 Geradezu feierlich stellte die gesamte Zeugenschar im Tor fest, dass die Familie Naomis nicht ausgelöscht werden wird, und erbat den Segen Jewes für Rut, dass sie, ebenso wie Rachel und Lea (1. Mose 29:16) (auch durch ihre Mägde) dem Jakob zwölf Söhne schenkten und das Haus Israel erbauten, das Haus des Boas erbauen möge (Verse 11 + 12). So wurde auch Elimelechs Haus erbaut, da dessen Sohn Machlon einen Erben auf seinem Losteil bekommen sollte. Nach 5. Mose 25:6 würde der Erstling des Boas und der Rut den Namen des Toten erstehen lassen, sodass dessen Name nicht aus Israel ausgelöscht wird.

 Und Boas möge den Wohlstand in Bethlehem mehren (Ephrata ist ein anderer Name für diese Stadt und Umgebung) und einen Namen rufen. Der Name ist der eines Erben für Naomi und Machlon, prophetisch betrachtet der Name »Jesus«. Bethlehem verdient es, in diesen Versen hervorgehoben zu werden, weil sowohl König David als auch Jesus, der König des erlösten Volkes Israel, hier als Nachkommen des Boas und der Rut geboren wurden (Micha 5:1).

 Dann priesen die im Tor den Juda, die Tamar und den Perez (Vers 12). Zwar wurde Perez aufgrund einer in sündhafter Weise vollzogenen Leviratsbeziehung Judas mit seiner Schwiegertochter Tamar geboren (1. Mose 38:16, 29), er war aber der Vorfahr der Menschen in Bethlehem, da seine Nachkommen sich hier niedergelassen hatten (1. Chron. 2:4, 12) und auch Boas von ihm abstammte.

 Und schließlich sprachen die Zeugen die Wahrheit aus, dass Jewe es ist, der Kinder erstehen lässt. Kinder sind eine Gabe Gottes (Ps. 127:3).

Rut bekommt einen Sohn, und Naomi wird glücklich

13Und Boas nahm Rut, und sie wurde ihm zur Frau, und er ging zu ihr ein. Und Jewe gab ihr Schwangerschaft, und sie gebar einen Sohn.

14Da sprachen die Frauen zu Naomi: Gesegnet sei Jewe, der dir am heutigen Tag einen Löser nicht aufhören ließ (der dir nicht aufhören ließ, was mit Boas begann und sich nun in dem Sohn darstellt); und (rühmend) genannt werde sein Name in Israel.

15Und er wird dir zu dem, der deine Seele zurückbringt (wiederherstellt, erquickt), und zu dem, der deine grauen Haare versorgt. Denn deine Schwiegertochter, die dich liebt, gebar ihn, sie, die dir besser ist als sieben Söhne.

16Und Naomi nahm den Geborenen und legte ihn an ihren Gewandbausch (oder: Busen) und wurde ihm zur Betreuerin.

17Und die Mitbewohnerinnen riefen ihm einen Namen zu, sprechend: Geboren ist der Naomi ein Sohn! Und sie nannten seinen Namen Obed (heb. OUBD, punktiert OBheD, übersetzt Dienender). Er ist der Vater Isais, des Vaters Davids.

18Und dies sind die Geburtslinien (Generationsfolgen) des Perez: Perez zeugte (wörtlich, auch in den folgenden Versen: machte geboren) Hezron,

19und Hezron zeugte Ram, und Ram zeugte Aminadab,

20und Aminadab zeugte Nahasson, und Nahasson zeugte Salma,

21und Salmon zeugte Boas, und Boas zeugte Obed,

22und Obed zeugte Isai, und Isai zeugte David.

...

 Wir freuen uns mit dem strahlenden Hochzeitspaar; die sich Liebenden fanden zueinander (Vers 13). Sollten sie eher aufgrund ihrer Treue zu Jewe geheiratet haben ¬ in Pflichterfüllung ¬, so wirkte sich gerade diese Tatsache gnadenreich auf die Ehe aus. Und Jewe segnete den Boas und die Rut, indem er ihr, die bisher kein Kind hatte, Schwangerschaft gewährte. Und sie gebar einen Sohn. Wie glücklich das Paar gewesen sein muss!

 Die Frauen der Stadt priesen Jewe, von dem sie wussten, dass Ihm alles zu verdanken ist (Vers 14). In diesem Lobpreis klingt bereits der zukünftige an, den Zacharias, der Vater des Johannes des Täufers, aussprach: »Gesegnet sei der Herr, der Gott Israels, weil Er Sein Volk aufsucht, ihm Erlösung verschafft und uns ein Horn der Rettung im Hause Davids, Seines Knechtes, aufrichtet« (Luk. 1:68, 69).

 Und sie priesen die Naomi, die nun einen Sohn hatte (Vers 17), der ihre Seele erquickte und sie im Alter versorgen wird. Dabei vergaßen die Frauen nicht, auch der Rut ein Lob auszustellen, die besser als »sieben Söhne«, ein Inbegriff größten Segens, ist, weil sie ihre Schwiegermutter liebt (Vers 15). Diese Liebe adelte die Rut und macht, ebenso wie die liebreizende Anknüpfung ihrer Beziehung zu Boas beim Ährenlesen und auf der Tenne das Büchlein »Rut« so reich und schön.

 Naomi war jetzt nicht mehr die »Mara«, die Bitteres von Jewe erfahren hatte und leer, ohne Kinder, nach Bethlehem zurückgekehrt war (Kap. 1:20, 21).

 Ruts Sohn war gewissermaßen Naomis Sohn (Vers 17). Obed nannten sie ihn. Das ist die Kurzform von Obadja, »Diener Jewes«, und ein würdiger Name für den Großvater des Königs David.

 Mit der Nennung des Namens »David« ragt die Erzählung über das Geschick zweier schlichter Frauen hinaus in die Heilsgeschichte hinein. Jewe bewirkte nicht nur die gewöhnlichen, allgemeinen Ereignisse und die spannenden, kritischen Höhepunkte des damals in Bethlehem Geschehenen, sondern schrieb ein Stück zielgerichteter Geschichte mit Seinem Volk Israel, die ihre Erfüllung in Jesus Christus, dem Sohn Davids, ja dem Sohn Gottes, finden sollte.

 Die Verse 18 bis 22 geben uns den Stammbaum Davids an. Boas und Rut sind in die Königslinie eingebunden.

 Wie bereits in Vers 18 in Klammern angemerkt, heißt es im hebräischen Text nicht »zeugen«, sondern »machte geboren«. So konnte eventuell eine Generation ausgelassen werden, weil auch ein Großvater jemanden insofern geboren machte, als dies ohne ihn ja gar nicht geschehen wäre.

 Das letzte und betonte Wort des Buches Rut ist »David«. Gottes wunderbares Wirken und Seine weisen Wege mit seinen Vorfahren (vgl. 1. Chron. 2:3 - 15), die in den großen König David einmünden ¬ war er etwa nicht von derselben aufrichtigen Gesinnung wie seine Urgroßmutter Rut? ¬, sollten bekannt werden.

 Mehr noch aber ist bedeutsam: Boas und Rut werden in Matthäus 1:3 - 6 im Stammbaum Jesu Christi eigens erwähnt. Dort heißt es (in Klammern die hebräischen Formen): »Juda zeugte Phares (Peres) und Zara mit der Tamar, Phares zeugte Esrom (Hezron), Esrom zeugte Aram (Ram). Aram zeugte Aminadab, Aminadab zeugte Nahasson, Nahasson zeugte Salmon (Salma). Salmon zeugte Boas mit der Rahab, Boas zeugte Obed mit der Rut, Obed zeugte Isai. Isai zeugte David, den König.«

Dieter Landersheim

Höhenstraße 11

65824 Schwalbach a. Ts.

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