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Zu Anfang war das Wort (Johannes 1:1-18)

Das Zeugnis Johannes des Täufers (Johannes 1:19-51)

Jesu erstes Wirken (Joh.2:1-3:12)

Wie man äonisches Leben erlangt (Johannes 3:13-4:3)

Das Gespräch mit der Samariterin (Johannes 4:4-54)

Wie der Vater, so wirkt auch der Sohn (Johannes 5)

Das Brot aus dem Himmel, Teil I (Johannes 6:1-40)

Das Brot aus dem Himmel, Teil II (Johannes 6:41-71)

Ströme lebendigen Wassers (Johannes 7:1-8:11)

»Ich bin das Licht der Welt!« (Johannes 8:12-59)

Die Heilung des Blindgeborenen (Johannes 9)

»Ich bin der edle Hirte!« (Johannes 10)

Die Auferweckung des Lazarus (Johannes 11)

Jesus zieht in Jerusalem ein (Johannes 12)

Die Fußwaschung (Johannes 13)

»Ich gehe zum Vater!« (Johannes 14)

»Bringt viel Frucht!« (Johannes 15:1-16:4)

Der Geist der Wahrheit (Johannes 16:5-33)

Das große Fürbittegebet Jesu (Johannes 17)

Jesu Gefangennahme und die Verhöre vor Hannas und Pilatus (Johannes 18:1-19:11)

»Kreuzige Ihn!« (Johannes 19:12-42)

An dem einen der Sabbattage (Johannes 20)

Am See Tiberias (Johannes 21)

 

Ausführungen zum Bericht des Johannes

(Evangelium nach Johannes)

 

Zu Anfang war das Wort

(Johannes 1:1-18)

 

Einführung

 

  Matthäus beschreibt den Dienst unseres Herrn Jesus Christus unter Israel in seinem Bericht unter dem Gesichtspunkt, dass Jesus der König Israels ist, Markus sieht Ihn als den Knecht Gottes, Lukas stellt Ihn als den Sohn des Menschen dar, und Johannes schildert Jesus als den Sohn Gottes. Das Evangelium nach Johannes hat die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn zur Leitlinie.

  Der Verfasser nennt sich nicht selbst; wir meinen aber, in dem Jünger, den Jesus lieb hatte und der an Jesu Brust lag (13:23; 19:26; 21:7,20), eindeutig Johannes zu erkennen. Nach Clemens von Alexandrien (ca. 145-215 n. Chr.) hat der Jünger und Apostel Johannes seinen Bericht um das Jahr 62 n. Chr. in Ephesus verfasst, und zwar bewusst als Ergänzung zu den bereits vorliegenden drei anderen Berichten, die man heute auf die Jahre ca. 40 (Matthäus), ca. 45 (Markus) und ca. 55 n. Chr. (Lukas) datiert.

  Der Zweck des Berichts ist in Kapitel 20:31 angegeben: »... damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr als Glaubende in Seinem Namen äonisches Leben habt.«

  Das Evangelium nach Johannes lässt sich in folgende Hauptabschnitte gliedern:

1.    Prolog (1:1-18)

2.    Jesu Wirken (1:19-12:50)

3.    Jesu Abschiedsreden an Seine Jünger (13-17)

4.    Jesu Kreuzigung und Auferstehung (18-20)

5.    Epilog (21)

  Im Übrigen sei vorab erwähnt, dass Johannes von sieben Wunderzeichen Jesu erzählt (2:1-11; 4:46-54; 5:1-18; 6:5-14; 6:16-21; 9:1-7 sowie 11:1-45) und sieben »Ich-bin«-Worte Jesu festgehalten hat.

 

Diese sind:

1.    »Ich bin das Brot des Lebens« (6:35)

2.    »Ich bin das Licht der Welt« (8:12)

3.    »Ich bin die Tür zu den Schafen« (10:7)

4.    »Ich bin der edle Hirte« (10:11)

5.    »Ich bin die Auferstehung und das Leben« (11:25)

6.    »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« (14:6)

7.    »Ich bin der wahrhafte Weinstock« (15:1)

 

Zu Anfang war das Wort

 

  Der Apostel Johannes schreibt: »Zu Anfang war das Wort, und das Wort war zu Gott hingewandt, und wie Gott war das Wort. Dieses war zu Anfang zu Gott hingewandt« (Verse 1+2).

  Johannes spricht nicht vom absoluten Anfang, den es ohnehin nicht gibt, da Gott keinen Anfang hat. Erst nachdem der Sohn Gottes erschaffen worden war, Er, der Ursprung der Schöpfung Gottes (Off.3:14), der Erstgeborene vor einer jeden Schöpfung (Kol.1:15), nachdem Gott mithin Sein Wort geäußert, aus Sich heraus erschaffen hatte, trat der Anfang ein, von dem Johannes schreibt. Aus Gott ist das All (Röm.11:36). Vorher war Er alles in Sich Selbst.

  Wir dürfen den Eingangssatz somit wie folgt auffassen: Zu Anfang des nachfolgend Gesagten war das Wort.

  Das Wort ist nicht nur der vollständige Ausdruck der Gedanken Gottes, sondern Geist und Leben und wurde durch Maria Fleisch (Vers 14), als Er Sich Seiner göttlichen Gestalt und Herrlichkeit entäußerte, Sich erniedrigte und die Gestalt eines Menschen annahm (Phil.2:6-8; Joh.17:5).

  Das Wort ist das Wort des Lebens, sowohl des äonischen Lebens (1.Joh.1:1,2) als auch des unvergänglichen Lebens (2.Tim.1:10; 1.Kor.15:53), denn es vermittelt Leben.

  »Und das Wort war zu Gott hingewandt [griech. pros = zu, eine Richtung anzeigend].« Der Sohn war in vollkommener Unterordnung und Gemeinschaft auf den Vater ausgerichtet.

  »... und wie Gott war das Wort.« Das Wörtchen »war« würde im Griechischen ausgelassen werden, wenn eine buchstäbliche Aussage gemacht werden sollte. Die Setzung des Wortes »war« zeigt nun aber an, dass eine bildliche Aussage getroffen wird. Gott und Sein Wort sind nicht ein und dasselbe. Nichts, was zu einem Gegenstand hingewandt ist, kann dieser selbst sein. Mithin musste für deutsche Leser das Wort »wie« eingefügt werden, sodass wir also lesen: »... und wie Gott war das Wort«, wie es auch in Phil.2:6 heißt, dass Christus Jesus »es nicht für ein Rauben erachtete, ebenso wie Gott zu sein.«

  »Das Wort war wie Gott« bedeutet, dass es Gott glich (gleichen kann man nur einem anderen), zum Beispiel im Charakter und in der Gesinnung, es aber nicht Gott Selbst war, sondern Ihm untergeordnet und von Ihm gesandt war. Gott allein nur ist die Quelle von allem, der Sohn ist der Mittler, der Weitergebende, der nicht Seinen eigenen Willen ausführt, sondern stets den des Vaters.

  »Dieses war zu Anfang zu Gott hingewandt.« Das Wort hatte das Anliegen, nur zur Ehre und zur Verherrlichung seines Erzeugers dazusein. Es ist die Herrlichkeit des Sohnes, dem Vater alle Ehre zu geben.

 

Alles ist durch das Wort geworden

 

  »Alles ist durch dasselbe geworden, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist« (Vers 3).

  Das Wort Gottes ist der Mittler von allem, sowohl der Schöpfung wie auch der Rettung und der Vollendung. Die beste Erläuterung hierzu finden wir in Kolosser 1:15-17: »Jesus ist das Abbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor einer jeden Schöpfung. Denn in Ihm ist das All erschaffen: das in den Himmeln und das auf der Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften, Fürstlichkeiten oder Obrigkeiten. Das All ist durch Ihn und zu Ihm hin erschaffen, und Er ist vor allem, und das All besteht zusammen in Ihm.« Wir ziehen auch 1.Korinther 8:6 heran: »Für uns ist nur Einer Gott, der Vater, aus dem das All ist (und wir sind zu Ihm hingewandt), und nur Einer Herr, Jesus Christus, durch den das All geworden ist (und wir sind es durch Ihn).«

  König David wusste: »Durch das Wort Jewes wurden die Himmel gemacht und durch den Geist Seines Mundes all ihr Heer. Er spricht, und es geschieht; Er gebietet, und es steht da« (Ps.33:6,9).

  Gott will Sich offenbaren, und zwar zunächst durch die Schöpfung. Das Wahrnehmen der Schöpfung ist der Anfang der Erkenntnis Gottes.

 

Jesus ist Leben und Licht

 

  Der Apostel schreibt weiter: »In demselben war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Das Licht erscheint in der Finsternis, doch die Finsternis hat es nicht erfasst« (Verse 4+5).

  Im Wort war Leben, und es vermittelte Leben, sowohl biologisches (1.Mose 1:11,20,27) als auch geistliches.

  Das lebensvolle Wort war das Licht der Menschen, das den Weg zum Leben erkennen ließ, so wie der Psalmist es ausdrückte: »Dein Wort ist eine Leuchte für meine Füße und ein Licht auf meinem Wege« (Ps.119:105). Doch sogar die Nation Israel, zu der das Licht kam, beharrte in der Finsternis. Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, weil ihre Werke böse waren (Joh.3:19).

  Die Gläubigen aber können ausrufen: »Bei Dir ist die Quelle des Lebens, und in Deinem Licht sehen wir das Licht« (Ps.36:10). Wer Jesus nachfolgt, wandelt keinesfalls in der Finsternis, sondern hat das Licht des Lebens (Joh.8:12).

 

Der Täufer bezeugte das Licht

 

  »Da trat ein Mann auf, von Gott geschickt, sein Name war Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit alle durch dasselbe glaubten; er war nicht selbst das Licht, sondern er kam, um von dem Licht zu zeugen: Es war das wahrhafte Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet« (Verse 6-9).

  Johannes der Täufer war nicht selbst das Licht, sondern war sich bewusst, dass er von Gott gesandt war, um eine große Aufgabe wahrzunehmen, nämlich Jesus Christus als das wahrhaftige Licht zu bezeugen. Das Licht, auf das Johannes hinwies, kam in die Welt, um jeden Menschen zu erleuchten, und es wird schließlich auch jeden erleuchten (Kol.1:20; 1.Tim.4:10). - Der Täufer schließt das Zeugnis des Gesetzes und der Propheten über den Kommenden ab.

 

Die Seinen nahmen Ihn nicht an

 

  »Er war in der Welt, und die Welt wurde durch Ihn erschaffen, doch die Welt hat Ihn nicht erkannt. Er kam in Sein Eigentum, doch die Seinen nahmen Ihn nicht an; allen aber, die Ihn annahmen - ihnen gab Er Vollmacht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an Seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott gezeugt wurden« (Verse 10-13).

  Die Welt hat Jesus nicht erkannt, die Menschen haben Ihn kaum zur Kenntnis genommen, die Finsternis hat das Licht nicht erfasst. Und welch eine besondere Tragik ist es zudem, dass des Herrn Eigentumsvolk, Israel, Ihn nicht erkannt und nicht als den Christus angenommen hat. Israel sträubte sich: »Wir wollen nicht, dass dieser als König über uns herrsche!« (Luk.19:14). Jesaia hatte es vorausgesagt: »Wer glaubt unserem Bericht?« (Jes.53:1).

  Aus Gott gezeugt ist jeder, der glaubt und in Treue dazu steht, dass Jesus der Messias ist (1.Joh.5:1).

  Man beachte, dass die Menschen, die aus Gott, und zwar durch das lebendige Wort (Jak.1:18; 1.Pet.1:23), gezeugt sind, die Jesus annahmen und an Ihn glaubten, nur die Vollmacht erhielten, Gottes Kinder zu werden - muss doch auch jede Unsauberkeit und jeder Überrest eines üblen Wesens abgelegt werden (Jak.1:21; 2.Pet.2:20), müssen doch zum Glauben edle Werke hinzukommen (Jak.2:24; 2.Pet.1:10,11) und muss man doch in Christus bleiben (1.Joh.2:24,28; 3:24; 4:16; 2.Joh.8). Da »glauben« dem Griechischen nach auch »treu sein« bedeutet, ist auch das folgende Verständnis angebracht: Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, gab Er denen, die Seinem Namen treu sind.

  Es sei angemerkt, dass dies nicht das uns angehende Evangelium ist, das dem Apostel Paulus für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung (griech. oikonomia, Haushaltung) der überströmenden Gnade (Eph.3:2; Kol.1:25) enthüllt wurde (Gal.1:12) und wonach wir, die Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23; Leibesgemeinde), allein durch Glauben gerechtfertigt und allein in der Gnade gerettet werden (Röm.3:24,28; Eph.1:13; 2:8).

 

Das Wort wurde Fleisch

 

  »Das Wort wurde Fleisch und zeltete unter uns, und wir schauten Seine Herrlichkeit - wie die Herrlichkeit des Einziggezeugten vom Vater - voller Gnade und Wahrheit« (Vers 14).

  Das Wort wurde Fleisch. Das Wort war Geist, lebens- und kraftvoller Geist aus Gott (Röm.11:36), und hatte die Gestalt (Phil.2:6) und die Herrlichkeit (Joh.17:5) Gottes. Und dann geschah das, was der Bote zu Mirjam sagte: »Heiliger Geist wird auf dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich beschatten; darum wird auch das Heilig-Gezeugte »Sohn Gottes« heißen (Luk.1:35). Und es geschah, was in Philipper 2:7 geschrieben steht: »Er entäußerte Sich Selbst« - wir dürfen durchaus umschreiben: Es, das Wort, entäußerte Sich Selbst - »nahm die Gestalt eines Sklaven an, wurde den Menschen gleichgestaltet und in der Art und Weise wie ein Mensch erfunden.«

  Das Wort zeltete unter uns - ein Zelt ist keine feste und bleibende Wohnung.

  »Wir schauten Seine Herrlichkeit.« Bei Seiner Verklärung wurde Jesus vor Petrus, Jakobus und Johannes umgestaltet; sie sahen Seine Herrlichkeit, Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und Seine Kleidung wurde weiß wie das Licht (Mat.17:2; Luk.9:32; 2.Pet.1:17). Jesus offenbarte Seine Herrlichkeit aber auch durch Seine Zeichen und Wunder (Joh.2:11).

   Es war die Herrlichkeit des einziggezeugten vom Vater, des einen und einzigen Sohnes, die die Jünger wahrnahmen.

  Voller Gnade und Wahrheit war Er allezeit während Seines dreieinhalbjährigen Dienstes in all Seinen Worten und Handlungen. In Ihm wurde die Gnade und Wahrheit Gottes offenbar.

 

Jesus war eher als Johannes

 

  »Johannes zeugte von Ihm und hat laut ausgerufen: Dieser war es, von dem ich sagte: Er, der nach mir kommt, ist vor mir geworden; denn Er war eher als ich« (Vers 15).

  Johannes der Täufer wusste, dass das Wort längst vor ihm geworden war. Dementsprechend sagte Jesus: »Ehe Abraham geboren wurde, war Ich« (Joh.8:58).

 

Gnade um Gnade

 

  Der Apostel schreibt weiter: »Aus Seiner Vervollständigung haben wir alle erhalten, und zwar Gnade um Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, Gnade und Wahrheit sind jedoch durch Jesus Christus geworden« (Verse 16+17).

  Gnade um Gnade haben die Gläubigen Israels aus der Vervollständigung Jesu Christi empfangen, die Gnade der Erkenntnis der Wahrheit des Wortes und damit Gottes (Joh.8:32), die Gnade der Erlassung der Sünden, die Gnade des äonischen Lebens, des Lebens in den zukünftigen Äonen, die Gnade der Teilhabe am Königreich Israels, die Gnade, das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum und die heilige Nation zu werden (2.Mose 19:6; 1.Pet.2:9).

  Der Herr Jesus Christus wurde vervollständigt, indem Er den Gehorsam lernte durch das, was Er litt, und so vollkommen gemacht wurde (Heb.2:10; 5:8). Um Seines Todesleidens willen wurde Er mit Herrlichkeit und Ehre bekränzt (Heb.2:9). Aus Seinem Kreuz fließt aller Segen.

  Durch Mose hatte Jewe Elohim Israel das Gesetz gegeben (3.Mose 31:18). Das war ein Joch, das sie nicht zu tragen vermochten (Ap.15:10). Durch Jesus Christus aber wurde Israel Gnade und Wahrheit zuteil. Zur Gnade haben wir gerade einiges ausgeführt, zur Wahrheit wäre zu sagen: Die Wahrheit, die Jesus brachte, ist das umfassende Bild von Gott, der der Vater und Liebe ist. Wer Jesus, die Wahrheit in Person, sieht, sieht den Vater (Joh.14:9). Das Wort schildert uns die Wahrheit über Gott.

 

Der einziggezeugte Gott

 

  So schließt sich Vers 18 an: »Niemand hat Gott jemals gesehen; der einziggezeugte Gott, der jetzt in dem Busen des Vaters ist, derselbe hat Ihn geschildert.«

  Ja, im Angesicht Jesu Christi erkennen wir den Vater in all Seiner Herrlichkeit (2.Kor.4:6).

  Gott Selbst allerdings kann man nicht sehen (1.Joh.4:12), weil Er Geist ist (Joh.4:24). Er ist unsichtbar (1.Tim.1:17). Nur Jesus Christus ist das Abbild des unsichtbaren Gottes (Kol.1:15). Jesus sagte von Seinem Vater: »Weder habt ihr jemals Seine Stimme gehört noch Sein Aussehen wahrgenommen« (Joh.5:37; vgl. 6:46).

  Und wen sahen die Gottesmänner in den früheren Zeiten? Sie sahen himmlische Boten, die die Worte Gottes aussprachen und Seine Herrlichkeit in einem Lichtglanz zum Ausdruck brachten (Heb.2:2; 1.Mose 18:1,2; 2.Mose 32:34; 33:20,21).

  Unter »Busen« verstehen wir ganz allgemein eine Einbuchtung des Leibes. Die geistliche Tatsache, dass der Sohn beim Vater ist, können wir bildlich mit »Er ist an der Brust des Vaters« umschreiben.

  Wie kann Jesus als Gott, als einziggezeugter Gott, bezeichnet werden? Der Herr Jesus Christus ist Gott nicht im absoluten Sinne, sondern insofern Er Gott als dessen Wort und Abbild darstellt und Er in der Vollmacht Gottes auftritt. Er ist für uns wie Gott, da Er die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes und das Gepräge (oder die Abprägung) Seines Wesens (oder Seines Innersten) ist (Heb.1:3).

  Es ist nötig, dass wir uns immer mehr mit dem Wort Gottes befassen, denn das Wort, Jesus, Er, der bei Gott ist, dieser hat den Vater gesehen (Jeh.6:46). Deshalb kann Er Ihn uns enthüllen, wie Er sagte: »Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn, und wem der Sohn es zu enthüllen beschließt« (Mat.11:27).

  Wohl ist der Vater im Wort der heiligen Schriften bereits völlig enthüllt - mögen wir das Wort aber auch in geistlicher Weisheit und mit geistlichem Verständnis eifrig lesen, damit ein jeder von uns Ihn nun auch persönlich völlig erkenne. Denn Gott kennen, ist Leben!

 

Das Zeugnis Johannes des Täufers

(Johannes 1:19-51)

 

  Der Apostel Johannes hat den Prolog zu seinem Bericht, in welchem er die Herrlichkeit des Herrn Jesus Christus dargestellt hatte, mit Vers 18 abgeschlossen. Jetzt zeichnet er das Zeugnis Johannes des Täufers nach.

 

Das Zeugnis des Johannes

 

  »Dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden in Jerusalem Priester und Leviten zu ihm schickten, damit sie ihn fragen sollten: Wer bist du? - Da bekannte er es und leugnete nicht. Und er bekannte: Ich bin nicht der Christus! Sie fragten ihn nochmals: Was nun? Bist du Elia? Er entgegnete: Ich bin es nicht. - Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein. Nun fragten sie ihn: Wer bist du denn, damit wir denen Antwort geben, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er entgegnete: Ich bin die Stimme eines Rufers: In der Wildnis macht den Weg des Herrn gerade! - so wie es der Prophet Jesaia gesagt hat« (Verse 19-23).

  Der Täufer ist nicht der Christus. Dies ist das elementare Bekenntnis, das ausschließt, dass jemand in ihm den Messias vermutet. Wichtig ist zugleich, dass Johannes sich selbst zurücknimmt und sich nichts einbildet oder anmaßt.

  Er ist nicht Elia. Nun sagte aber der Herr Jesus über Johannes den Täufer: »Wenn ihr es annehmen wollt: er ist Elias, der sich anschickt zu kommen« (Mat.11:14).

  Die Worte Jesu und die des Täufers sind keineswegs ein Widerspruch, denn das Zeitwort »ist« in der Aussage unseres Herrn, dass Johannes Elias ist, ist spracheigentümlich zu verstehen, und zwar im Sinne von »bedeutet« oder »entspricht«. Johannes ist also nicht Elias, sondern entspricht ihm und hat eine Bedeutung wie Elias. Außerdem kann ein Mensch niemals ein anderer Mensch sein. Johannes ist Johannes, und Elias ist Elias.

  Der Prophet Elia war durch Maleachi 3:23 wie folgt angekündigt worden: »Siehe, Ich sende euch den Propheten Elia, bevor der Tag Jewes kommt, der große und furchtbare.« Der Tag Jewes liegt noch in der Zukunft; er ist der Tag des Zorns und gerechten Gerichts Gottes; und dieser Tag beschließt als letzter Jahrsiebener unseren bösen Äon (Jes.13:13; Jer.51:6; Dan.9:27; Zeph.1:14-18; 2:1-3; Sach.14:9,20; Mat.24; Off.4-19).

  Nach Matthäus 17:10-13 fragten die Jünger den Herrn: »Wieso sagen nun die Schriftgelehrten, dass Elia zuerst kommen müsse? Er antwortete ihnen: Elia kommt zwar zuerst und wird alles wiederherstellen. Aber Ich sage euch, dass Elia schon kam; doch sie erkannten ihn nicht, sondern taten ihm an, was immer sie wollten. So wird auch der Sohn des Menschen demnächst von ihnen leiden müssen. Dann verstanden die Jünger, dass Er von Johannes dem Täufer zu ihnen sprach.« Dies besagt, dass Johannes in dem Geist und in der Kraft Elias da war, wie Lukas 1:16,17 bestätigt, wonach der Bote Gottes zu Zacharias, dem Vater des Johannes, sagte: »Viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, zurückführen; und er wird vor Seinen Augen in dem Geist und der Kraft des Elia vorausgehen, um die Herzen der Väter umzuwenden zu den Kindern und die Widerspenstigen zur Besonnenheit der Gerechten, um dem Herrn ein Volk zuzurichten und bereit zu machen.«

  Mithin dürfen wir sagen: So wie Elia einst wiederkommen und alles wiederherstellen wird, so kam auch Johannes, um der Wegbereiter Jesu Christi zu seiner Zeit zu sein.

  Der Täufer ist auch nicht der Prophet. Mose hatte angekündigt: » Einen Propheten wie mich wird Jewe, dein Elohim, aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören. ... Ich will meine Worte in seinen Mund legen, und er wird zu ihnen alles reden, was Ich ihm gebieten werde« (5.Mose 18:15,18). Dieser Prophet ist der Christus. Die den Johannes Befragenden meinten vielleicht, der Christus und der Prophet seien zwei Personen (vgl. Joh.7:40,41), oder sie stellten die Frage nur für den Fall, dass Johannes diesen Begriff etwa vorziehen würde.

  Wer aber ist der Täufer? -Johannes ist der, den Jesaia vorausgesagt hatte: »Stimme eines Rufers: In der Wildnis bereitet den Weg Jewes! In der Steppe macht den Hochweg unserem Elohim gerade! Jede Schlucht soll ausgefüllt werden, und jeder Berg und Hügel soll erniedrigt werden, und die krummen sollen zu geraden werden und die rauen zu glatten Wegen. Und enthüllt wird Jewes Herrlichkeit, und sehen wird alles Fleisch das Heil Elohims« (Jes.40:3-5). Johannes ist der Herold, der dem König den Weg bahnt. Er ist der Vorläufer Jesu, der Ihn schon vorweg im Auftrag Gottes als das Licht, das in die Welt kommt (Vers9), als den vor ihm Gewordenen (Verse 15+27) und als den die Sünde der Welt auf Sich Nehmenden (Vers 29) bezeugt.

 

Warum taufte Johannes?

 

 »Die Abgesandten, die von den Pharisäern waren, fragten ihn weiter. Sie sagten zu ihm: Warum taufst du nun, wenn du nicht der Christus, noch Elia, noch der Prophet bist? - Da antwortete Johannes ihnen: Ich taufe in Wasser; in eurer Mitte aber steht der, mit dem ihr nicht vertraut seid. Er ist es, der nach mir kommt, der vor mir geworden ist, und ich bin nicht würdig, Ihm den Riemen Seiner Sandale zu lösen. - Dies geschah in Bethanien, jenseits des Jordanflusses, wo Johannes taufte« (Verse 24-28).

  Jenes Bethanien war ein anderes als das am Osthang des Ölbergs gelegene.

  Warum taufte Johannes in Wasser? Weil die mit der Wassertaufe verbundene Umsinnung und Erlassung der Sünden die Menschen bereit machte für den, der die Sünden auf Sich nimmt, und für den Eintritt in Sein Königreich. Johannes »heroldete die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden« (Luk.3:3).

  Johannes taufte in Wasser; angesichts seines erst in Vers 33 erwähnten Hinweises, dass Jesus mit heiligem Geist taufen werde (Mark.1:8; Luk.3:10), zeigt sich auch daran sein untergeordneter und vorbereitender Dienst.

  Wie der Täufer bereits in Vers 15 bezeugte, war Jesus vor ihm geworden, ist Er doch der Erstgeborene vor einer jeden Schöpfung (Kol.1:15), der Ursprung der Schöpfung Gottes (Off.3:14), ja das Wort, durch das alles geworden ist (Joh.1:3). Und obwohl der Christus Israel mithin schon seit den Tagen ihrer Urväter trug, waren sie aufgrund ihres Unglaubens weder mit dem Vater noch mit Ihm vertraut.

 

Das Lamm Gottes

 

  »Tags darauf sah er Jesus auf sich zukommen; da sagte er: Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf Sich nimmt! Dieser ist es, von dem ich sagte: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir geworden ist; denn Er war eher da als ich. Ich selbst war mit Ihm nicht vertraut; damit Er jedoch Israel geoffenbart würde, deshalb kam ich, um in Wasser zu taufen« (Verse 29-31).

  Johannes war mit Jesus insofern nicht vertraut gewesen, als er bislang nicht gewusst hatte, dass Jesus der Messias ist. Nachdem der Geist Gottes ihm dies aber aufgeschlossen hatte, erkannte er seinen Dienst, dass er nämlich die Wege des Herrn bereiten sollte, damit jener Israel offenbart und dem Volk Erkenntnis der Rettung durch den Sohn Gottes zuteil würde (Luk.1:76-79).

  Millionen Lämmer waren nach dem Gesetz als Sündopfer und Schuldopfer dargebracht worden (3.Mose 4:32; 5:6), aber nur für den jeweiligen Menschen und niemals für die ganze Welt, die gesamte Menschheit. Jesus ist das wahre Opferlamm. Das Blut von Tieren konnte die Sünden nur bedecken, aber nicht hinwegnehmen (Heb.10:4). Wenn auch zunächst nur die Gläubigen Israels von ihren Sünden mit dem kostbaren Blut Christi als eines makellosen und fleckenlosen Lammes losgekauft wurden (1.Pet.1:19), so ist Er doch die Sühne nicht allein für Israels Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt (1.Joh.2:2).

  Von dem Lamm, das die Sünden der Vielen trug und für die Übertreter des Gesetzes eintrat, sprach bereits Jesaia (Jes.53:7,12).

 

Der Geist wie eine Taube

 

  In den folgenden Versen 32 bis 34 berichtet der Apostel Johannes nicht über Jesu Taufe, sondern über das Zeugnis Johannes des Täufers darüber. Wir lesen zuerst Matthäus 3:16,17: »Getauft stieg Jesus sogleich aus dem Wasser, und siehe, da öffneten sich ihm die Himmel; er gewahrte den Geist Gottes wie eine Taube herabsteigen und auf Ihn kommen. Und siehe, eine Stimme aus den Himmeln sagte: Dies ist Mein geliebter Sohn, an Ihm habe Ich Mein Wohlgefallen.«

  »Dann bezeugte Johannes: Ich habe es geschaut, wie der Geist aus dem Himmel wie eine Taube herabgestiegen und auf Ihm geblieben ist. Zwar war ich selbst noch nicht mit Ihm vertraut; jedoch der mich gesandt hat, um in Wasser zu taufen, derselbe sagte zu mir: Auf den du den Geist herabsteigen und auf Ihm bleiben gewahrst, dieser ist es, der in heiligem Geist tauft. Ich habe es gesehen, und ich bezeuge seitdem, dass dieser der Sohn Gottes ist« (Verse 32-34).

  Der Vater beglaubigte Seinen Sohn durch Seinen Geist und Seine Stimme. Der Geist bekundete sich sichtbar in der Gestalt einer Taube. Johannes gewahrte angesichts der Taube gleichsam den Geist. Der mit dem Geist Gottes ohne Maß Ausgestattete (Joh.3:34) wird die Gläubigen mit heiligem Geist taufen.

  Und wir bezeugen zusammen mit Johannes: Der Mensch Jesus, der Messias, der davidische König (2.Sam.7:12-14) - dieser ist wesenhaft der Sohn Gottes, das Wort und das Abbild Gottes!

 

Die ersten Jünger

 

  »Tags darauf stand Johannes mit zwei von seinen Jüngern wieder da; und auf Jesus blickend, der dort umherging, sagte er: Siehe, das Lamm Gottes! Das hörten ihn die zwei Jünger sprechen, und sie folgten Jesus. Da wandte Jesus Sich um, schaute auf die Ihm Folgenden und fragte sie: Was sucht ihr? Sie entgegneten Ihm: Rabbi (Das heißt verdolmetscht: Lehrer), wo hast Du Deine Bleibe? Er antwortete ihnen: Kommt und seht! Dann gingen sie und gewahrten, wo Er Seine Bleibe hatte, und blieben jenen Tag bei Ihm; es war etwa die zehnte Stunde« (Verse 35-39).

  Die Jünger des Johannes erwarteten den Messias. Kein Wunder, dass sie Johannes verließen, als sie das Lamm Gottes gefunden hatten, und Jesus folgten. Ihre definitive Berufung als Jünger dürfte erst nach der Überantwortung des Täufers in Galiläa erfolgt sein (Mat.4:12, 18-20).

  Jesus wandte Sich den hinter Ihm Hergehenden zu und stellte ihnen die ganz allgemeine Frage, was sie denn suchten. Sie ehrten Ihn mit der Anrede »Rabbi«, das heißt Lehrer, mein Mehrer, mein Meister. Mit ihrer Gegenfrage nach Jesu Bleibe ging es ihnen darum, bei Ihm sein und Ihn näher kennenlernen zu dürfen.

  Die zehnte Stunde nach jüdische Zählung war gegen 16 Uhr.

 

Andreas und Simon

 

  »Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer von den zweien, die es von Johannes gehört hatten und Ihm folgten. Dieser fand zuerst seinen eigenen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden. (Das ist verdolmetscht: Christus.) Dann führte er ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen (was mit »Petrus« übersetzt wird)« (Verse 40-42).

  Der eine von den zwei Johannes-Jüngern, die nun Jesus folgten, war vermutlich Johannes, der Jünger und Apostel, der sich in seinem Bericht aber nicht selbst nennen mochte.

  Der andere ehemalige Jünger des Täufers, Andreas, durfte den schönen Dienst tun, seinem Bruder Simon zu bezeugen, dass Jesus der Christus ist, und ihn zu Ihm zu führen. Simon ist hebräisch und bedeutet hören und Erhörung. Seinem Namen entsprechend hörte er das Zeugnis seines Bruders und fand er die Erhörung seiner Messiaserwartung. Kephas war sein Beiname, auf griechisch Petros, zu deutsch Fels, denn er sollte den Felsen, das Fundament, der Gemeinde aus Israel bilden (Mat.16:18).

 

Philippus und Nathanael

 

  »Tags darauf wollte Er nach Galiläa hinausziehen und fand Philippus. Da sagte Jesus zu ihm: Folge Mir! Philippus war von Bethsaida, der Stadt des Andreas und des Petrus. Philippus fand den Nathanel und berichtete ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, den Sohn des Joseph, von Nazareth! - Da sagte Nathanael zu ihm: Aus Nazareth? Was kann es Gutes sein? - Philippus erwiderte ihm: Komm und sieh!« (Verse 43-46).

  Bethsaida lag am Nordostufer des Sees Genezareth.

  Gegenüber Philippus wurde Jesus aktiv und berief ihn.

  Philippus muss vom Herrn ergriffen gewesen sein und Ihn als den von Mose (5.Mose 18:15-19) und den Propheten (Jes.52:13-53:12; Micha 5:1; Sach.9:9; Dan.7:13) Verheißenen erkannt haben, sodass er gegenüber Nathanael nicht schweigen konnte. Der Jünger Nathanael (das heißt: »El gibt«) trug vermutlich den Beinamen Bartholomäus (Mat.10:3).

  Die Nachricht, dass Jesus aus Nazareth komme (Mat.2:23), stimmte Nathanael skeptisch, denn Nazareth hatte einen schlechten Ruf, weil dort die für den Norden Galiläas zuständige römische Garnison lag und ihre Einwohner somit im Geruch von Kollaborateuren standen.

 

Ein Israelit ohne Falsch

 

  »Als Jesus den Nathanael zu Sich kommen sah, sagte Er von ihm: Siehe, wahrhaftig ein Israelit, in dem kein Betrug ist. - Da fragte Ihn Nathanael: Woher kennst Du mich? Jesus antwortete ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, gewahrte Ich dich. - Nathanael antworte Ihm: Rabbi, Du bist der Sohn Gottes. Du bist der König Israels! - Darauf antworte ihm Jesus: Glaubst du, weil Ich dir sagte, dass Ich dich unter dem Feigenbaum gewahrte? Größeres als dieses wirst du sehen!« (Verse 47-50).

  Jesus konnte jedem Menschen ins Herz schauen; Er kannte sie alle (Joh.2:25; vgl. Ps.131:2). Und in Nathanael war kein Betrug. Wahrhaftig eine Ausnahme!

  Nathanael sah es als ein göttliches Wunder an, dass Jesus ihn unter dem Feigenbaum gesehen hatte, und wusste daher, dass jener der Sohn Gottes ist. Sein Platz unter dem Feigenbaum zeigt uns an, dass er auf die Erlösung Israels und das Königreich wartete, das nach den Worten Daniels nahe herbeigekommen war (Dan.7:25). Der Feigenbaum ist ein Symbol für das Wohnen in Frieden und Sicherheit im Königreich Gottes (1.Kön.5:5; Micha 4:4).

  Größeres als dieses, nämlich den Auferstandenen, wird Philippus sehen (Mat.28:7,10).

 

Der offene Himmel

 

  »Dann sagte Er zu ihm: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Boten Gottes über dem Sohn des Menschen hinaufsteigen und herabsteigen« (Vers 51).

  Dies ist eine Verheißung für den kommenden Äon, das tausendjährige Königreich Israels, wenn alle die wie Nathanael gesinnten Juden (Zeph.3:13; Ps.32:2) sich der Segnungen des Himmels und der Erde unter der Herrschaft ihres Messias erfreuen werden. Sie werden das heute für uns Unsichtbare schauen.

  Jakob erfuhr dies bereits in ähnlicher Weise in einem Traum: »Er träumte, und siehe, da war eine Treppe zur Erde aufgestellt, und ihre Spitze berührte die Himmel. Und siehe, Boten Elohims stiegen auf ihr hinauf und hinab« (1.Mose.28:12).

  Und dem Stephanus wurde der Blick in den Himmel geschenkt, als er vor dem Synedrium stand: »Voll Glauben und heiligem Geist unverwandt in den Himmel sehend, gewahrte er Gottes Herrlichkeit und Jesus zur Rechten Gottes stehen und sagte: Siehe, ich schaue die Himmel aufgetan und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen!« (Ap.7:55,56).

  Auch der Apostel Johannes sah den geöffneten Himmel und Jesus auf einem weißen Pferd am Ende der Zeit des Zornesgerichts Gottes (Off.19:11).

  Am Ende des Kapitels eins angelangt, dürfen wir mit dem Zeugnis Johannes des Täufers übereinstimmend glaubend aussprechen: Unser Herr Jesus Christus ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf Sich nahm; Er ist der König, der Seinem Volk Israel Seine Herrlichkeit und Huld erweisen wird!

   

Jesu erstes Wirken

(Joh.2:1-3:12)

 

  In Kapitel zwei lesen wir vom ersten Wunder Jesu, das Johannes ein Zeichen nennt und Jesu Herrlichkeit offenbarte. - Es war am dritten Tag nach der Berufung des Nathanael zum Jünger.

 

Die Hochzeit zu Kana

 

  »Am dritten Tag danach fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt. Die Mutter Jesu war auch dort, Jesus aber und Seine Jünger waren ebenfalls zur Hochzeit eingeladen. Als es an Wein mangelte, sagte Jesu Mutter zu Ihm: Sie haben keinen Wein mehr! Da antwortete ihr Jesus: O Frau, was ziemt sich für Mich und dich? Meine Stunde ist noch nicht eingetroffen. - Dann sagte Seine Mutter zu den Dienern: Was Er euch auch sagen wird, das tut!

  (Nun waren dort nach der Reinigungssitte der Juden sechs steinerne Wasserkrüge aufgestellt, die je für zwei oder drei Maß Raum hatten.) Jesus sagte zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge bis zum Rand mit Wasser! Und sie füllten sie bis oben zum Rand. Dann gebot Er ihnen: Schöpft nun daraus und bringt es dem Speisemeister! Da brachten sie es ihm.

  Als der Speisemeister das Wasser, das Wein geworden war, gekostet hatte (er wusste jedoch nicht, woher er war - die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es), rief der Speisemeister den Bräutigam und sagte zu ihm: Jeder Mensch setzt zuerst den edlen Wein vor und dann, wenn sie berauscht sind, den geringeren; du aber hast den edlen Wein bis jetzt zurückbehalten.

  Dies tat Jesus zu Anfang Seiner Zeichen zu Kana in Galiläa und offenbarte Seine Herrlichkeit, und Seine Jünger glaubten an Ihn« (Verse 1-11).

  Die Antwort Jesu an Seine Mutter, was zwischen Ihm und ihr sei, ist bestimmt von dem Gedanken, dass Er nach dem handelt, was zwischen Ihm und dem Vater ist. Jesus wird handeln, wenn Sein Gott und Vater Ihm sagt, dass die Stunde dafür gekommen ist. Die Mutter verstand dies sehr wohl und gab den Dienern den Hinweis, auf Jesus zu hören, was auch immer Er sagen möge.

  Diese Hochzeitsfeier ist ein Bild auf die Hochzeit, die Jesus als der Bräutigam mit Seiner Braut Israel zu Beginn des Königreichs feiern wird.

  Da Wein das Herz der Sterblichen erfreut (Ps.104:15), darf er für die Freude im tausendjährigen Königreich Israels stehen. Diese Freude wird Jesus ihnen geben. Gott hat das Beste für die Seinen reserviert.

 

Die erste Reinigung der Weihestätte

 

  »Danach zog Er nach Kapernaum hinab, Er, Seine Mutter, Seine Brüder und Seine Jünger; dort blieben sie jedoch nicht viele Tage, da das Passah der Juden nahe war.

  Dann zog Jesus hinauf nach Jerusalem. Er fand dort in der Weihestätte die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler sitzen. Da machte Er aus Stricken eine Peitsche und trieb sie alle aus der Weihestätte hinaus samt den Schafen und den Rindern, schüttete das Wechselgeld der Makler aus und stieß die Tische um. Zu denen, die Tauben verkauften, sagte Er: Nehmt diese von hier fort! Macht nicht das Haus Meines Vaters zu einem Kaufhaus! - Da erinnerten sich Seine Jünger, dass geschrieben ist: Der Eifer um Dein Haus wird mich verzehren (Ps.69:10)« (Verse 12-17).

  Unser Herr Jesus Christus hatte im Herbst des Jahres 28 n. Chr. Seinen Dienst angetreten. Im Monat Nisan (März/April) des Jahres 29 zog Er nach Jerusalem hinauf, wie das Gesetz es gebot (2.Mose 12:11,14; 5.Mose 16:5,6).

  Was Er in der Weihestätte vorfand, war entsetzlich. »Die Weihestätte ist vom eigentlichen Tempel (Heiliges und Allerheiligstes) zu unterscheiden, den nur Priester betreten durften. Christus war nie im Tempel. Die Weihestätte umfasste alle dem jüdischen Volk zugänglichen Höfe, Hallen und Nebengebäude des Tempels und war umgeben von dem Soreg, einer Mauer, die sie von den Fremden abschloss« (Stichwortkonkordanz zum Konkordanten NT, Seite 631).

  Jesus war berechtigt, das Haus Seines Vaters zu reinigen, denn Er war der Sohn; des Weiteren deswegen, weil nach dem Gesetz zum Passah und zum Fest der ungesäuerten Brote alles Gesäuerte aus den Häusern entfernt werden musste (2.Mose 12:15,18). Sauerteig ist in der gesamten Heiligen Schrift ausnahmslos ein Symbol für das Böse und Üble. Indem Jesus nun alles mit Gewinnsucht Verbundene hinaustrieb, bereitete Er die Weihestätte für die Festtage zu.

  Paulus schreibt: »Wisst ihr nicht, dass ein klein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Daher reinigt euch gründlich von dem alten Sauerteig, damit ihr ein frischer Teig seid, wie ihr ja als Heilige ungesäuert seid; denn als unser Passah wurde Christus für uns geopfert. Lasst uns daher das Fest nicht in altem Sauerteig begehen, noch im Sauerteig des Üblen und der Bosheit, sondern im ungesäuerten Teig der Aufrichtigkeit und Wahrheit« (1.Kor.5:6-8).

  Übrigens reinigte der Herr die Weihestätte noch ein zweites Mal, und zwar am 10. Nisan 32, vier Tage vor Seiner Kreuzigung (Mat.21:12,13; Mark.11:15-17).

 

Der Tempel Seines Körpers

 

  »Die Juden nun antworteten Ihm: Was für ein Zeichen zeigst Du uns, dass Du dies tun darfst? - Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde Ich ihn aufrichten! - Nun sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wird an diesem Tempel gebaut, und Du willst ihn in drei Tagen aufrichten! - Er aber hatte von dem Tempel Seines Körpers gesprochen. Als Er dann aus den Toten auferweckt war, erinnerten sich Seine Jünger, dass Er dies gesagt hatte; und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte« (Verse 18-22).

  Die Juden forderten Zeichen (1.Kor.1:22). Aber der Herr weiß, dass die Juden trotz der vielen Zeichen, die Er tun wird, den Tempel Seines Körpers niederreißen werden. Am dritten Tag aber wird Sein Körper in der Auferstehung wieder aufgerichtet werden. Dieses Zeichen werden sie doch wohl nicht übersehen? - Sie hatten aber nicht einmal das geringste geistliche Verständnis für die Reinigung der Weihestätte.

  Bei der Verhandlung des Synedriums gegen Jesus wurde Ihm dieser Ausspruch in verdrehter Form zur Last gelegt, dass nämlich Er den Tempel abbrechen könne; dies hatte Er aber von ihnen gesagt, die gerade im Begriff waren, genau dies zu tun (Mat.26:61; vgl. Ap.6:14).

  In den Tagen Jesu auf der Erde wohnte der Geist Gottes in Seinem Körper und war Er somit der Tempel. Die Herrlichkeit Gottes, die Schekina, war seit den Tagen Hesekiels um 592 v. Chr. längst aus dem Tempel gewichen (Hes.10:18). - Heute übrigens sind wir, die Körpergemeinde (Eph.1:22,23), Gottes Tempel, da Sein Geist in uns wohnt (1.Kor.3:16).

 

Er kannte sie alle

 

  »Als Er dann am Passahfest in Jerusalem war, glaubten viele an Seinen Namen, denn sie schauten Seine Zeichen, die Er tat. Jesus Selbst vertraute Sich ihnen jedoch nicht an, weil Er sie alle kannte und von keinem ein Zeugnis über den Menschen brauchte; denn Ihm war Selbst bekannt, was im Menschen war« (Verse 23-25).

  Jesus tat weitere Zeichen, vermutlich Heilungen, und so glaubten am Passahfest des 14. Nisan 32 viele aufgrund des Geschauten an Ihn. Vielleicht glaubten manche auch nur, dass Er ein von Gott gesandter Heiler sei.

  Es war durchaus recht, aufgrund von Zeichen und Wundern zu glauben, der gereifte Glaube aber »ist die zuversichtliche Annahme dessen, was man erwartet, und ein Überführtsein von Tatsachen, die man nicht erblickt« (Heb.11:1). »Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben«, sagte unser Herr zu dem ungläubigen Thomas (Joh.20:29).

  Und heute, in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade (oikonomia, Haushaltung; Eph.3:2; Kol.1:25), wandeln wir vollends durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7). Diese unsere Verwaltung besteht im Glauben (1.Tim.1:4).

  Obwohl viele nun an Jesus glaubten und Ihm Vertrauen entgegenbrachten, vertraute Er Selbst Sich ihnen nicht an, denn Er wusste, dass nichts Gutes im Menschen wohnt. Er kannte den Charakter, den Wandel, die Vergangenheit, die Fähigkeiten und die innersten Motive eines jeden Menschen, so wie Er auch wusste, was in Petrus (1:42), Nathanael (1:47), in der Samariterin (4:17,18) und in Judas Iskariot (13:11) war. Den Menschen, die nur aufgrund von Zeichen glauben, kann man sich nicht anvertrauen. Ein Glaube, der auf Zeichen gründet, ist ein unbeständiger Glaube.

 

Nikodemus

 

  »Unter den Pharisäern war ein Mann, dessen Name Nikodemus war, ein Oberer der Juden. Dieser kam bei Nacht zu Ihm und erklärte Ihm: Rabbi, wir wissen, dass Du als Lehrer von Gott gekommen bist; denn niemand kann diese Zeichen tun, die Du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist« (Joh.3:1,2).

  Dieses Mitglied des Synedriums kam wahrscheinlich deshalb in der Nacht zu Jesus, weil sein latenter Stolz es nicht zuließ, dass er als angesehener Ältester mit einem jungen Rabbi sprach, von dem man noch nicht genau wusste, was er lehrte.

  Mit seinen einführenden Worten erweist Nikodemus Jesus die Ehre eines Rabbis, bei dem jedenfalls deutlich geworden war, dass Er im Auftrag Gottes handelte und Gott mit Ihm war. Dass Jesus der Messias und der Sohn Gottes war, konnte er sich sicherlich noch nicht vorstellen.

  Wie wir sehen werden, wird Nikodemus aber hinzulernen und später vor dem Synedrium für eine gerechte Anhörung Jesu plädieren (Joh.7:51) sowie sich bei der Bestattung Jesu zu Ihm bekennen (Joh.19:39).

 

Die Zeugung von oben her

 

  »Jesus antwortete ihm: Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Wenn jemand nicht von oben her gezeugt wird, kann er das Königreich Gottes nicht gewahren. - Da sagte Nikodemus zu Ihm: Wie kann ein Mensch, der ein Greis ist, gezeugt werden? Er kann doch nicht ein zweites Mal in den Leib seiner Mutter eingehen und geboren werden!« (Verse 3+4).

  Nikodemus erwies sich als ein unkundiger Oberer seines Volkes. Nicht dadurch, dass er die Rede Jesu buchstäblich auffasste, sondern dadurch, dass er nicht verstand, dass Jesus von einem geistlichen Geschehen sprach. Ihm war nur klar, dass eine buchstäbliche Auffassung eine biologische Unmöglichkeit darstellen würde. Außerdem hätte Nikodemus an Hesekiel 36:27 denken müssen, was er schon oft gelesen hatte, dass Jewe Elohim sprach: »Ich werde Meinen Geist in euer Inneres geben.« Dies ist eine Voraussetzung für den Empfang des äonischen Lebens und den Eintritt in das tausendjährige Königreich Israels. Doch dieser Aspekt der Erneuerung durch den Geist Gottes war kein fester Bestandteil der Gelehrsamkeit dieses Mannes.

 

Aus Wasser und Geist

 

  »Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist gezeugt wird, kann er nicht in das Königreich Gottes eingehen« (Vers 5).

  Die Bedingungen sind unumstößlich; es sind diese die Reinigung durch das Wasser und das Neugemachtwerden durch den Geist Gottes.

  Hesekiel hatte es schon gesagt: »Ich werde euch aus den Nationen holen und euch aus allen Ländern sammeln und euch in euer Land bringen. Und Ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von all euren Unreinheiten und von all euren Götzen werde Ich euch reinigen« (Hes.36:24,25). Die Reinigung erfolgt seit Johannes dem Täufer nach vorhergehender Sinnesänderung durch die Wassertaufe, »die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden« (Luk.3:3).

  Von dem Zweiten hatte Hesekiel ebenfalls bereits gesprochen: »Ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben, und Ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben« (Hes.36:26).

  Mithin erfolgte zuerst die Reinigung von den Sünden und dann die Neuwerdung. Gereinigten kann der heilige Geist gegeben werden. Dementsprechend verkündigte der Apostel Petrus zu Pfingsten des Jahres 32: »Sinnet um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi zur Erlassung eurer Sünden taufen, so werdet ihr das Geschenk des heiligen Geistes erhalten« (Ap.2:38).

  Das dem Apostel Paulus enthüllte Evangelium (Gal.1:12), das der heutigen Herausgerufenen, der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), zu verkündigen ist, spricht dagegen allein vom Glauben, woraufhin man den Geist Gottes empfängt (Röm.3:24,28; Gal.3:5,26; Eph.1:13; 2:8).

 

Das vom Geist Gezeugte ist Geist

 

  Jesus fuhr fort zu reden: »Das vom Fleisch Gezeugte ist Fleisch, und das vom Geist Gezeugte ist Geist. Sei nicht erstaunt, dass Ich dir sagte: Ihr müsst von oben her gezeugt werden« (Verse 6+7).

  Ja, dies müssen alle Eltern erfahren, dass die vom Fleisch gezeugten Kinder auch nur Fleisch sind, Fleischliche mithin, die fleischgemäß wandeln und der Sünde nicht zu widerstehen vermögen. Wer aber vom Geist Gottes gezeugt wird, ist ein Geistlicher und wandelt geistgemäß, Gott wohlgefällig.

  Und dann lenkte der Herr die Gedanken des Nikodemus auf Israel, als Er sagte: »Ihr müsst ...«; ihr allesamt sollt ein heiliges Volk sein. - Wie es denn auch geschehen wird, wenn der Erlöser für Zion kommt und der neue Bund geschlossen wird und es heißt: »Mein Geist, der da ist auf dir« (Jes.59:21; siehe auch 2.Mose 19:6; Jes.60:21; 62:12; Hes.37:28; Röm.11:26).

 

Der Windhauch weht, wo er will

 

  Der Herr schloss Seine Antwort mit Vers 8: »Der Windhauch weht, wo er will; du hörst sein Sausen, weißt jedoch nicht, woher er kommt und wohin er geht. Ebenso ist es mit jedem, der aus dem Geist gezeugt ist.«

  Ebenso wie wir Menschen nicht über den Windhauch verfügen können, so können wir auch das Wirken des heiligen Geistes nicht voraussehen und nicht bestimmen. Gott gibt Seinen Geist (und damit von Sich Selbst), wem Er will und wann Er will.

  Das griechische Wort pneuma könnte wie auch sonst fast immer statt mit »Windhauch« mit »Geist« übersetzt werden. Wörtlich heißt es sogar: Der Geist geistet, wo er will. Der Herr dürfte hier aber den Windhauch zum Vergleich herangezogen haben. (Für »Wind« hat das Griechische ein eigenes Wort, nämlich anemos. Im Hebräischen gibt es nur das eine Wort ruach sowohl für den Wind als auch für den Geist.)

 

Wiedergeburt oder Neuschöpfung?

 

  Für die Wendung »von oben her gezeugt werden« wird unter den Gläubigen vielfach der Begriff »wiedergeboren werden« gebraucht. Das griechische Wort gennaõ (vgl. ginomai, werden) bedeutet zeugen, gebären, geboren werden. Die konkordante Wiedergabe des Neuen Testaments schreibt in 1.Petrus 1:3+23 für anagennaõ »wiederzeugen« und in Matthäus 19:28 sowie Titus 3:5 für palingenesia »Wiederwerdung« (Luther: Wiedergeburt).

  Wir Gläubigen heute, in der dem Paulus gegebenen Verwaltung (Verfahrensordnung) der überströmenden Gnade (Eph.3:2; Kol.1:25; Röm.5:20), sind nicht wiedergeboren, sondern eine neue Schöpfung in Christus (2.Kor.5:17). Sehr wohl ist beides ein Neuwerden durch den Geist Gottes. Die verschiedenen Bilder dafür sind aber nicht von ungefähr, sondern zeigen die inhaltlichen Unterschiede deutlich an. Die Wiedergeburt bereitete die Gläubigen für ein Leben im Königreich Israels auf der Erde vor. Dafür genügt diese Verjüngung sowohl des Einzelnen wie auch der ganzen Nation (Mat.19:28). Unsere Neuschöpfung befähigt uns zum Leben in den kommenden Äonen inmitten der überhimmlischen Regionen und Geschöpfe (Eph.2:6,7). Dafür ist eine Verwandlung nötig (1.Kor.15:51). Wir werden Kräfte und Fähigkeiten erhalten, die die des wiedergeborenen Volkes Israel weit übersteigen.

  Wiedergeboren wurde man und wird man nach unserer Zeit durch Glauben, Umsinnung und Wassertaufe. Eine neue Schöpfung wird man - ob Jude oder Nichtjude - gegenwärtig allein durch Glauben und damit allein in der Gnade.

 

»Wie kann dies geschehen?«

 

  »Darauf nahm Nikodemus das Wort und fragte Ihn: Wie kann dies geschehen? - Jesus antwortete ihm: Du bist der Lehrer Israels und erkennst dies nicht? Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Was wir wissen, das reden wir; und was wir gesehen haben, bezeugen wir; doch ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. Wenn Ich vom Irdischen zu euch sprach und ihr nicht glaubt, wie werdet ihr glauben, wenn Ich vom Überhimmlischen zu euch spreche? « (Verse 9-12).

  Ja, dies war die große Not Israels: Nikodemus und alle anderen Lehrer Israels nahmen das Zeugnis Jesu sowie Johannes des Täufers nicht an und glaubten nicht, und deshalb konnten sie nicht erkennen, wie dies, nämlich die Wiederzeugung durch den Geist Gottes, geschehen könne.

  Hatte Nikodemus nicht in 1.Samuel 10:6 gelesen, dass man durch den Geist Jewes in einen neuen Menschen umgewandelt werden kann (wie es an König Saul geschehen war)? Hatte er vergessen, dass der Geist aus der Höhe über Israel ausgegossen werden wird, wie die Propheten Jesaia (32:15) und Joel (3:1,2) es angesagt hatten? Wartete er denn nicht darauf? Wartete er denn nicht auf das Königreich?

  Wenn Nikodemus die Worte Jesu über Dinge, die auf der Erde geschehen werden, nicht annimmt, wie sollte er glauben, wenn der Herr von Dingen spräche, die inmitten der überhimmlischen Regionen und Geschöpfe geschehen werden?

  Die griechischen heiligen Schriften unterscheiden zwischen ouranos, Himmel, und epuranios, überhimmlisch. Der Himmel (auch: die Himmel; im Hebräischen immer in der Mehrzahl) umfasst alles, was man sieht, wenn man aufblickt. Das Überhimmlische aber ist das über dem Lufthimmel der Erde.

  Wir, die Glieder der Körpergemeinde, herausgerufen in der paulinischen Heilsverwaltung, haben eine überhimmlische Berufung (Heb.3:1). Wir werden in den beiden kommenden Äonen inmitten der Überhimmlischen in Christus niedergesetzt werden, damit Gott den Geschöpfen dort oben an uns den alles übersteigenden Reichtum Seiner Gnade in Christus Jesus zur Schau stelle (Eph.2:6,7). Erst der Apostel Paulus durfte dies verkündigen; es überstieg zunächst das Verständnis Israels, da es eine irdische Berufung hat.

 

Wie man äonisches Leben erlangt

(Johannes 3:13-4:3)

 

  Das Gespräch unseres Herrn Jesus Christus mit dem Pharisäer Nikodemus hatte der Apostel Johannes in den Versen 1 bis 12 in direkter Rede wiedergegeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Jesus gegenüber Nikodemus des Weiteren die Wahrheiten angesprochen, die Johannes nun in den Versen 13 bis 21 den Lesern mitteilt.

 

Aus dem Himmel

 

  Johannes schreibt: »Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabstieg, der Sohn des Menschen [der jetzt in dem Himmel ist]« (Vers 13). (Der in eckige Klammern gesetzte Passus findet sich nicht in den Kodizes Sinaiticus und Vaticanus, sondern nur im Kodex Alexandrinus.)

  Jesus Christus stieg vom Himmel herab, als Er Sich Seiner göttlichen Gestalt und Herrlichkeit entäußerte (Phil.2:6,7; Joh.17:5), Fleisch wurde (Joh.1:14) und die Gestalt eines Menschen annahm. Als Er in die Welt kam, sagte Er zu Seinem Vater: »Opfer und Darbringung willst Du nicht, einen Körper aber passt Du Mir an« (Heb.10:5).

  Am 40. Tag nach Seiner Auferstehung stieg Er dann in den Himmel hinauf (Ap.1:9-11; siehe auch Joh.6:62; 20:17; Eph.4:9,10).

  Da Jesus Christus aus dem Himmel herabgestiegen, mithin von Gott gekommen war, konnte Er den Nikodemus über göttliche Dinge unterrichten.

 

Wie die Schlange

 

  Welch ein herrliches Evangelium darf Johannes nun niederschreiben: »So wie Mose die Schlange in der Wildnis erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an Ihn glaubt, [nicht umkomme, sondern] äonisches Leben habe« (Verse 14+15).

  Bereits in den beiden zukünftigen Äonen leben zu dürfen, während die Nichtauserwählten noch tot sind - welch eine Bevorzugung (2.Thess.2:13)!, welch eine Gnade! Denn erst beim Abschluss der Äonen, bei der Vollendung (1.Kor.15:24), werden die Nichtauserwählten lebendig gemacht und gerettet (Kol.1:20; 1.Tim.4:10). Glückselig, wem Gott den Glauben schenkt (Mat.11:27; Joh.3:27; 6:44; Eph.2:8; Phil.1:29)!

  Als Israel bei der Wanderung durch die Wildnis gegen Elohim und Mose murrte, hatte Jewe Seraphim (»Brennende«), Schlangen, unter das Volk gesandt, die viele bissen, sodass sie starben. Auf Moses Fürbitte hin wies Jewe ihn an, eine kupferne Schlange auf eine Mahnzeichenstange zu setzen. Und dann geschah es: Wenn eine Schlange jemanden gebissen hatte und derjenige zu der kupfernen Schlange blickte, so blieb er am Leben (4.Mose 21:4-9).

  Es muss Nikodemus einen Stich ins Herz gegeben haben, mit den murrenden und von Schlangen gebissenen Israeliten gleichgesetzt zu werden, die die Rettung nur durch den Blick auf die erhöhte Schlange ... - verlassen wir das prophetische Vorbild - mit Menschen, die das äonische Leben ohne Ansehen der Person durch den einfachen Glaubensblick auf den am Kreuz erhöhten Sohn des Menschen bekommen.

  Zur Rettung aller trug Jesus die Sünden eines jeden an das Holz hinauf (Joh.1:29; 1.Pet.2:24; 1.Joh.2:2). Wer dies glaubt, hat das Leben bereits als äonischen Gewinn.

 

Gott liebt die Welt

 

  Es schließt sich Vers 16 an: »Denn so liebt Gott die Welt, dass Er Seinen einziggezeugten Sohn gibt, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht umkomme, sondern äonisches Leben habe.«

  Gott liebt die Welt, alle Menschen, allezeit. Seine Liebe hat Er in der Dahingabe (Röm.8:32) Seines Sohnes für sie alle erwiesen. Paulus stellt fest: »Gott hebt uns gegenüber Seine Liebe dadurch hervor, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren« (Röm.5:8). Und Johannes legt dar: »Darin ist die Liebe Gottes an uns offenbar geworden, dass Gott Seinen einziggezeugten Sohn in die Welt ausgesandt hat, damit wir durch Ihn leben. Darin besteht die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns liebt und Seinen Sohn zur Sühne für unsere Sünden gesandt hat« (1.Joh.4:9,10).

Rettung und Gericht

 

  Johannes fährt fort: »Denn Gott hat Seinen Sohn nicht in die Welt ausgesandt, dass Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde. Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einziggezeugten Sohnes Gottes geglaubt hat« (Verse 17+18).

  Bei anderen Malen, nämlich in der heilsgeschichtlichen Verwaltung des Gerichts, in der siebenjährigen Zeit des Zornes Gottes, und dann tausend Jahre später vor dem großen, weißen Thron (Jes.13:13; Jer.51:6; Zeph.1:14-18; 2:1-3; Dan.8:17; Mat.24; Röm.1:18; 2:5) wird der Herr Jesus Christus als Richter auftreten (Off.1:13-16; 6:17; 19:11-15; 20:11-15; 22:12).

  Doch nun war mit dem Kommen Jesu zu Israel ein Tag der Rettung für dieses Volk angebrochen, eine wohlannehmbare Frist, wie Jewe angesagt hatte: »Zur annehmbaren Zeit erhöre Ich dich, und am Tag des Heils helfe Ich dir« (Jes.49:8). Und wie Jesus in der Synagoge zu Nazareth vorlas: »Der Geist Meines Herrn ist auf Mir, weswegen Er Mich gesalbt hat, um den Armen Evangelium zu verkündigen; Er hat Mich ausgesandt, um zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind, um Gefangenen Erlassung zu herolden und Blinden das Augenlicht zu geben, um Niedergebeugte mit Erlassung fortzuschicken und ein wohlannehmbares Jahr des Herrn zu herolden« (Luk.4:18,19). Bei dieser Vorlesung aus Jesaia 61:1,2 ließ der Herr den Halbsatz »und einen Tag der Rache für unseren Elohim« weg, eben weil dies nun noch nicht dran war.

  Wer glaubt, wird nicht gerichtet; so ist es auch in Johannes 5:24 verzeichnet: »Wer Mein Wort hört und dem glaubt, der Mich gesandt hat, hat äonisches Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen.«

  Im Übrigen ist das Gericht insofern bereits vollzogen, als jeder, der nicht glaubt, dadurch schon gerichtet ist.

 

Licht und Finsternis

 

  Nicht nur der Glaube, sondern auch die Werke lassen erkennen, ob jemand gerettet oder gerichtet wird. Darauf weist Johannes in den Versen 19 bis 21 hin: »Dies ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist; doch die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, weil ihre Werke böse waren. Denn jeder, der Schlechtes verübt, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht entlarvt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit seine Werke offenbar werden, da sie in Gott gewirkt sind.«

  Wer edle Werke tat, liebte das Licht und kam auch zum Licht, zu Jesus, der das Licht der Welt war (Joh.9:5). Aber genau an Ihm schieden sich die Geister. Wer weiterhin seine finsteren Werke tun oder sie nicht bekennen und um Vergebung bitten wollte (1.Joh.1:9), ging - dem Evangelium der Beschneidung zufolge - dem Gericht entgegen. Wer aber wahr ist, kann seine Werke zur Verherrlichung Gottes öffentlich sehen lassen. Und ebenso wie es das Werk Gottes ist - wie der Herr sagte -, »dass ihr an den glaubt, den derselbe ausgesandt hat« (Joh.6:29), so sind auch die in Gott gewirkten Werke Gottes Werke, die Er in den Seinen hervorgerufen hat.

  Um auf uns Gläubige heute zu sprechen zu kommen - mögen wir keinesfalls an den unfruchtbaren Werken der Finsternis teilnehmen (Eph.5:11), auch wenn unsere Rettung nach dem Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.2:7) dadurch nicht in Frage gestellt wird (Röm.3:28; 8:30; Eph.1:13; 2:8). Überströmend ist die Gnade, in der wir stehen (Röm.5:20)! Möge die Gnade uns erziehen (Tit.2:12)!

 

Nun taufte auch Jesus

 

  »Danach kam Jesus mit Seinen Jüngern in das Land Judäa. Dort hielt Er Sich mit ihnen auf und taufte. Ebenso taufte auch Johannes in Enon nahe Salim, weil dort viele Wasser waren; und die Menschen kamen herzu und ließen sich taufen (denn noch war Johannes nicht ins Gefängnis geworfen). - Darauf kam es nun wegen dieser Reinigung zu einer Auseinandersetzung der Jünger des Johannes mit einem Juden. Sie gingen zu Johannes und berichteten ihm: Rabbi, der jenseits des Jordan bei dir war, für den du Zeugnis abgelegt hast, siehe, der tauft, und alle kommen zu Ihm!« (Verse 22-26).

  Es sei angemerkt, dass Jesus mehr Jünger als Johannes gewann und nicht Selbst taufte, sondern Er dies durch Seine Jünger tat (Joh.4:1,2).

  Wegen der Reinigung durch die Taufe war es zu einem Disput zwischen einem Juden und den Johannes-Jüngern gekommen. Mose hatte nämlich diese Taufe gar nicht angeordnet, sondern nur reinigende Bäder in bestimmten Fällen, die ein Verunreinigter an sich selbst zu vollziehen hatte (3.Mose 14:8; 15:5; 17:16 u. a.).Wozu also sollte die Taufe des Johannes denn noch dienen?

  Johannes trägt zu Recht den Namenszusatz »der Täufer«, weil er etwas Neues einführte, indem er nämlich diese rituelle Reinigung an anderen vollzog, und dies ausdrücklich verbunden mit dem Aufruf der Umsinnung zur Erlassung der Sünden (Luk.3:3). Gott hatte ihn damit beauftragt (Joh.1:33).

  Durch die Taufen des Johannes wie auch Jesu wurde übrigens eine neue Einheit von Gläubigen geschaffen. Die sich dieser Reinigung unterzogen hatten, waren eine Besonderheit inmitten ihres Volkes.

  Angesichts der Tatsache, dass Jesus neuerdings mehr Menschen taufte und mehr Jünger gewann als Johannes und dass einige Johannes-Jünger sich Jesus angeschlossen hatten (Joh.1:37), wandten sich die Jünger des Täufers jetzt an ihren Meister, und dieser beschreibt nun im Folgenden sein Verhältnis zu dem Herrn.

 

»Jener muss wachsen!«

 

  »Da antwortete Johannes: Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben wird. Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich sagte: Nicht ich bin der Christus, sondern ich bin vor jenem her ausgesandt worden. Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; und der Freund des Bräutigams, der dabeisteht und ihn hört, freut sich mit Frohmut über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt worden. Jener muss wachsen, ich aber geringer werden« (Verse 27-30).

  Johannes war der Vorläufer Jesu. Mithin musste er nach und nach in den Hintergrund treten und der Hauptperson Platz machen. Diese ist Jesus. Und Jesus ist der Christus. Diese Seine hohe Stellung hat Er Sich nicht angemaßt, sondern ist Ihm vom Himmel gegeben worden. Ebenso wird auch in Hebräer 5:4 festgestellt: »Niemand kann sich diese Ehre nehmen, sondern er wird von Gott berufen, so wie eben auch Aaron.«

  Überhaupt kann kein Mensch sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht von oben gegeben wird. Alles, was wir sind und haben, ist Geschenk unseres Gottes und Vaters, alles ist Gnade, alles teilt Er zu, sowohl das Maß des Glaubens (Röm.12:3) als auch den Wirkungskreis (2.Kor.10:13); Gott ist der alles Bewirkende (Eph.1:11), der alles Hervorrufende, der alles Werdenmachende. Nichts ist aus uns!

  Ebenso wie ein wahrer Freund eines Bräutigams bei den Hochzeitsvorbereitungen hilft und sich über den Bräutigam freut, so freut auch Johannes sich über den Messias. Jener ist der Bräutigam, ihm gehört die Braut. Die Braut besteht aus den glaubenden, umsinnenden und getauften Israeliten. Der Freund hat seine Pflicht getan. Johannes taufte nur mit Wasser, und wenn auch Jesus noch dasselbe tat, so war Er doch der Größere, weil Er nämlich die Gläubigen mit heiligem Geist taufen wird (Joh.1:33). Gern war Johannes bereit, geringer zu werden.

  Zu den Begriffen Braut und Bräutigam sei an Folgendes erinnert: Israel war die Braut Jewes, mit der Er Sich nach dem Auszug aus Ägypten in der Wildnis vermählt hatte (Jer.2:2; 31:32). Sie wandte sich treulos von Ihm ab (Hes.16:3,15,59,69). Da gab  Er ihr den Scheidebrief (Jer.3:8). In Seiner Treue und Seinem Erbarmen jedoch wird Er sie - obwohl das Gesetz des Mose es nicht erlaubt (5.Mose 24:1-4; Jer.3:1) - wieder heiraten (Jer.3:11-15), und zwar indem Er den neuen Bund mit ihr schließt (Jer.31:31-34). Und sodann wird Israel als Gesamtheit gerettet sein, so wie geschrieben steht: »Eintreffen wird der Bergende aus Zion; abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob (Jes.59:20,21). Und dies ist Mein Bund mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden wegnehme (Jer.31:34)« (Röm.11:26,27).

  Zu Beginn des tausendjährigen Königreichs Israels wird es heißen: »Die Hochzeit des Lämmleins ist gekommen, und Seine Braut hat sich bereit gemacht« (Off.19:7). Und auf der neuen Erde wird das neue Jerusalem, in welchem die zwölf Stämme Israels wohnen, die Braut, die Frau des Lämmleins sein (Off.21:9). Die Nationen werden außerhalb der Stadt wohnen (Off.21:24).

  Die Hochzeit ist ein Bild für ein Geschehen auf der Erde, keines für überhimmlische Wahrheiten, denn dort oben heiratet man nicht. Unser Verhältnis zu dem Herrn Jesus Christus ist viel enger als das einer Braut; wir sind die Glieder Seines Körpers (1.Kor.13:27; Eph.5:30).

 

Geist ohne Maß

 

  Johannes erklärte seinen Jüngern des Weiteren: »Der von oben her kommt, ist über allen; wer von der Erde ist, ist von der Erde und redet von der Erde her. Der aus dem Himmel kommt, ist über allen. Was Er gesehen und gehört hat, das bezeugt Er; doch niemand nimmt Sein Zeugnis an. Wer Sein Zeugnis angenommen hat, besiegelt damit, dass Gott wahr ist. Denn Er, den Gott beauftragt hat, spricht die Worte Gottes; denn Gott gibt den Geist nicht nach Maß« (Verse 31-34).

  Die von der Erde sind, reden Irdisches; Jesus Christus aber kam von oben, aus dem Himmel, und bezeugte Seinem Volk demzufolge, was Er bei Seinem Vater gehört und gesehen hatte. Er war von Gott ausgesandt, und Er sprach die Worte Gottes. Wer Ihn hörte, hörte Gott (Joh.8:26; 12:49; 15:15), und wer Ihn sah, sah den Vater (Joh.14:9), denn Er hatte den Geist Seines Vaters nicht nach Maß, Er hatte den Geist ohne Maß; Er war »voll heiligen Geistes« (Luk.4:1), Er hatte den Geist in der Fülle.

  Auf Ihn war mithin zu hören. Doch wer nahm Sein Zeugnis an, wen interessierte die Wahrheit? Die aber annahmen, was Er offenbarte, besiegelten damit, bestätigten und bezeugten ihrerseits, dass Gott wahr ist und Jesus die Wahrheit sagte.

  Der Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Brief (5:10-12) hierzu: »Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst. Wer aber Gott nicht glaubt, der hat Ihn zum Lügner gemacht; denn er hat dem Zeugnis, das Gott betreffs Seines Sohnes bezeugt hat, nicht geglaubt. Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns äonisches Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in Seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben. Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht«, und zwar das äonische Leben, das Leben in den zwei zukünftigen Äonen, also im tausendjährigen Königreich und auf der neuen Erde.

 

Das äonische Leben

 

  Der Täufer schließt die Belehrung seiner Jünger mit den Versen 35 und 36 ab: »Der Vater liebt den Sohn und hat alles in Seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, hat äonisches Leben; wer aber gegen den Sohn widerspenstig ist, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihn gerichtet.«

  Der Vater hatte Seinen Sohn schon vor dem Niederwurf der Welt, als die Erde ein Tohuwabohu wurde (1.Mose 1:2), geliebt (Joh.17:26). Nach Jesu Taufe erscholl Seine Stimme aus den Himmeln: »Dies ist Mein geliebter Sohn, an Ihm habe Ich Mein Wohlgefallen« (Mat.3:17). Viele Male lesen wir von der Liebe des Vaters zu Seinem Sohn (Joh.5:20; 15:9; 17:23). Jesus sagte: »Deshalb liebt Mich der Vater, weil Ich Meine Seele hingebe, damit Ich sie wieder nehme« (Joh.10:17).

  Der Liebe des Vaters entspricht es, Seinem Sohn alles in die Hände zu geben. Zum Beispiel das Leben, wie der Herr sagte: »Ebenso wie der Vater in Sich Selbst Leben hat, so hat Er auch dem Sohn gegeben, in Sich Selbst Leben zu haben« (Joh.5:26). Mithin vermittelt Jesus Christus das Leben. »Denn ebenso wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, wen Er will« (Joh.5:21). Schon während Seines Dienstes unter Israel hatte der Vater Ihm alles übergeben, auch die Vollmacht, jemandem den Vater zu enthüllen. Wir lesen in Matthäus 11:27: »Alles ist Mir von Meinem Vater übergeben worden; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem der Sohn es zu enthüllen beschließt.« Vor Seiner Himmelfahrt sagte Jesus: »Mir ist alle Vollmacht im Himmel und auf Erden gegeben« (Mat.28:18). Dazu gehört auch das Gericht: »Es ist nämlich auch nicht der Vater, der jemand richtet; sondern alles Gericht hat Er dem Sohn übergeben, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der Ihn gesandt hat« (Joh.5:22,23).

  Wer an den Sohn des lebendigen Gottes glaubt, hat das äonische Leben (Joh.3:16), darf somit bereits in den Äonen leben, in welchen die Nichtauserwählten noch tot sind. »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer Mein Wort hört und dem glaubt, der Mich gesandt hat, hat äonisches Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen« (Joh.5:24); Letzteres heißt: ... ist nicht mehr für den Tod bestimmt, sondern für das Leben.

  Auf die Widerspenstigen aber kommt der Zorn Gottes zu, Sein Zorn bleibt auf sie gerichtet, wie Johannes der Täufer sagte: »Otternbrut! Wer hat euch zu verstehen gegeben, vor dem zukünftigen Zorn fliehen zu können?« (Luk.3:7). Über alle Ungläubigen wird der Zorn Gottes in der siebenjährigen Endzeit und im Gericht vor dem großen, weißen Thron kommen.

  Heute aber ist Gott nicht zornig, »denn Gott war in Christus, die Welt mit Sich Selbst versöhnend: Er rechnet ihnen ihre Kränkungen nicht an und hat in uns das Wort der Versöhnung niedergelegt.« So konnte Er uns den Dienst der Versöhnung geben. »Daher sind wir Gesandte für Christus, als ob Gott durch uns zuspräche. Wir flehen für Christus: Lasst euch mit Gott versöhnen! Denn den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zum Sündopfer gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit in Ihm würden« (2.Kor.15:18-21).

 

Jesus verließ Judäa

 

  Wir lesen noch die ersten drei Verse des vierten Kapitels, die wir bereits angesprochen hatten: »Als nun der Herr erfuhr, dass die Pharisäer gehört hatten, Jesus gewinne und taufe mehr Jünger als Johannes (obwohl zwar Jesus nicht Selbst taufte, sondern Seine Jünger), verließ Er Judäa und ging wieder nach Galiläa.«

  Solange Jesu Stunde noch nicht gekommen war, wollte Er die Pharisäer, die Johannes offenbar noch dulden konnten, für die Jesus aber eine Herausforderung darstellte, nicht unnötigerweise gegen Sich aufbringen. So verließ Er Judäa.

 

Das Gespräch mit der Samariterin

(Johannes 4:4-54)

 

  Der Apostel Johannes berichtet: »So musste Er durch Samaria ziehen. Dabei kam Er nun in eine Stadt Samarias, die Sichar heißt, nahe bei dem Freiacker, den Jakob seinem Sohn Joseph gegeben hatte. Dort war auch Jakobs Quelle. Jesus war nun von der Reise ermüdet, und so setzte Er Sich an die Quelle; es war etwa die sechste Stunde« (Verse 4-6).

  Im Jahre 722 v. Chr. wurden die zehn Nordstämme Israels nach Assur verschleppt. Im Gebiet von Samaria siedelte der König von Assur fremde Völkerschaften an. Sie dienten Jewe und zugleich den Götzen ihres Stammlandes (2.Kön.17:24-41). Die Juden verachteten sie.

  Als Jesus Judäa verließ und nach Galiläa ging (Joh.4:3), musste Er durch Samaria ziehen. Er hätte das Gebiet auch umgehen können, es musste aber zur Offenbarung der Gnade Gottes wohl so sein.

  Der nach der Überlieferung der Samariter von Jakob gegrabene Brunnen ist etwa 10 Minuten von Sichar, vermutlich das heutige Dorf Askar, und eine halbe Stunde südöstlich von Sichem (1.Mose 33:19; 48:22; Jos.24:32) entfernt gelegen.

  Es war um die sechste Stunde, also zwischen elf und zwölf Uhr mittags. Die Frau, von der wir sogleich hören werden, war nicht von gutem Ruf (Verse 16-18), sodass wir annehmen dürfen, dass sie deshalb in der Mittagshitze und nicht wie alle anderen Frauen abends zur Quelle kam, um deren verächtlichen Bemerkungen zu entgehen.

 

»Gib Mir zu trinken!«

 

  »Da kam eine Frau aus Samaria, um Wasser zu schöpfen. Jesus bat sie: Gib Mir zu trinken! - Denn Seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Nahrung zu kaufen. Die samaritische Frau sagte nun zu Ihm: Wieso bittest Du, der Du ein Jude bist, von mir, die ich eine samaritische Frau bin, zu trinken? - (Denn die Juden pflegen mit den Samaritern keinen Umgang.) Jesus antwortete ihr: Wenn du von Gottes Geschenk wüsstest und wer es ist, der zu dir sagt: Gib Mir zu trinken!, dann würdest du Ihn bitten, und Er gäbe dir lebendiges Wasser. Die Frau erwiderte Ihm: Herr, Du hast nicht einmal einen Schöpfeimer, und der Brunnen ist tief; woher willst Du nun das lebendige Wasser haben? Du bist doch nicht größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben hat; er selbst, seine Söhne und sein Vieh tranken daraus« (Verse 7-12).

  »Gib Mir zu trinken!« - Diese Bitte war so außergewöhnlich, dass die Frau ganz verwundert zurückfragte, wie dies denn käme. Die Juden sprachen normalerweise keinen Samariter an, geschweige denn eine Frau, und würden wohl kaum aus einem Gefäß getrunken haben, das ein Samariter ihnen etwa reichte.

  Jesus hob das Gespräch sofort auf eine höhere Ebene, indem Er ein Geschenk Gottes, und zwar das lebendige Wasser als Gnadenerweis Gottes, andeutete und von Sich Selbst sprach, ohne zunächst zu sagen, wer Er ist, sowie vom lebendigen Wasser, das Er gäbe.

  »Lebendiges Wasser« war ein geläufiger Ausdruck für fließendes Wasser. Mithin haben wir Verständnis dafür, dass die Frau diesen Begriff buchstäblich auffasste und sich ausmalte, dass Jesus ihr ohne Schöpfgefäß gar kein Wasser geben könne. Sie konnte auch nicht wissen, dass Jesus größer als Jakob ist. Jesus aber dachte beim »lebendigen Wasser« an den Geist Gottes, wie denn in Jeremia 2:13 und 17:13 Jewe als »der Born der lebendigen Wasser« bezeichnet wird. Zwei Jahre später, beim Laubhüttenfest des Jahres 31 n. Chr., rief der Herr laut aus: »Wenn jemand dürstet, komme er zu Mir und trinke! Wer an Mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.« Das sagte Er aber von dem Geist, den künftig die erhalten sollten, die an Ihn glauben (Joh.7:37-39).

 

Das Wasser äonischen Lebens

 

  »Jesus antwortete ihr: Jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten; wer jedoch von dem Wasser trinkt, das Ich ihm geben werde, den wird für den Äon keinesfalls dürsten; sondern das Wasser, das Ich ihm geben werde, wird in ihm eine Wasserquelle werden, die in das äonische Leben sprudelt. - Da sagte die Frau zu Ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht wieder dürste und ich auch nicht hierher kommen muss, um zu schöpfen« (Verse 13-15).

  Die Frau hielt in ihrer Antwort an der buchstäblichen Bedeutung des Wassers fest, ihre Gedanken aber werden intensiv an Jesu Worten über den Äon, den kommenden Königreichsäon, und über die Wasserquelle, die in das äonische Leben hineinführt, gearbeitet haben ebenso wie darüber, dass ausgerechnet jener unbekannte Mann, der da am Brunnen saß, dies alles geben werde.

  Wie gesegnet sind wir doch, dass wir inzwischen wissen, dass Jesus das Leben ist (Joh.14:6) und Leben gibt! Und wie wunderbar, dass uns nicht mehr dürstet und wir nicht immer wieder laufen und mühsam schöpfen müssen! »Wie kostbar ist Deine Huld, Elohim! ... Den Fluss Deiner Wonne wirst Du ihnen [den Menschensöhnen] zu trinken geben; denn bei Dir ist die Quelle des Lebens« (Ps.36:8-10).

  Und in Kürze wird in der Endzeit dieses Wort Gottes ertönen: »Ich werde dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens umsonst zu trinken geben. Dem Überwinder wird dies zugelost werden. Ich werde ihm Gott sein, und er wird Mein Sohn sein« (Off.21:6,7).

 

»Rufe deinen Mann!«

 

  »Jesus erwiderte ihr: Geh hin, rufe deinen Mann und komm hierher! Die Frau antwortete Ihm: Ich habe keinen Mann! Da sagte Jesus zu ihr: Trefflich hast du gesagt, dass du keinen Mann hast; denn fünf Männer hast du gehabt, und den du nun hast, der ist nicht dein Mann; dies hast du wahr geredet« (Verse 16-18).

  Ihre fünf Ehen waren gescheitert. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Frau daran nicht ganz unschuldig war. Und jetzt lebte sie in der Sünde des unverheirateterweise Zusammenwohnens.

  Da der seelische Mensch nichts von den Tiefen des Geistes Gottes annimmt (1.Kor.2:14), Jesus der Frau aber zur Erkenntnis verhelfen wollte, deckte Er nun eine tiefere Schicht ihrer Persönlichkeit und damit ihre Sünde auf. Er wusste, was in einem jeden Menschen war (Joh.2:25). Und die Frau durfte ihre Rettungsbedürftigkeit, ihren wahren Durst, erkennen.

  Aber so schnell ging dies nicht vonstatten. Denn zunächst wich diese Frau in eine kluge theologische Diskussion aus.

 

Die Anbetung im Geist und in Wahrheit

 

  »Die Frau entgegnete Ihm: Herr, ich schaue, dass Du ein Prophet bist. Unsere Väter beteten auf diesem Berg an, doch ihr sagt: In Jerusalem ist die Stätte, wo man anbeten muss! Jesus erwiderte ihr: Glaube Mir, Frau: Es kommt die Stunde, wenn ihr den Vater weder auf diesem Berg noch in Jerusalem anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht wisst; wir beten an, was wir wissen, weil die Rettung von den Juden kommt. Es kommt jedoch die Stunde, ja sie ist nun da, wenn die wahrhaften Anbeter den Vater im Geist und in Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche, die Ihn anbeten. Gott ist Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in Wahrheit anbeten« (Verse 19-24).

  Jesus ging auf die Frage der Frau ein und löste ihren Glauben von der ortsgebundenen und damit kultischen Anbetung.

  Die Samariter hielten den Berg Garizim für heilig, weil es in 5.Mose 11:29 heißt: »Und es soll geschehen, wenn Jewe, dein Elohim, dich in das Land bringt ..., dann sollst du die Segnung auf den Berg Garizim legen und den Fluch auf den Berg Ebal.« Der Ort aber, den Jewe Sich erwählen werde, dass Sein Name dort wohne, ist ein anderer, wie aus 5.Mose 12:5,18,21,26 hervorgeht. Jewe sagte nach der Einweihung des Tempels zu König Salomo: »Ich habe dein Gebet erhört und Mir diese Stätte zum Opferhaus erwählt« (2.Chron.7:12). »Ich habe dieses Haus, das du bautest, geheiligt, um Meinen Namen dort wohnen zu lassen bis zum Äon, und Meine Augen und Mein Herz sollen alle Tage dort gegenwärtig sein« (1.Kön.9:3).

  Die Samariter beteten also in Unwissenheit auf dem Garizim an, weil sie nur die fünf Bücher Mose als Heilige Schrift anerkannten und einer Mischreligion anhingen. Die Juden aber wussten, dass sie die Wahrheit besaßen.

  Die Rettung kommt aus den Juden, weil Jesus, der Messias, aus diesem Volk stammt!

  Mit dem Kommen des Christus begann eine neue Art und Weise der Anbetung, nämlich im Geist und in Wahrheit.

  Im Geist bete man an, ohne äußere Form, und zwar deshalb, weil Gott Selbst Geist ist. Möge unser Geist durch Gottes Geist erneuert sein (Röm.8:16; 12:2), sodass wir den Sinn des Christus haben (1.Kor.2:16) und im Geist anbeten, das heißt getragen vom Geist Gottes und damit gottgemäß, Seinem Willen und der Schrift gemäß, wie wir denn im Geist Gottes allezeit Zutritt zum Vater haben (Eph.2:18) und in Gottes Geist Gottesdienst darbringen (Phil.3:3), Ihn allezeit im Herzen und in der Tat verherrlichend.

  Gott ist Geist. Er ist unsichtbar (1.Tim.1:17). Und wenn Er von Seinem Geist gibt oder durch Seinen Geist leitet, dann ist Er es Selbst, der da durch einen Teil Seiner Selbst an uns handelt. Der heilige Geist ist die Präsenz Gottes auf der Erde. Wahre Anbetung muss mit dem Objekt der Anbetung übereinstimmen, und dieses ist Geist. Dafür ist es unerlässlich, dass man Seinen Geist hat und Sein Geist das Denken prägt.

  In Wahrheit bete man an, in der Liebe zur Wahrheit, insbesondere zum Wort der Wahrheit. Und dazu benötigt man den Geist der Wahrheit (Joh.14:17). In Hebräer 10:22 ist zu lesen: »Lasst uns mit wahrhaftem Herzen herzukommen, in Vollgewissheit des Glaubens. So wie König David es einst tat: »Unterweise mich, Jewe, in Deinem Weg; ich will in Deiner Wahrheit wandeln; eine mein Herz, um Deinen Namen zu fürchten. Ich will Dir huldigen, Jewe, mein Elohim, mit meinem ganzen Herzen, und ich werde Deinen Namen verherrlichen für den Äon« (Ps.86:11,12).

 

Jesus ist der Messias

 

  »Da sagte die Frau zu Ihm: Wir wissen, dass der Messias kommt, der Christus heißt. Wenn derselbe kommt, wird Er uns alles kundtun. Darauf erklärte ihr Jesus: Ich bin es, der mit dir spricht« (Verse 25+26).

  Der Herr offenbart Sich, wem Er will (Mat.11:27), und Jesus offenbarte Sich dieser Frau, und dies freimütig und ohne etwas unklar zu lassen. »Ich bin es«; Ich bin der Messias, auf Griechisch der christos, der von Gott Gesalbte. Er war allerdings anders als die Priester, Könige und Propheten vor Ihm nicht mit Öl, sondern mit heiligem Geist gesalbt und damit von Gott für Seinen Auftrag geweiht und befähigt.

  Die Frau kannte die Botschaft vom kommenden Messias, dem Erlöser aus allen Problemen, von dem es in 5.Mose 18:15 heißt: »Einen Propheten wie mich wird Jewe, dein Elohim, aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, dir erstehen lassen; auf den sollt ihr hören.« Dieses Wissen hatte aber keine Auswirkungen auf ihren Lebenswandel gehabt. Doch nun, angesichts des Messias, konnte der verbindliche Glaube an die Stelle ihres allgemeinen Wissens treten.

 

»Herzu!«

 

  »Über diesem kamen Seine Jünger und staunten, dass Er mit einer Frau sprach; trotzdem fragte Ihn niemand: Was suchst Du von ihr? oder: Was sprichst Du mit ihr? Die Frau ließ nun ihren Wasserkrug stehen, ging in die Stadt und sagte zu den Menschen dort: Herzu, gewahrt einen Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe! Ist dieser nicht etwa der Christus? - Nun zogen sie aus der Stadt hinaus und kamen zu Ihm« (Verse 27-30).

  Die im Geist und in Wahrheit gesprochenen Worte des Herrn Jesus Christus hatten das Herz der Frau gewonnen. Sie ließ ihren Wasserkrug stehen - der war nicht mehr wichtig, jetzt ging es um den ersehnten Christus, der das Wasser des äonischen Lebens zu geben vermochte. Sie scheute sich nicht vor dem Zeugnis, dass Jesus ihre Sünden aufgedeckt habe. und wenn sie auch vorsichtig und fragend formulierte, ob nicht etwa dieser der Christus sei, so kommt doch ihre Freude und Zuversicht zum Ausdruck, die sie mit ihren Mitmenschen teilen wollte.

  Welch ein Segen, wenn die Gnade auf dem Feld der Sünde Frucht bringt!

 

Jesu wahre Speise

 

  »Inzwischen ersuchten Ihn die Jünger: Rabbi, iss! Er aber antwortete ihnen: Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nichts wisst! - Die Jünger sagten nun untereinander: Hat Ihm etwa jemand zu essen gebracht? - Jesus erwiderte ihnen: Meine Speise ist die, dass Ich den Willen dessen tue, der Mich gesandt hat, und Sein Werk vollende« (Verse 31-34).

  Es war die Erfüllung Seines innersten Strebens, dass Er den Willen Seines Vaters tue (Joh.5:30) und dessen Rettungswerk vollende (Joh.17:4). Der Herr war erfüllt davon, den Willen des Vaters an dieser Samariterin getan zu haben. Die Selbstgerechten ließen Seine Botschaft unbeachtet. Die Sünderin aber konnte Jesus zur Rettung führen.

  Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Sünde eine Voraussetzung für die Offenbarung der Liebe Gottes ist. Es kann keinen Retter geben, ohne dass es Sünder gibt.

 

Die Äcker sind weiß zur Ernte

 

  Aber nicht nur der Herr, sondern auch Seine Jünger mögen nun das Werk Gottes tun. Die Zeit ist reif. So belehrte Er sie: »Sagt ihr nicht: Es sind noch vier Monate, und dann kommt die Ernte -? Siehe, Ich sage euch, erhebt eure Augen und schaut die Äcker an: sie sind weiß zur Ernte. Schon jetzt erhält der Erntende Lohn und sammelt Frucht zum äonischen Leben, damit sich zugleich der Säende wie auch der Erntende freue. Denn darin ist das Wort wahrhaft: Es ist ein anderer, der sät, und ein anderer, der erntet. Ich habe euch ausgesandt zu ernten, um was ihr euch nicht gemüht habt; andere haben sich gemüht, und ihr seid in ihre Mühe eingetreten« (Verse 35-38).

  Nun sollen auch die Jünger in das Werk eintreten und Menschen aus der Sünde herausretten und sie für das äonische Leben im Königreich ernten. Nach Matthäus 9:38 sollen sie zudem flehen, dass der Herr der Ernte Arbeiter in Seine Ernte hinaustreibe.

  Andere vor ihnen haben sich gemüht und gesät, nämlich die Propheten der alten Zeit (Ap.10:43; 1.Pet.1:12), Johannes der Täufer und Jesus Selbst, und von nun an ist es an ihnen zu ernten. Ernten ist eine Freude (Jes.9:2). Und Gott vergilt nicht nur dem Säenden, sondern auch dem Erntenden (Spr.11:18; 1.Kor.3:8; 2.Joh.8).

  Und so geschah es, dass die Jünger ernteten, zum Beispiel als der Herr sie aussandte und ihnen die Vollmacht gab, unreine Geister auszutreiben und jede Krankheit und Gebrechlichkeit zu heilen (Mat.10:1), sowie zu Pfingsten des Jahres 32, als sie dreitausend Seelen aufgrund der Saat des Leidens und Sterbens Jesu Christi als Frucht gewannen (Ap.2:41).

  

Die Samariter glaubten an Jesus

 

  »Aus jener Stadt glaubten aber viele Samariter an Ihn aufgrund des Wortes der Frau, die bezeugt hatte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe! Als nun die Samariter zu Ihm kamen, ersuchten sie Ihn, bei ihnen zu bleiben; so blieb Er dort zwei Tage. Da glauben noch viel mehr um Seines Wortes willen, und zu der Frau sagten sie: Wir glauben jetzt nicht mehr nur aufgrund deiner Rede; denn wir haben es selbst von Ihm gehört und wissen, dass dieser wahrhaftig der Retter der Welt, der Christus, ist« (Verse 39-42).

  Die Juden, die Seinen, nahmen Jesus nicht an (Joh.1:11), die Samariter aber glaubten an Ihn als den Retter der Welt und damit aller Menschen, indem Er ihrer aller Sünde auf Sich nimmt (Joh.1:29). Jesus ist nicht nur zur Rettung Israels gekommen, sondern auch der Nationen, wie es in Jesaia 49:6 heißt: »Siehe! Ich gebe dich [Israel, im Kern aber Jesus; vgl. Ap.13:47] auch zum Licht der Nationen, zu werden mein Heil bis zu den Enden der Erde.«

  Wir stimmen in das Zeugnis der Samariter ein und bezeugen mit den Worten des Apostels Johannes, dass der Vater den Sohn als Retter der Welt gesandt hat (1.Joh.4:14).

 

In Galiläa

 

  »Nach den zwei Tagen aber zog Er von dort weiter und ging nach Galiläa; doch Jesus Selbst bezeugte, dass ein Prophet in seinem eigenen Vaterland keine Ehre hat. Als Er nun nach Galiläa kam, nahmen Ihn die Galiläer auf, weil sie alles gesehen hatten, was Er in Jerusalem während des Festes getan hatte; denn auch sie waren zum Fest gegangen« (Verse 43-45).

  Jesus ging nach Galiläa, obgleich ein Prophet in seiner eigenen Stadt und seinem eigenen Land, im Falle Jesu also in Nazareth und Galiläa, keine Wertschätzung hat (Mat.13:57; Mark.6:4).

  Nun, die Galiläer nahmen Ihn zunächst freundlich auf, noch beeindruckt von den Zeichen und Wundern, die Er beim Passahfest in Jerusalem getan hatte (Joh.2:23). Im Grunde waren sie Ihm aber doch feindlich gesonnen, wie sich später zeigen sollte, als sie Ihn den Abhang der Stadt Nazareth hinabstürzen wollten, nachdem Er in ihrer Synagoge vorgelesen hatte (Luk.4:14-30).

 

Die Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten

 

  »So kam Jesus nun wieder nach Kana in Galiläa, wo Er das Wasser in Wein verwandelt hatte. Da war ein königlicher Beamter in Kapernaum, dessen Sohn krank und schwach war. Als dieser hörte, dass Jesus aus Judäa in Galiläa eingetroffen sei, ging er zu Ihm hin und ersuchte Ich, Er möge hinabkommen und seinen Sohn heilen; denn er sei im Begriff zu sterben. Jesus sagte nun zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder gewahrt, glaubt ihr überhaupt nicht1 - Da sage der königliche Beamte zu Ihm: Herr, komm hinab, ehe mein Knäblein stirbt! - Jesus erwiderte ihm: Geh, dein Sohn lebt! - Der Mann glaubte dem Wort, das Jesus ihm sagte, und ging hin« (Verse 46-50).

  Jesus wies den Bediensteten, der wahrscheinlich ein Jude war (weil ja doch die Juden Zeichen fordern; 1.Kor.1:22) und am Hofe des Regenten von Galiläa und Peräa, Herodes Antipas (1 v. Chr. - 39 n. Chr.), diente, zurecht: »Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder gewahrt, glaubt ihr überhaupt nicht!« Der flehte nur erneut für seinen Sohn. Und doch bewirkte Gott es, dass er dem Wort Jesu glaubte, ohne etwas über das Ergehen seines Kindes zu wissen.

  »Aber schon als er hinabstieg, kamen ihm seine Sklaven entgegen und berichteten, dass sein Knabe lebe. Er erkundigte sich dann bei ihnen nach der Stunde, in der er sich erholt hatte. Und man sagte ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. Nun erkannte der Vater, dass es in derselben Stunde war, in der Jesus ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt! Und er glaubte, er und sein ganzes Haus« (Verse 51-53).

  Nun glaubten der Beamte und sein Haus gleichwohl aufgrund des Heilungswunders. Zu jener Zeit war dies aber durchaus recht. Der Schrift nach war an den Zeichen zu erkennen, dass Jesus der Messias ist (Mat.11:2-5; Jes.29:18,19; 35:5,6; 42:7). Die Samariter aber hatten allein aufgrund der Botschaft Jesu geglaubt (Joh.4:41). Und wir alle kennen die Worte unseres Herrn an den ungläubigen Thomas: »Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben« (joh.20:29).

  »Dies war das zweite Zeichen, das Jesus wieder in Kana tat, als Er aus Judäa nach Galiläa gekommen war« (Vers 54).

 

Wie der Vater, so wirkt auch der Sohn

(Johannes 5)

 

  »Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Am Schaftor in Jerusalem befindet sich nun ein Teich, der auf hebräisch Bethesda heißt und fünf Hallen hat. In diesen lag eine Menge Hinfälliger, Blinder, Lahmer und Ausgezehrter« (Verse 1-3a). (Die Verse 3b und 4 gehören nicht zum Grundtext.)

  Dreimal im Jahr hatten alle Männer vor dem Angesicht Jewes, des Elohims Israels, an der von Ihm erwählten Stätte zu erscheinen, und zwar am Fest der ungesäuerten Brote, zu Pfingsten (dem Fest der Erstlingsernte; 2.Mose 34:22) und am Laubhüttenfest (5.Mose 16:16). So zog unser Herr Jesus Christus nun zum Passahfest des Jahres 30 n. Chr. hinauf.

  Der Teich heißt nach dem Kodex Sinaiticus Bethzatha, Haus der Olive, und nach dem Kodex Alexandrinus Bethesda, Haus des Erbarmens.

  Welch ein jammervoller Anblick sich dem Herrn an dem Teich bot! Wir dürfen hierin durchaus ein Bild auf den geistlichen Zustand Israels sehen, das des Segens Gottes aufgrund seines Unglaubens entbehrte.

 

Die Heilung eines Hinfälligen

 

  »Dort war auch ein Mann, der achtunddreißig Jahre in seiner Hinfälligkeit zugebracht hatte. Als Jesus diesen darniederliegen sah und erfuhr, dass er schon lange Zeit so gelitten hatte, fragte Er ihn: Willst du gesund werden? - Da antwortete ihm der Hinfällige: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser erregt wird; bis ich aber komme, steigt ein anderer vor mir hinab . - Jesus erwiderte ihm: Erhebe dich, nimm deine Matte auf und wandle! - Sofort wurde der Mann gesund, erhob sich, nahm seine Matte auf und wandelte« (Verse 5-9).

  Die Lage des Mannes war aussichtslos. Mit Seiner Frage: »Willst du gesund werden?« weckte der Herr neue Hoffnung in dem Mann, der schon aufgegeben hatte. Und dann sprach Jesus; was das für Folgen hat, wissen wir aus Psalm 33:9: »Er spricht, und es geschieht, Er gebietet, und es steht da.« Und so erfüllte sich Jesaia 35:1-7 zeichenhaft; dort heißt es unter anderem: »Mein Volk soll sehen die Herrlichkeit Jewes und unseres Elohims Ehre. Machet standhaft die erschlaffenden Hände und festigt die strauchelnden Knie! Dann wird springen wie ein Hirsch der Lahme und jubeln des Stummen Zunge.«

  Der Messias wird nicht nur diesem Mann, sondern Seinem gesamten Volk der Auswahl im tausendjährigen Königreich Rettung und Heilung vermitteln und Fristen der Erfrischung bringen (Ap.3:20).

 

Es war am Sabbat

 

  »An jenem Tag war aber Sabbat. Daher sagten die Juden zu dem Geheilten: Heute ist Sabbat, da ist es dir nicht erlaubt, deine Matte aufzunehmen! - Doch er antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, derselbe hat zu mir gesagt: Nimm deine Matte auf und wandle! - Sie fragten ihn nun: Wer ist der Mann, der dir sagte: Nimm deine Matte auf und wandle -? - Der Geheilte wusste aber nicht, wer es war; denn Jesus wich ihm aus, da eine Volksmenge an dem Ort war. Danach fand Jesus ihn in der Weihestätte und sagte zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Ärgeres widerfahre! - Dann ging der Mann hin und verkündete den Juden, dass es Jesus war, der ihn gesund gemacht hatte. Deshalb verfolgten die Juden Jesus und suchten Ihn zu töten, weil Er dies auch am Sabbat tat« (Verse 10-16).

  Wiederholt fingen die Juden Streit mit Jesus über den Sabbat an (Mat.12:2); sie hatten nicht verstanden, dass nicht der Mensch um des Sabbats willen, sondern der Sabbat um des Menschen willen von Gott eingesetzt war (Mark.2:27). Außerdem ist gerade der Sabbat für Heilungen besonders geeignet, da er ein prophetisches Vorbild für den Segen des Königreichs ist, in welchem das Volk Gottes die Sabbatruhe in Frieden und Wohlergehen genießen wird (Heb.4:9). Selbst die Matte, die Ruhestatt des Geheilten, die dieser aufnahm und trug, weist auf die Sabbatruhe hin. Es wäre aber zu viel von den Gesetzeseiferern verlangt, dass sie hätten erkennen sollen, dass sie sich gerade gegen das Tragen eines auf den Sabbat hinweisenden Gegenstandes wandten. Das Tragen von Lasten war sehr wohl verboten (Jer.17:21), nicht aber das notwendige Wegtragen der Matte.

  Es wird uns nicht überliefert, ob der Hinfällige Glauben hatte, als der Herr ihn heilte. Vermutlich nicht, zumal er Jesus gar nicht kannte. Jetzt aber möge der Geheilte Glauben erweisen, indem er nicht mehr sündige. Das Ärgere, das ihm sonst widerfahren würde, wird in Hebräer 10:26,27 beschrieben: »Wenn wir freiwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit erhielten, bleibt für Sünden kein Opfer mehr übrig, sondern ein furchtbares Abwarten des Gerichts und der Eifer des Feuers, das sich anschickt, die Gegner zu fressen.« Er würde im Gericht vor dem großen, weißen Thron in den Feuersee geworfen und damit in den zweiten Tod gebracht werden (Off.20:14).

 

Der Sohn wirkt ebenso wie der Vater

 

  Die Juden aber suchten Jesus zu töten, weil Er am Sabbat geheilt hatte.

  »Da antwortete ihnen Jesus: Mein Vater wirkt bis jetzt; daher wirke auch Ich! - Deshalb suchten nun die Juden umso mehr, Ihn zu töten, weil Er nicht allein den Sabbat auflöste, sondern auch Gott Seinen eigenen Vater nannte und Sich damit Gott gleichstellte« (Verse 17+18).

  Jetzt trat die selbstgerechte und nicht nach Gottes Willen und Wirken fragende Gesinnung der Menschen zutage! Dies ist die geistliche Realität in diesem bösen Äon, in welchem der Satan die Gedanken der Ungläubigen blendet (2.Kor.4:4).

  Mit den Worten »Mein Vater wirkt bis jetzt« brachte der Herr nicht nur zum Ausdruck, dass Gott ständig wirkt, auch am Sabbat, sondern dass die Heilung des Hinfälligen Gottes Werk war. Jesus wirkte ja nur die Werke dessen, der Ihn gesandt hatte (Joh.9:4).

  Jesus hatte nur ein Werk Gottes getan, Sich Ihm aber nicht gleichgestellt, denn Er ist dem Vater stets untergeordnet und von Ihm abhängig; selbst die Worte, die Er sprach, sprach Er nicht von Sich Selbst aus, sondern hatte sie vom Vater gehört (Joh.8:26; 14:10). Er suchte nicht Seinen Willen, sondern nur den Seines Vaters (Joh.5:30).

  Jesus gleicht dem Vater aber in der Gesinnung, da der Geist des Vaters und damit der Vater Selbst in Ihm ist (Joh.10:38). Somit sind Sie eins im Wollen und Wirken (Joh.10:30). Und da wir Gläubige ebenfalls Seinen Geist haben, sind auch wir eins mit dem Vater und dem Sohn, sofern wir Seinem Geist Raum geben und auf unseren Herrn hören.

Der Vater und der Sohn

 

  In der folgenden Rede von Vers 19 bis 47 belehrte der Herr Jesus Christus Sein Volk in grundlegender Weise über Seinen Vater und Sich, im Einzelnen über Seine Abhängigkeit vom Vater (Verse 19+20), über Seine Vollmacht, Gericht zu halten (Verse 21-30) sowie darüber, dass Johannes (Verse 31-35), Seine Werke (Verse 36), Sein Vater (Verse 37+38), die Schriften (Verse 39+40) und Mose (Verse 45-47) Ihn bezeugen.

  »Nun nahm Jesus das Wort und erwiderte ihnen: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Der Sohn kann nichts von Sich Selbst aus tun, außer dem, was Er den Vater tun sieht; denn was auch immer derselbe tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt Ihm alles, was Er tut« (Verse19+20a).

  Der Vater und der Sohn sind eins im Tun, wobei der Vater die Tätigkeit angibt und durch Seinen Sohn, den Mittler, handelt. Der Vater ist Seinem geliebten Sohn allezeit zugeneigt und zeigt Ihm alles, was Er tut. Der Sohn kennt mithin die Pläne des Vaters, zumal der Vater Seinen Vorsatz für den Ablauf der Äonen in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat (Eph.3:11).

 

Noch größere Werke

 

  »Noch größere Werke als diese wird Er Ihm zeigen, dass ihr staunen werdet. Denn ebenso wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, wen Er will« (Verse 20b+21).

  Die Auferweckung und die Lebendigmachung sind zwei der noch größeren Werke, als es eine Krankenheilung ist, die der Vater und der Sohn in Übereinstimmung tun. Auferweckte können wieder sterben, wie zum Beispiel Lazarus (Joh.11:44) und die vor dem großen, weißen Thron (Off.20:11-15). Lebendig machen aber bedeutet unvergängliches Leben verleihen (1.Kor.15:22). In Lukas 20:35,36 sagte unser Herr: »Die aber für würdig geachtet werden, jenes Äons [des tausendjährigen Königreichs] und der Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu

werden ..., können nicht mehr sterben« (vgl. Joh.11:26). Jesus Christus ist der lebendig machende Geist (1.Kor.15:45).

 

Das Gericht ist dem Sohn übergeben

 

  »Es ist nämlich auch nicht der Vater, der jemand richtet; sondern alles Gericht hat Er dem Sohn gegeben, damit sie alle den Sohn so ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der Ihn gesandt hat« (Verse 22+23).

  Wenn es der Sohn ist, der da Gericht hält, werden sie Ihn doch wohl fürchten und ehren? Aber nein, sie ehrten ja auch den Vater nur mit den Lippen, nicht aber dem Herzen, obwohl sie wussten, dass Er tötet und lebendig macht (5.Mose 32:39) wie auch richtet. - Bei all Seinem Tun geht es dem Sohn um die Verherrlichung des Vaters. Wer aber den Sohn ablehnt, lehnt auch den ab, der Ihn gesandt hat (Luk.10:16; Joh.15:23).

  Übrigens: Gottes Gerichte berichtigen, sie verschaffen Recht und bringen Gerechtigkeit.

 

Gläubige kommen nicht ins Gericht

 

  »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer Mein Wort hört und dem glaubt, der Mich gesandt hat, hat äonisches Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen« (Vers 24).

  Gläubige kommen nicht in das Gericht vor dem großen, weißen Thron, denn sie sind nicht mehr für den Tod, sondern für das Leben in den beiden zukünftigen Äonen bestimmt. Wer aber nicht glaubt, ist dadurch schon gerichtet (Joh.3:18), dessen Urteil vor dem großen, weißen Thron steht bereits fest.

 

Der Sohn hat Leben in Sich Selbst

 

  »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Es kommt die Stunde, und sie ist nun da, wenn die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie hören, werden leben. Denn ebenso wie der Vater in Sich Selbst Leben hat, so hat Er auch dem Sohn gegeben, in Sich Selbst Leben zu haben« (Verse 25+26).

  Der Sohn hat Leben in Sich Selbst; somit wird Seine Stimme den gläubigen Toten Leben verleihen. Sie werden an der ersten Auferstehung, der zum Leben, teilhaben (Off.20:6). Und die Stunde dafür war damals schon gekommen, weil das Königreich sich genaht hatte (Mat.4:17).

 

Zwei Auferstehungen

 

  »Auch gibt Er Ihm Vollmacht, Gericht zu halten, da Er ein Menschensohn ist. Staunt nicht darüber; denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden; und es werden hervorgehen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Schlechte verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts« (Verse 27-29).

  Der Mensch Christus Jesus, der gelitten hat und Selbst angefochten wurde (Heb.2:18), wird die Menschen richten.

  Zwischen den beiden Auferstehungen, der zum Leben und der zum Gericht, liegen tausend Jahre. Dazu heißt es in Offenbarung 20:4-6, dass die Treuen »leben und mit Christus als Könige tausend Jahre herrschen. - Die übrigen Toten leben nicht, bis die tausend Jahre vollendet sind. - Diese Auferstehung ist die erste. Glückselig und heilig ist, wer an der ersten Auferstehung Anteil hat. Über diese hat der zweite Tod keine Vollmacht, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und mit Ihm die tausend Jahre als Könige herrschen.«

 

Jesus richtet gemäß dem Willen des Vaters

 

  Es folgt Vers 30, eine Zusammenfassung der bisherigen Rede des Herrn: »Ich kann gar nichts von Mir Selbst aus tun; so wie Ich höre, richte Ich, und Mein Gericht ist gerecht, weil Ich nicht Meinen Willen suche, sondern den Willen dessen, der Mich gesandt hat.«

  Und selbst dann wäre Sein Gericht gerecht, wenn Er Seinen Willen suchen würde; doch dies ist nicht die Sohnesart.

 

Johannes bezeugte Jesus

 

  Jesus fuhr fort zu sprechen: »Wenn Ich von Mir Selbst zeuge, ist Mein Zeugnis dann nicht wahr? Ein anderer ist es, der von Mir zeugt, und Ich weiß, dass das Zeugnis wahr ist, das er von Mir zeugt. Ihr habt zu Johannes geschickt, und er hat die Wahrheit bezeugt. Ich aber nehme kein Zeugnis von Menschen an. Ich sage dies jedoch, damit ihr gerettet werdet. Jener war die Leuchte, die brennt und scheint; ihr aber wolltet nur für eine Stunde in ihrem Licht frohlocken« (Verse 31-35).

  Der Herr schnitt nun das Thema der Bezeugungen Seiner Selbst an.

  Jesu Selbstzeugnis ist allemal wahr, wie Er denn auch in Johannes 8:14 sagte: »Auch wenn Ich über Mich Selbst Zeugnis ablege, ist Mein Zeugnis wahr, weil Ich weiß, woher Ich gekommen bin und wohin ich gehe.« Und schließlich ist Er die Wahrheit in Person (Joh.14:6).

  Wenn auch das Zeugnis des Johannes über Ihn (Joh.1:7,19,29,32-34) segensreich war und Menschen zum Glauben an Ihn führte, so ist Jesus dennoch nicht davon abhängig. Beider Zeugnis aber verhilft zum rettenden Glauben.

 

Das Zeugnis der Werke und des Vaters

 

  »Ich habe das Zeugnis, das größer als das des Johannes ist; denn die Werke, die Mir der Vater gegeben hat, damit Ich sie vollende, eben die Werke, die Ich vollbringe, zeugen von Mir, dass der Vater Mich ausgesandt hat. Und der Vater, der Mich sendet, derselbe hat von Mir gezeugt. Weder habt ihr jemals Seine Stimme gehört, noch Sein Aussehen wahrgenommen; ihr habt auch Sein Wort nicht in euch bleibend, weil ihr dem nicht glaubt, den derselbe ausgesandt hat« (Verse 36-38).

  Gerade hatte der Herr ein Werk vollbracht, als Er den Hinfälligen am Teich Bethesda heilte. Im Grunde war es des Vaters Werk, das der Sohn tat. Daran war zu erkennen, dass Jesus der Christus ist (Jes.35:5,6). Daran war zudem zu erkennen, dass der, der den Hinfälligen heilte, auch ganz Israel wird heilen können.

  Der Vater hat Ihn durch die Werke bezeugt, des Weiteren aber auch durch Sein Wort. Denken wir an Matthäus 3:17: »Dies ist Mein geliebter Sohn, an Ihm habe Ich Mein Wohlgefallen« (siehe auch Mat.17:5; Joh.12:28).

  Niemals aber hatten die Juden die Stimme des Vaters Selbst gehört, sondern stets nur die Seines Sohnes, die Stimme Seines Wortes, oder die eines himmlischen Boten. Und gesehen haben sie Gott ebenfalls noch nie, denn Gott ist Geist und daher unsichtbar (Joh.1:18; 4:24; 6:46; Kol.1:15; 1.Tim.1:17). Wer aber den Sohn glaubend ansieht, der sieht den Vater (Joh.14:9), und wer den Sohn glaubend hört, der hört den Vater (Joh.5:30; 8:26; 12:50; 14:10).

 

Das Zeugnis der Schriften

 

  »Erforscht die Schriften, da ihr meint, äonisches Leben in ihnen zu haben; dieselben sind es, die von Mir zeugen. Und doch wollt ihr nicht zu Mir kommen, damit ihr Leben habt« (Verse 39+40).

  Die Meinung der Juden, in den heiligen Schriften Leben zu haben oder durch ihre Beachtung das äonische Leben zu finden, ist richtig. Bei Hesekiel ist zu lesen: »Ich gab ihnen Meine Satzungen, und meine Rechtsbestimmungen ließ Ich sie wissen, die der Mensch tun soll, sodass er lebt« (Hes.20:11).

  Der Herr knüpfte daran an, dass sie die Schriften erforschten, ja, Er fordert sie mit Nachdruck auf, dies zu tun. Aber - wie konnte dieses Volk nur blind dafür sein, dass die Schriften von Jesus reden? Moses und die Propheten hatten den König und Messias und Retter angekündigt. Erkennen sie nicht, dass Er das Wort Gottes in Person ist, da Er nur die Worte Gottes spricht? - Doch ihr Zustand im Fleisch ließ es nicht zu, dass sie auf Ihn hörten.

  Und so werden sie für die Äonen umkommen.

  Wie gesegnet waren doch die Emmaus-Jünger, denen Jesus nach Seiner Auferstehung sagte: »O wie seid ihr doch ohne Verständnis und so säumig im Herzen, um an alles zu glauben, was die Propheten ausgesprochen haben! Musste Christus dies nicht leiden und dann erst in Seine Herrlichkeit eingehen? - Und mit Mose anfangend, ging Er alle Propheten durch und legte ihnen aus allen Schriften das über Ihn Selbst Gesagte aus« (Luk.24:25-27).

 

Von wem man Verherrlichung suchen soll

 

  Des Weiteren sagte der Herr: »Verherrlichung von Menschen nehme Ich nicht an, sondern Ich habe bei euch erkannt, dass ihr die Liebe Gottes nicht in euch habt. Ich bin im Namen Meines Vaters gekommen, doch ihr nehmt Mich nicht auf. Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, werdet ihr denselben aufnehmen. Wie könnt ihr glauben, da ihr Verherrlichung voneinander annehmt, doch die Verherrlichung, die vom alleinigen Gott ist, nicht sucht?« (Verse 41-44).

  Wer die Liebe Gottes hat, die Liebe zu Gott, wird Ihm gefallen wollen, damit er Lob von Ihm erhalte. Der Herr suchte nur die Verherrlichung durch Seinen Vater; Ihm war Er deshalb treu, Ihm gehorchte Er, von Ihm allein nahm Er Ehre an.

  Bei seinen Mitmenschen aber war dies völlig anders. Sie ließen vor sich her posaunen, wenn sie Almosen gaben (Mat.6:2), sie taten alle Werke nur, um von den Menschen angeschaut zu werden, »sie haben gern den ersten Liegeplatz bei den Gastmählern, die Vordersitze in den Synagogen, die Begrüßungen auf den Märkten und wollen von den Menschen »Rabbi« genannt werden« (Mat.23:5-7). Selbst die an Jesus gläubig gewordenen Oberen des Volkes bekannten es um der Pharisäer willen nicht, »damit sie nicht aus der Synagoge ausgestoßen würden; denn sie liebten eben die Verherrlichung von Menschen weit mehr als die Verherrlichung Gottes« (Joh.12:42,43).

  Von wem suchen wir geschätzt zu werden?

  Paulus schreibt im Zusammenhang mit dem in den Bann Tun derer, die ein andersartiges Evangelium verkündigen als er heroldet: »Will ich denn jetzt den Menschen willfahren oder Gott? Oder suche ich damit Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, wäre ich kein Sklave Christi« (Gal.1:10). Er suchte nicht Verherrlichung von Menschen (1.Thess.2:6).

  Niemand kann Glaubenstreue üben, dem die Meinung der Menschen wichtiger ist als das Wort der Wahrheit. Ein solcher hat im Grunde kein Interesse an Jesus, dem im Namen des Vaters Gekommenen. Wenn aber ein anderer kommt, der Antichristus (1.Joh.2:18), der Mensch der Gesetzlosigkeit (2.Thess.2:3,8), das wilde Tier (Off.11:7; 13:1-18 u. a.) - jenen werden die Juden aufnehmen, denn der wird seine eigene Ehre suchen, und die Menschen geben sie ihm gern, da dies den Menschen gemäß ist.

  Es sei noch an Römer 2:28,29 erinnert: »Nicht der ist Jude, der es sichtbar ist; noch ist das Beschneidung, was sichtbar am Fleisch geschieht; sondern der ist Jude, der es innerlich, im Verborgenen, ist; und Beschneidung des Herzens ist im Geist, nicht im Buchstaben; dem wird Lobpreis zuteil, zwar nicht von Menschen, sondern von Gott.«

  Mögen auch unser Wandel und Dienst so hingebungsvoll und schriftgemäß sein, dass uns vor der Preisrichterbühne der Lobpreis von Gott zuteil wird (Röm.14:10; 1.Kor.3:8-15; 4:5; 2.Kor.5:10). Dies bedeutet natürlich, um Christi willen leiden zu müssen (Röm.8:17; Phil.1:29; 2.Tim.3:12). Wer aber erduldet, der wird auch mit der Mitherrschaft ausgezeichnet werden (2.Tim.2:12).

 

Mose bezeugt Jesus

 

  Der Herr Jesus Christus schloss Seine Rede über die Bezeugungen Seiner Selbst mit dem Hinweis auf Mose, der Ihn ebenfalls bezeugt: »Meint nur nicht, dass Ich euch beim Vater verklagen werde! Einer ist euer Verkläger, Mose, auf den ihr euch verlasst. Denn wenn ihr Mose glaubtet, würdet ihr auch Mir glauben; denn jener schreibt von Mir. Wenn ihr aber den Schriften jenes Mannes nicht glaubt, wie werdet ihr Meinen Worten glauben?« (Verse 45-47).

  Mose schrieb zum Beispiel von Jesus, dem Messias: »Jewe sprach zu mir: Einen Propheten wie dich will ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder erstehen lassen. Ich lege Meine Worte in Seinen Mund, und Er wird zu ihnen alles reden, was Ich Ihm gebieten werde. Und es wird geschehen: Der Mann, der nicht auf Meine Worte hört, die Er in Meinem Namen redet, von dem werde Ich Rechenschaft fordern« (5.Mose 18:18,19; siehe auch 1.Mose 3:15; 22:18; 49:10; 4.Mose 24:17).

  Doch sie glaubten Mose nicht. Nun war der Herr jedoch nicht gekommen, um Israel anzuklagen, sondern ihm Gnade zuteil werden zu lassen (Joh.1:17; Luk.4:18,19). Jesus kam, nicht um zu richten, sondern um zu retten (Joh.3:17). »Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun«, bat Er für sie (Luk.23:34).

  Das Gesetz des Mose aber wird Israel anklagen, die Thora, wörtlich übersetzt: die Zielgebung, denn sie gibt das Ziel, die treffliche Handlung, vor. Jede Zielverfehlung führt zur Verurteilung. Das Gesetz wird sie richten (Röm.2:12).

  Mose wusste durchaus vom Unglauben Israels und kannte auch den Zweck des Gesetzes, nämlich das Zeugnis gegen Israel. Er schrieb in 5.Mose 31:24-27: »Und es geschah, als Mose fertig war, die Worte dieser Zielgebung in eine Buchrolle zu schreiben, da gebot Mose den Leviten, die die Lade des Bundes Jewes trugen: Nehmt dieses Buch der Zielgebung und legt es neben die Lade des Bundes Jewes, eures Elohim, dass es dort zum Zeugen gegen dich wird! Denn ich kenne deine Widerspenstigkeit und deine Halsstarrigkeit. Siehe, heute schon, während ich noch bei euch lebe, seid ihr widerspenstig gegen Jewe geworden; wie viel mehr nach meinem Tod!«

  Der Apostel Paulus greift diese Thematik in Römer sieben auf: »Das Gebot, das mir zum Leben gegeben war, dieses führte in den Tod (19). Das Gesetz ist heilig und das Gebot heilig, gerecht und gut (12). Wurde mir das Gute nun zum Tode? Möge das nicht gefolgert werden! Sondern damit die Sünde als Sünde offenbar werde, bewirkt sie mir durch das Gute den Tod, damit durch das Gebot die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde sichtbar werde (13). Ich elender Mensch! Was wird mich aus dem Körper dieses Todes bergen? Gnade! Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn (24+25).«

  Ebenso danken und verherrlichen wir unseren Gott und Vater für die Gnade, die in Christus Jesus ist!

 

Das Brot aus dem Himmel, Teil I

(Johannes 6:1-40)

 

  »Danach begab Sich Jesus an das jenseitige Ufer des Sees Tiberias in Galiläa; und eine große Volksmenge folgte Ihm, weil sie die Zeichen schauten, die Er an den Hinfälligen tat. Jesus ging dann auf den Berg hinauf und setzte Sich dort mit Seinen Jüngern. Das Passah, das Fest der Juden, war aber nahe« (Joh.6:1-4).

  Zwischen den Ereignissen des fünften und des sechsten Kapitels liegt eine längere Zeitspanne von schätzungsweise mehr als einem dreiviertel Jahr.

  Wir schreiben das Jahr 31 n. Chr.; das dritte Passahfest während Jesu Dienstzeit unter Israel stand bevor. Jesus befand Sich mit Seinen Jüngern am Ostufer des Sees Genezareth, der nach der von Herodes Antipas am Westufer erbauten Stadt auch See Tiberias heißt.

 

Die Speisung der Fünftausend

 

  »Als Jesus nun die Augen aufhob und schaute, dass eine große Volksmenge zu Ihm kam, sagte Er zu Philippus: Woher sollen wir Brot kaufen, damit diese zu essen haben? - Das fragte Er aber, um ihn auf die Probe zu stellen; denn Er Selbst wusste, was Er vorhatte zu tun. Philippus antwortete Ihm dann: Für zweihundert Denare Brot genügt nicht für sie, damit jeder auch nur ein kleines Stück bekommt. - Da sagte einer von Seinen Jüngern, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, zu Ihm: Es ist ein kleiner Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Speisefische. Jedoch, was ist das für so viele? - Jesus aber sagte: Ordnet an, dass die Menschen sich niederlassen! - Es war nämlich viel Gras an der Stelle. Nun ließen sich die Menschen nieder, etwa fünftausend Männer an der Zahl. Dann nahm Jesus die Brote, danke und ließ sie an die sich Lagernden verteilen, in gleicher Weise auch von den Speisefischen, so viel sie haben wollten« (Verse 5-11).

  Jesus speiste fünftausend Männer, mit Frauen und Kindern sicherlich über zehntausend Menschen (vgl. Mat.14:13-21; Mark.6:32-44; Luk.9:10-17). Dies war das vierte Zeichen Jesu, von dem Johannes berichtet. Es weist auf die Wohltaten Gottes im Königreich Israels hin. Und es zeigt, dass Jesus der Messias ist.

  Kein Mangel ist zu groß für Gott, den Er etwa nicht beheben könnte. »Er streut aus, Er gibt den Bedürftigen, Seine Gerechtigkeit bleibt für den Äon« (2.Kor.9:9; Ps.112:9). Die Menschen aber bedürfen der Belehrung; sie müssen sich ihres Mangels bewusst werden, um sodann nach der herrlichen Hilfe Gottes Seine Größe erkennen und Sein Erbarmen schätzen zu können.

  Im tausendjährigen Königreich Israels wird der Herr - wie dieses Wunder deutlich machte - Sein gesamtes Volk reichlich mit allem versorgen.

  Um 865 v. Chr. tat der Prophet Elisa ein ähnliches Wunder: »Und ein Mann kam von Baal-Schalischa und brachte [Elisa], dem Mann Elohims, Brot der Erstlingsernte, zwanzig Gerstenbrote, und Jungkorn in seinem Beutel und sprach: Gib den Leuten, sodass sie essen! Sein Diener aber sagte: Wie soll ich dies wenige hundert Mann geben? - Er [Elisa] aber sprach: Gib den Leuten, sodass sie essen! Denn so spricht Jewe: Man wird essen und übrig lassen. - Und er setzte es ihnen vor, und sie aßen und ließen übrig, dem Wort Jewes gemäß« (2.Kön.4:42-44). - In Galiläa nun aber war Einer, der größer war als Elisa.

 

Sie wollten Ihn zum König machen

 

  »Als sie dann befriedigt waren, sagte Er zu Seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts umkomme! Sie sammelten nun und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Tragkörbe bis zum Rand mit Brocken, die übrig geblieben waren bei denen, die gespeist hatten. Als die Menschen nun das Zeichen gewahrten, das Jesus getan hatte, sagten sie: Dies ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt

kommt! - Da Jesus nun erkannte, dass sie vorhatten zu kommen, um Ihn zu entführen, damit sie Ihn zum König machten, zog Er Sich wieder auf den Berg zurück, Er ganz allein« (Verse 12-15).

  Die Menschen hatten richtig erkannt, dass Jesus der von Mose verheißene Prophet (5.Mose 18:15) und mithin der König Israels ist. Sie hatten aber kein Verständnis für Seine Mission, dass Er nämlich gekommen war, um die Sünden des Volkes zu sühnen und den Gläubigen das äonische Leben zu geben. Sie wollten Ihn zum König machen, zum Brot-König, der allezeit für ihren Lebensunterhalt sorge. Der Mensch lebt aber nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das durch Gottes Mund ausgeht (Mat.4:4). Sie aber strebten nur nach vergänglichem Brot und hatten keinen Blick für das wahre Brot, das aus dem Himmel, die Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, die das Herz erfüllt.

  Daher entzog Sich der Herr der Menge und ging auf den Berg zurück, Er ganz allein, nur in Gemeinschaft mit Seinem Vater. Der Vater wird Ihm das Königreich geben, ja alle Nationen bis hin zu den Enden der Erde (Ps.2:8; Dan.7:13,14); Er wird es nicht aus den Händen der Menschen nehmen, die gar kein Interesse daran haben, durch den Geist Gottes wiedergezeugt zu werden (Joh.3:1-12).

 

Jesu Wandel auf dem See

 

  »Als es dann Abend wurde, gingen Seine Jünger an den See hinab und stiegen in ein Schiff, um so jenseits des Sees nach Kapernaum zu kommen. Schon war die Finsternis hereingebrochen, doch Jesus war noch nicht zu ihnen gekommen; auch war der See aufgewühlt, da ein heftiger Wind wehte. Als sie nun etwa fünfundzwanzig oder dreißig Stadien gerudert waren, schauten sie Jesus auf dem See wandeln und nahe an das Schiff herankommen; da fürchteten sie sich. Er aber rief ihnen zu: Ich bin es; fürchtet euch nicht! - Nun wollten sie Ihn in das Schiff nehmen, doch sogleich befand sich das Schiff an dem Land, auf das sie zugefahren waren« (Verse 16-21).

  Dies ist das fünfte Wunder und Zeichen im Bericht des Johannes. Jesus ist der vom Vater Gesandte! Hiob hatte schon einst geschaut, dass Elohim auf den Wogen des Meeres schreitet (Hiob 9:8).

  Dieses Ereignis wird dem gläubigen und treuen Israel im tobenden Völkermeer der siebenjährigen Endzeit zur Stärkung dienen. Und sie werden an den Zuspruch des Herrn denken: Ich bin es, der alles bewirkt und obwaltet, fürchtet euch nicht, Ich bringe euch an Land, ins Königreich (vgl. Off.14:13; 20:6).

 

»Rabbi, wann bist Du hier angekommen?«

 

  »Tags darauf wurde die Volksmenge, die jenseits des Sees stand, gewahr, dass dort außer dem einen kein anderes Boot gewesen war und dass Jesus nicht mit Seinen Jüngern das Schiff bestiegen hatte, sondern Seine Jünger allein hinübergefahren waren. Jedoch kamen andere Boote von Tiberias nahe an die Stelle, wo sie das Brot nach dem Dankgebet des Herrn gegessen hatten. Als die Volksmenge nun gewahrte, dass Jesus nicht dort war, noch Seine Jünger, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kapernaum und suchten Jesus. Als sie Ihn jenseits des Sees fanden, fragten sie Ihn: Rabbi, wann bist Du hier angekommen?« (Verse 22-25).

  Der Menge wurde klar, dass Gott mit Jesus gewesen sein musste, dass Er nach Kapernaum gelangt war. Zudem waren sie von dem Wunder der Brotvermehrung überwältigt. Wussten sie aber auch, für was diese ein Zeichen war? Der Herr Jesus Christus nahm die Gelegenheit wahr und belehrte das Volk über das wahre Brot, das aus dem Himmel. Er war auf dem Höhepunkt Seiner Popularität. Doch nachdem Er ihnen im Folgenden dargelegt hatte, dass Er Selbst das Manna für sie ist, wandten sie sich von Ihm ab.

 

Wirket nicht für die vergängliche Speise!

 

  »Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ihr sucht Mich nicht auf, weil ihr Zeichen gewahrt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Wirket nicht für die Speise, die vergänglich ist, sondern für die Speise, die bis in das äonische Leben bleibt, die der Sohn des Menschen euch geben wird; denn diesen hat Gott, der Vater, versiegelt« (Verse 26+27).

  Der Herr kannte die Menschen; sie scharten sich in Wirklichkeit nicht wegen des Zeichens der Brotvermehrung um Ihn, sondern nur weil sie satt geworden waren.

  Jesus forderte sie nun gleichwohl auf, nicht für die vergängliche Speise zu wirken, sondern für die Gabe des äonischen Lebens, die Er, der Versiegelte des Vaters, gibt, der unverbrüchlich Bevollmächtigte und Beglaubigte, der den Verfüger des Siegels Repräsentierende.

  Wie kann man für die Gabe des Sohnes des Menschen wirken, wie kann man sich diese Speise, die zum äonischen Leben führt, verschaffen?

  »Sie sprachen nun zu Ihm: Was sollen wir tun, damit wir die Werke Gottes wirken?« (Vers 28).

  Jesu Zuhörer dachten sogleich an Werke, an ihr Tun. Doch so erlangt man die Gabe Gottes nicht, sondern durch Glauben. Ihr Wirken hätte zunächst einmal in dem bestehen sollen, was Marthas Schwester Maria als ihr gutes Teil erwählt hatte, nämlich sich zu den Füßen des Herrn zu setzen und Seinen Worten von ganzem Herzen zuzuhören (Luk.10:39,42).

 

Der Glaube ist das Werk Gottes

 

  »Jesus antwortete ihnen: Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den derselbe ausgesandt hat!« (Vers 29).

  An Jesus glauben sollen sie. Dann werden sie die wahre Speise erhalten, die ihnen das äonische Leben im Königreich bringt. Jesus ist ihr Retter, der Sich Selbst als diese Speise für sie dahingibt.

  Und dieser zur Rettung führende Glaube an den vom Vater Gesandten ist ein Werk Gottes! Am Ende Seiner Rede betonte der Herr dies nochmals: »Niemand kann zu Mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist« (Joh.6:65). - Da Fleisch nichts Geistliches hervorbringen kann, gilt dies zu allen Zeiten, und so ist auch unser Glaube Gottes Geschenk in Gnaden (Eph.2:8; Phil.1:29).

  Dass die Juden ihren Glauben durch edle Werke bestätigen mussten, um schließlich wirklich gerettet zu werden (2.Pet.1:10,11; 2:20-22; Heb.10:26-31), führte Jesus hier nicht aus, da es Ihm zunächst um das Grundlegende, den Glauben, ging. Der von Gott gegebene und mithin lebendige Glaube schloss die Glaubenstreue allerdings ein. - Im Unterschied dazu sind wir, die Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), nach dem Evangelium des Apostels Paulus (Gal.1:12; 2:7) in der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade (Eph.3:2; Kol.1:25) allein durch Glauben gerechtfertigt und gerettet (Röm.3:24,28; Eph.2:8) und bleiben dies auch, selbst wenn wir uns nicht bewähren sollten (Röm.8:30; Eph.1:13). Möge diese überströmende Gnade, in der wir stehen, uns in die Gesinnung Christi hineinwachsen lassen!

 

Jesus, das Brot Gottes

 

  »Daher fragten sie Ihn: Was für ein Zeichen tust Du denn, damit wir es gewahren und Dir glauben? Was wirkst Du? Unsere Väter aßen das Manna in der Wildnis, so wie es geschrieben ist: Brot aus dem Himmel gab Er ihnen zu essen! (Ps.78:24). - Da sagte Jesus nun zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot aus dem Himmel gegeben, sondern Mein Vater gibt euch das wahrhafte Brot aus dem Himmel; denn das Brot Gottes ist der, der aus dem Himmel herabsteigt und der Welt Leben gibt« (Verse 30-33).

  Es ist nicht zu fassen! Gerade hatten sie ein Zeichen gesehen - sie waren aber blind dafür -, und jetzt forderten sie eins und würden dann glauben wollen, statt Gott zu bitten, dass Er den Glauben in ihnen bewirke.

  Das Manna, das Mose ihnen in der Wildnis gegeben hatte, das Brot aus dem Himmel, war nicht des Moses, sondern Gottes Gabe und war nur eine vergängliche Speise (2.Mose 16:4,15; 4.Mose 11:7; Ps.105:40). Jesus ist aber größer als Mose, da Er das wahre Brot Selbst ist, das aus dem Himmel herabgestiegen und jetzt unter ihnen war und der Welt unvergängliches Leben gibt. Jesus ist das Brot des Lebens; wer dieses isst, wird für den Äon leben (Joh.6:58).

  Erkennen sie denn nicht, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, das durch Gottes Mund ausgeht (Mat.4:4; 5.Mose 8:3)? Jesus, das Wort Gottes, muss man sich einverleiben. Haben sie denn nicht bei Jeremia gelesen, dass dieser die Worte Jewes gegessen hatte und sie ihm zur Wonne und Freude seines Herzens geworden waren (Jer.15:16)?

 

»Ich bin das Brot des Lebens!«

 

  »Da sagten sie nun zu Ihm: Herr, gib uns dieses Brot allezeit! - Jesus erwiderte ihnen: Ich bin das Brot des Lebens! Wer zu Mir kommt, wird keinesfalls hungern, und wer an Mich glaubt, den wird nie mehr dürsten. jedoch sagte Ich euch schon, dass ihr Mich wohl gesehen habt, aber Mir doch nicht glaubt« (Verse 34-36).

  Jesus stillt allen geistlichen Hunger und jeden geistlichen Durst, und darüber hinaus wird es in Seinem Königreich auch keine materielle Not mehr geben. »Glückselig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten; denn sie sollen gesättigt werden« (Mat.5:6). Ganz Israel ist dazu berufen, aber nur wenige sind vom Vater dazu auserwählt (Mat.22:14). Nur in wenigen ruft Gott den Glauben hervor, denn Sein Vorsatz ist die Verwerfung Israels, um der Welt die Versöhnung zu schenken (Röm.11:15; Eph.3:11).

 

»Wer zu Mir kommt ...«

 

  Der Herr fuhr fort zu sprechen: »Alles, was der Vater Mir gibt, wird bei Mir eintreffen und bleiben, und wer zu Mir kommt, den werde Ich keinesfalls hinaustreiben; denn Ich bin nicht aus dem Himmel herabgestiegen, dass Ich Meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der Mich gesandt hat. Dies ist der Wille dessen, der Mich gesandt hat, dass Ich nichts von alldem verliere, was Er Mir gegeben hat, sondern es am letzten Tag auferstehen lasse« (Verse 37-39).

  Alle Menschen, die der Vater Seinem Sohn gibt - sie sind Gottes Auswahl und Sein Geschenk an Ihn -, kommen zu Jesus, da Er dies in ihnen bewirkt, und Jesus wird sie nicht hinaustreiben, sondern gemäß dem Willen des Vaters bewahren und keinesfalls verlieren. Sollten aber dennoch welche vom Glauben abfallen, dann nur solche, die der Vater Ihm gar nicht gegeben hatte, wie Johannes später schreibt: »... denn wenn sie von uns gewesen wären, wären sie bei uns geblieben« (1.Joh.2:19).

  Der letzte Tag, an dem die Gläubigen Israels auferstehen werden, ist der letzte in Daniel zwölf genannte Tag, von der Mitte des letzten Jahrsiebeners an gerechnet (Dan.9:24,27).

  Daniel sagte zu dem Boten Jewes: »Mein Herr, was geschieht nach diesem?« (Dan.12:8). Was geschieht nach den zweiten dreieinhalb Jahren? Er erwiderte: »Glückselig, wer ausharrt und 1335 Tage erreicht. Und du, gehe hin bis zum Ende; du wirst ruhen und wirst auferstehen zu deinem Losteil am Ende der Tage« (Dan.12:12,13).

  Der Prophet Daniel wie auch alle anderen gläubigen Israeliten werden am Ende der Tage, am 1335. Tag, auferstehen. Dies sind 75 Tage nach der Wiederkunft Jesu Christi zu Seinem Volk und der Aufrichtung des Königreichs Israels, was am 1260. Tag nach der Mitte des Jahrsiebeners geschehen sein wird. Bis zum letzten Tag, zum 1335., und nicht länger werden die toten Gläubigen ruhen.

  Der Herr schloss Seine Rede mit Vers 40: »Denn das ist der Wille Meines Vaters, dass jeder, der den Sohn schaut und an Ihn glaubt, äonisches Leben habe; und Ich werde ihn am letzten Tag auferstehen lassen.«

  Alle an den Sohn Glaubenden werden während der kommenden Äonen nicht tot sein, sondern leben. Die beiden zukünftigen Äonen sind der des tausendjährigen Königreichs Israels und sodann der der neuen Erde (Off.21:1).

  Was uns anbelangt, so werden wir bereits vor der siebenjährigen Zeit des Zorns Gottes verwandelt und entrückt werden und dann für die Äonen im überhimmlischen Königreich Christi leben (Röm.5:9; 1.Kor.15:51; 1.Thess.5:9; 2.Tim.4:18). Der Lobpreis und die Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!

 

Das Brot aus dem Himmel, Teil II

(Johannes 6:41-71)

 

  Der Herr Jesus Christus hatte den Juden gesagt, dass nicht Mose ihnen das Manna aus dem Himmel gegeben hatte, sondern Sein Vater, und dass das wahre und unvergängliche Brot Er Selbst ist, das aus dem Himmel herabgestiegen ist und der Welt das Leben gibt (Joh.6:26-33). Er Selbst ist das Brot, das das Leben in den zukünftigen Äonen vermittelt (Joh.6:35-40).

 

Die Juden murrten

 

  »Da murrten die Juden über Ihn, weil Er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das aus dem Himmel herabgestiegen ist -, und sie fragten: Ist dieser nicht Jesus, der Sohn Josephs, dessen Vater und Mutter uns vertraut sind? Wieso behauptet Er nun: Aus dem Himmel bin Ich herabgestiegen -?« (Verse 41+42).

  Vielleicht erinnerten sie sich daran, dass Joseph nur Jesu Vater nach dem Gesetz war (Luk.3:23), dies aber führte sie noch lange nicht zu der Einsicht, dass Jesus das Wort Gottes war (Joh.1:1,14) und folglich aus dem Himmel kommen und vom Geist Gottes gezeugt werden musste (Mat.1:20; Luk.1:35).

 

Der Vater zieht und belehrt die Auserwählten

 

  »Daher antwortete ihnen Jesus: Murret nicht untereinander! Niemand kann zu Mir kommen, wenn der Vater, der Mich gesandt hat, ihn nicht zieht; und Ich werde ihn am letzten Tag auferstehen lassen. In den Propheten ist geschrieben: Sie werden alle von Gott gelehrt sein (Jes.54:13). Jeder nun, der vom Vater hört und die Wahrheit lernt, kommt zu Mir. Nicht, dass jemand den Vater gesehen hätte, wenn nicht der, der bei Gott ist, der hat den Vater gesehen« (Verse 43-46).

  Jesus ging auf Seinen Vater Joseph nicht ein, sondern sprach von dem für Seine Zuhörer Entscheidenden, nämlich von Gott, Seinem Vater, der Ihn gesandt hatte, von dem Er ausgegangen war. Und welches Argument des Unglaubens die Juden sonst noch vorbringen mochten - dies allein gilt: Den der Vater auserwählt hat (Mat.22:14) und folglich zieht, dem Er das Ohr öffnet (Jes.50:4) und den Er belehrt, der kommt zu Jesus. Gott ist der Allesbewirkende (Eph.1:11). Er ist der souverän Handelnde. Das Kommen der Menschen zu Seinem Sohn geht stets von Ihm aus.

  Im Königreich Israels werden alle von Gott belehrt sein (Jes.54:13; Jer.31:34). Dies galt auch jetzt. Ohne die zugkräftige Belehrung durch Gott bekommt keiner Anteil an Jesus und Seinem Königreich.

  Bei alldem ist es nicht nötig, den Vater gesehen zu haben, zumal Er unsichtbar ist, weil Er Geist ist (Joh.4:24; Kol.1:15; 1.Tim.1:17); der Sohn aber, der Selbst Geist ist (2.Kor.3:17), der hat den Vater gesehen, der hat den Vater erkannt (Mat.11:27), der ist mit dem Vater vertraut (Joh.7:29), und mithin schildert Er Ihn (Joh.1:18). Darum, ihr Juden, nehmt das Zeugnis Jesu an!

         (Zur »Auferstehung am letzten Tag« siehe zu Vers 39.)

 

»Ich bin das Brot des Lebens«

 

  »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer an Mich glaubt, hat äonisches Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter aßen das Manna in der Wildnis und starben. Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herabsteigt, damit man davon esse und nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgestiegen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben für den Äon. Das Brot aber, das Ich für das Leben der Welt geben werde, ist Mein Fleisch« (Verse 47-51).

  Diese Verse sind eine Zusammenfassung des von Vers 27 an Gesagten. Dabei hob der Herr hervor, dass die, die das Manna aßen, starben. Wer aber an Ihn glaube, das Brot, das Leben vermittelt, werde nicht sterben. Dieser Aussage tut es keinen Abbruch, dass die damaligen Gläubigen starben, denn sie bezieht sich auf den Äon, den verheißenen, den kommenden Äon des tausendjährigen Königreichs; und wer in jenem Äon lebt, wird dann auch in dem Äon des Königreichs auf der neuen Erde leben (Off.21:1).

  Außerdem betonte der Herr, dass man dieses Brot essen müsse; dies ist ein Ausdruck für die intensive, gläubige Inanspruchnahme der Selbstdahingabe Jesu Christi, die schon mit Seinem Herabstieg aus dem Himmel begonnen hatte.

  Und dann setzte Jesus einen neuen Akzent, indem Er sagte, dass Er Sein Fleisch geben werde. Er wird Seinen Körper dahingeben, damit die Menschen das Leben haben mögen.

 

Das Fleisch und das Blut des Menschensohns

 

  »Daraufhin zankten sich nun die Juden untereinander und sagten: Wie kann denn dieser uns Sein Fleisch zu essen geben? - Daher sagte Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen nicht esst und Sein Blut nicht trinkt, habt ihr kein äonisches Leben in euch. Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, hat äonisches Leben, und Ich werde ihn am letzten Tag auferstehen lassen; denn Mein Fleisch ist wahre Speise, und Mein Blut ist wahrer Trank« (Verse 52-55).

  Wie man das Fleisch Jesu essen könne - dies war den Juden völlig unverständlich. Dies würde den Tod Jesu voraussetzen. Dass dieser Tod der Sühnetod des Messias, des wahren Opferlamms, sein könnte - dies war selbst Seinen Jüngern noch nicht klar.

  Jesus aber bekräftigte das Essen (in Vers 54 wörtlich: das Kauen) Seines Fleisches - Er ließ Sich durch das Unverständnis der Volksmenge nicht davon abhalten, sie zu belehren - und sprach zudem vom Trinken Seines Blutes. Dies aber war ausdrücklich verboten. 3.Mose 3:17 lautet: »Dies ist eine äonische Satzung für eure Generationen in all euren Wohnsitzen: irgendein Fett und irgendwelches Blut sollt ihr nicht essen.«

  Wie aber, wenn das Blut Jesu, des Messias, die einzig wahre Beschirmung der Sünden ist? »Denn unmöglich nimmt das Blut der Stiere und Böcke Sünden hinweg« (Heb.10:4). »Ohne Blutvergießen erfolgt keine Vergebung« (Heb.9:22). Sollte man Vergebung (oder: Erlassung) der Verfehlungen erlangen durch das Blut Jesu - Ihm glaubend - anstatt durch das Blut von Tieren?

  In 3.Mose 17:11 steht geschrieben: »Die Seele des Fleisches, sie ist im Blut, und Ich Selbst habe es euch auf den Altar gegeben, eine Beschirmung über eure Seelen zu erwirken, denn das Blut ist es, das durch die Seele [in ihm] die Beschirmung erwirkt.« Die Seele eines Menschen ist sein Bewusstsein; in diesem Zusammenhang sollte besonders an die Schmerzempfindung gedacht werden, da Sühnung ein Abgelten von Sünde unter Schmerzen bedeutet. Die Beschirmung ist ein Zudecken der Verfehlungen. Manche Übersetzer schreiben statt »Beschirmung« völlig frei im Hinblick auf den weiteren Zusammenhang »Sühnung«.

  Sollte das Blut Jesu, mittels dessen Er Schmerz empfindet, die Sühnung der Sünden erwirken? - Wir Gläubigen kennen die Antwort und bezeugen mit dem Verfasser des Hebräerbriefs: »Christus kam als Hoherpriester des zukünftigen Guten und ging ... nicht durch das Blut von Böcken und Kälbern, sondern durch Sein eigenes Blut ein für allemal in die heiligen Stätten ein und erfand so eine äonische Erlösung« (Heb.9:11,12).

  Der Herr schloss nun Seine Rede mit den Versen 56 bis 58: »Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, bleibt in Mir und Ich in ihm. So wie Mich der lebendige Vater ausgesandt hat und Ich um des Vaters willen lebe, so wird auch jener, der Mich isst, um Meinetwillen leben. Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herabgestiegen ist: Keines, wie es die Väter aßen und starben. Wer dieses Brot isst, wird für den Äon leben.« - »Das sagte Er, als Er in der Synagoge zu Kapernaum lehrte« (Vers 59).

  Jetzt legte Jesus den Schwerpunkt Seiner Rede auf die geistliche Gemeinschaft mit Ihm, dass Er nämlich nur in denen, die Seinen Sühnetod von ganzem Herzen glaubend persönlich ergriffen haben, bleibe und jene in Ihm. Außerdem hob Er hervor, dass diese Menschen dann nicht mehr um ihretwillen leben werden, sondern um Seinetwillen, so wie auch Er um des Vaters willen lebt. Dies ist die Erfüllung für die Menschen: nicht mehr sich selbst zu leben, sondern Ihm, der für alle starb und auferweckt wurde (2.Kor.5:15). Welch eine Freude, zur Verherrlichung des Vaters und Seines Sohnes leben zu dürfen!

  Der Herr bezeichnete Seinen Vater als lebendig (Jer.10:10; Joh.5:26); mithin will Er allen Leben geben durch das von Ihm aus dem Himmel gesandte Brot: Seinen Sohn.

 

Die Reaktion der Jünger

 

  Nun berichtet uns Johannes über die Reaktion des über die zwölf Jünger hinausgehenden Kreises von weiteren Jüngern Jesu. »Viele nun von Seinen Jüngern, die es gehört hatten, sagten: Dieses Wort ist hart; wer kann es anhören? - Weil Jesus bei Sich Selbst wusste, dass Seine Jünger darüber murrten, sagte Er zu ihnen: Nehmt ihr das zum Anstoß? Was nun, wenn ihr schaut, wie der Sohn des Menschen dahin aufsteigt, wo Er zuvor war?« (Verse 60-62).

  Ja, wer konnte diese Worte Jesu anhören? Waren sie nicht zu schwer zu verstehen, und war es nicht unmöglich, ihnen zu gehorchen? - Es ist allerdings so, dass man nur dann hören und gehorchen kann, wenn man aus Gott, von oben her, gezeugt ist. Jesus sagte an anderer Stelle: »Wer aus Gott ist, der hört die Worte Gottes. Ihr hört deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid« (Joh.8:47, vgl. 43).

  Die Ungläubigen werden noch größeren Anstoß nehmen, wenn sie erfahren werden, dass Jesus in den Himmel aufgestiegen ist (Ap.1:9). Dies kündigte der Herr ihnen jetzt schon an. Dabei ist es völlig selbstverständlich, dass es dem Sohn jederzeit zusteht, dorthin aufzusteigen, woher Er gekommen war - vom Vater, aus dem Himmel. Sie aber nahmen daran Anstoß. Sie hatten kein geistliches Verständnis dafür, dass ihr Erlöser aus dem Himmel kommen und Sich zum Opfer für ihre Sünden geben musste.

 

Der Geist macht lebendig

 

  Der Herr setzte Seine Rede fort: »Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt dabei überhaupt nichts. Die Worte, die Ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben« (Vers 63).

  Hier ist nicht der Geist Gottes im allgemeinen Sinne des »Odems des Geistes der Lebenden« (1.Mose 7:22) gemeint, den ja alle atmenden Lebewesen haben, sondern - wie Vers 63 b zum Ausdruck bringt - das geistgewirkte und geisterfüllte Wort Jesu. Die Worte Gottes teilen Seinen Geist mit, der Leben ist, und haben die Kraft, Leben für die Äonen zu verleihen (Joh.5:24; 6:68).

  Selbstverständlich ist es immer nur Gott, der Geist ist (Joh.4:24), Selbst, der Leben verleiht, sei es biologisches oder geistliches. Der Geist Gottes ist nichts Zweites neben Gott. Das geistliche Leben wird nicht durch Fleisch vermittelt, nicht durch vergängliches Brot, sondern durch Jesus, das Brot aus dem Himmel.

 

Warum welche nicht glauben

 

  Jesus schloss Seine Antwort mit der Bemerkung: »Jedoch sind einige unter euch, die nicht glauben« (Vers 64 a). Johannes erläutert: »Jesus wusste nämlich von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer es war, der Ihn verraten würde« (Vers 64 b). »Weiter sagte Er: Deshalb habe Ich euch versichert, dass niemand zu Mir kommen kann, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist« (Vers 65). Und dann teilt Johannes mit: »Aus diesem Grund gingen nun viele Seiner Jünger davon und zogen nicht mehr mit Ihm umher« (Vers 66).

  Religiöse Menschen, also solche, die etwas Eigenes zu ihrer Rettung beitragen wollen, können das Wort Jesu, dass nur die zu Ihm kommen können, denen es vom Vater gegeben ist, nicht ertragen; ihr Stolz lässt es nicht zu. Sie wenden sich vom Glauben ab und frönen weiterhin ihrem Kultus.

  Dreimal hatte der Herr den Juden versichert, dass ihre Rettung das alleinige Werk Gottes ist, und zwar als Er sagte: »Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den derselbe ausgesandt hat« (Vers 29) und: »Alles, was der Vater Mir gibt, wird bei Mir eintreffen und bleiben« (Vers 37) sowie: »Niemand kann zu Mir kommen, wenn der Vater, der Mich gesandt hat, ihn nicht zieht« (Vers 44). Weil Er wusste, dass welche nicht glauben, deshalb hatte Er ihnen versichert, dass der Vater stets der Handelnde ist. Die Ehre der Rettung der Menschen gebührt Ihm! Der Vater schenkt den Glauben, wem Er will. Niemand kann glauben, wenn der Vater es nicht bewirkt. Diese Wahrheit konnten viele Gläubige aus dem weiteren Jüngerkreis Jesu nicht akzeptieren - und gingen davon.

  Dabei hatte Johannes der Täufer bereits gesagt: »Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben wird« (Joh.3:27). Verstehen die Menschen denn nicht, dass Gott Gott ist, der Allmächtige, der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11), der alles hervorruft, auch den Glauben? Und der auch auswählt, wem Er den Glauben schenkt und wem nicht! »Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem der Sohn es zu enthüllen beschließt« (Mat.11:27).

 

Wer erwählte wen?

 

  Sehr wohl hatte der Herr Jesus Christus nach einer Nacht des Gebets zwölf aus Seinem größeren Jüngerkreis ausgewählt, die Er auch Apostel nannte (Luk.6:13), sie aber konnten gleichwohl der Meinung sein, dass sie es ja waren, die sich entschlossen hatten, Ihm überhaupt schon seit einiger Zeit nachzufolgen. Umso mehr konnten sie jetzt, nach Jesu Rede über das Brot aus dem Himmel und das Essen Seines Fleisches und Trinken Seines Blutes sowie der großen Krise, dass viele Jünger Ihm nicht mehr folgten, erst recht meinen, dass sie aus eigener Entscheidung Jesus treu blieben. Wenn wir nun die Verse 67 bis 71 lesen, werden wir sehen, dass dies in der Antwort des Petrus in Vers 69 anklingt und der Herr es in Seiner Erwiderung in Vers 70 korrigiert.

  »Daraufhin fragte Jesus nun die Zwölf: Ihr wollt doch nicht auch weggehen? - Simon Petrus antwortete Ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte äonischen Lebens; und wir′ haben geglaubt und erkannt, dass Du der Heilige Gottes bist. - Jesus antwortete ihnen: Habe nicht Ich′ euch Zwölf erwählt? Und einer von euch ist ein Widerwirker. - Damit meinte Er Judas, den Sohn des Simon Iskariot; denn dieser sollte Ihn demnächst verraten, und er war einer von den Zwölf« (Verse 67-71).

  Petrus glaubte, dass Jesus das Brot des Lebens ist und war sich sicher, dies auch von den anderen Jüngern sagen zu können. Und so vernehmen wir seine herrliche Antwort: »Herr, zu wem sollen wir gehen?« Ja, wer anders wäre denn da, zu dem man gehen könnte, der der Messias wäre und die Rettung aus Sünde und Tod brächte? - »Du hast Worte äonischen Lebens!« Ja, Jesu Worte sind Geist und sind Leben. Wer Ihm glaubt und treu bleibt, wird für die Äonen leben. - »Und wir′ haben geglaubt und erkannt, dass Du der Heilige Gottes bist.« Ja, Jesus ist der Heilige schlechthin, das Abbild des unsichtbaren Gottes, das Wort Gottes, der Sohn Gottes.

  Petrus hatte das »wir« nachdrücklich ausgesprochen (im Konkordanten Neuen Testament durch ein Symbol angezeigt): »Wir, wir haben geglaubt und erkannt.« Die Antwort Jesu ist anders betont: »Habe nicht Ich, ja Ich [ebenfalls durch ein Symbol angezeigt] euch Zwölf erwählt?« - Jesus bekräftigte also gegenüber Seinen zwölf Jüngern nochmals, was Er in Seiner großen Rede gesagt hatte, dass nämlich alles vom Vater gegeben ist und keiner zu Ihm gekommen war, den der Vater nicht gezogen hatte.

  Jesus hatte auch Judas Iskariot, Seinen Verräter, in vollem Wissen ausgewählt, denn Er kannte alle Menschen und wusste, was in ihnen ist (Joh.2:25). Schließlich musste die Schrift erfüllt werden, die da sagt: »Der mein Brot aß, erhebt seine Ferse hoch gegen mich« (Ps.41:10). Insofern war Judas ein Widerwirker wie der Satan. Er hatte die Gesinnung Satans.

  Die Jünger hatten in aller Deutlichkeit aus Jesu Mund vernommen, dass Er sie auserwählt hatte. Ein andermal wird Er es ihnen nochmals sagen: »Nicht ihr habt Mich erwählt, sondern Ich habe euch erwählt« (Joh.15:16). Es ist ohnehin das natürliche Recht des Herrn wie auch jedes Herrn, seine Mitarbeiter auszuwählen.

  Diese Wahrheit vermittelt den Gläubigen einen festen Stand. Auserwählt zu sein durch den Einen, der Liebe ist, der allein weise ist und der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11), gibt uns tiefen Frieden und erfüllt unsere Herzen mit Freude.

  Es ist unendlich herrlicher, auserwählt zu sein, als eine fragwürdige Befriedigung durch das Gefühl zu haben, dass wir frei wären, Jesus zu erwählen. Wenn wir frei wären, hätten wir einen anderen erwählt, denn »es gibt keinen, der Gott ernstlich sucht« (Röm.3:11; Ps.14:2).

  Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei darum dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns auserwählt (Eph.1:4), berufen (1.Kor.1:9) und gerechtfertigt hat (Röm.3:24,28), ja der uns vorherbestimmte, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern und Schwestern sei (Röm.8:29,30).

 

Ströme lebendigen Wassers

(Johannes 7:1-8:11)

 

  Der Apostel Johannes berichtet in Kapitel sieben, Verse 1 und 2: »Danach zog Jesus in Galiläa umher; denn Er wollte nicht durch Judäa gehen [wörtlich: in Judäa umhergehen], weil die Juden Ihn zu töten suchten. Es war aber das Laubhüttenfest der Juden nahe.«

  Nach den Ereignissen des Kapitels sechs war ein halbes Jahr vergangen. Jesus wollte nicht in Judäa umherziehen, weil dort Seine entschiedensten Feinde lebten.

  Das Laubhüttenfest des Jahres 31 war nahe. Es fand vom 15. bis 22. Etanim (etwa September/Oktober) statt. Es war eines jeden Mannes Pflicht, dreimal im Jahr vor Jewe, dem Elohim Israels, an der Weihestätte in Jerusalem zu erscheinen, und zwar zum Fest der ungesäuerten Brote, zum Fest der Erstlingsernte (Pfingsten) und zum Laubhüttenfest (5.Mose 16:16).

  Das Laubhüttenfest (3.Mose 23:33-43) diente der Erinnerung daran, dass die Söhne Israels nach der Herausführung aus Ägypten in Laubhütten gewohnt hatten, und war zugleich das Erntedankfest, das freudig begangen wurde und die Segensfülle des zukünftigen Königreichs abbildete. In 3.Mose 23:40 heißt es: »Am ersten Tag nehmt ihr euch prächtige Baumfrüchte, Palmwedel und Zweige von dicht belaubten Bäumen und Bachweiden, und freut euch sieben Tage lang angesichts Jewes, eures Elohims.«

 

Der Rat der Halbbrüder Jesu

 

  »Daher sagten seine Brüder zu Ihm: Ziehe fort von hier und gehe nach Judäa, damit Deine Jünger auch dort Deine Werke schauen, die Du tust; denn niemand tut etwas im Verborgenen, wenn er selbst öffentliche Geltung sucht. Wenn Du dies tun willst, dann offenbare Dich der Welt! - Denn nicht einmal Seine Brüder glaubten an Ihn« (Verse 3-5).

  Jesu ungläubige Halbbrüder argumentierten nach weltlichen Maßstäben, dass man nämlich nur in Jerusalem etwas erreichen könne. Es erfüllte sich Psalm 69:9: »Fremd bin ich für meine Brüder.«

 

Zur rechten Zeit

 

  »Nun antwortete ihnen Jesus: Für Mich ist die rechte Zeit noch nicht da; für euch aber ist die rechte Zeit immer da und bereit. Die Welt kann euch nicht hassen; Mich aber hasst sie, weil Ich von ihr bezeuge, dass ihre Werke böse sind. Zieht ihr zu dem Fest hinauf. Ich ziehe noch nicht zu diesem Fest hinauf, weil meine Frist noch nicht erfüllt ist. - Dies sagte Er zu ihnen und blieb in Galiläa. Als aber Seine Brüder zum Fest hinaufgezogen waren, da zog auch Er hinauf, nicht öffentlich, sondern im Verborgenen« (Verse 6-10).

  Die rechte Zeit, griech. kairos, zu deutsch auch: Frist, gebührende oder gelegene Zeit, Gelegenheit (siehe Stichwortkonkordanz zum Konkordanten NT, Seite 442), war noch nicht da, und zwar in Bezug auf die wenigen Tage, die zwischen dem Hinaufziehen der Brüder und dem Jesu lagen, sowie auf die gesamte Frist Seines Dienstes unter Israel. Jesus wollte Sich nicht vor der Erfüllung Seiner Dienstzeit der Gefahr aussetzen, in Judäa getötet zu werden. Deshalb zog Er im Verborgenen hinauf, vermutlich nachts; Seine Gegner würden Ihn wohl eher beim Hinaufziehen abfangen als Ihn bei dem Freudenfest töten wollen. Wenngleich der Vater alles obwaltet, war der Sohn dennoch nicht unvorsichtig (vgl. Vers 30).

  Der Messias durfte nicht beim Laubhüttenfest getötet werden. Die rechte Zeit konnte nur das Passahfest sein, an welchem das wahre Opferlamm zu schlachten war, das der Welt Sünde auf Sich nimmt (Joh.1:29). - Den Ungläubigen ist jeder Termin recht, die Gläubigen aber fragen nach dem Willen Gottes.

  Die Welt hasst Jesus. Die Ungläubigen hassen Ihn, weil Er ihnen bezeugt, dass ihre Werke böse sind. Sie lieben die Finsternis mehr als Jesus, das Licht, das in die Welt gekommen ist. Sie hassen das Licht, weil es ihre Werke entlarvt (Joh.3:19,20). Schließlich wirkt der Satan in ihnen (Eph.2:2) und haben sie somit einen anderen Geist, der dem Geist Gottes entgegen ist.

  

Es war viel Gemurmel über Ihn

 

  »Die Juden suchten Ihn daher auf dem Fest und fragten: Wo ist jener? - Und unter der Volksmenge war viel Gemurmel über Ihn; die einen sagten: Er ist gut, andere aber meinten: Nein, Er führt die Volksmenge irre. - Aus Furcht vor den Juden sprach allerdings niemand öffentlich über Ihn« (Verse 11-13).

  Jesus war irgendwo unter den Feiernden, wurde aber von den Juden - den machthabenden Juden, Seinen Gegnern - nicht entdeckt. Aus Furcht vor diesen Juden wagten es die anderen sogar nicht, freimütig und mithin auch öffentlich über Ihn zu reden. Sollte es stimmen, dass Er das Volk irreführt, drohte Ihm die Steinigung.

 

Jesu Lehre ist von Gott

 

  »Als die Mitte der Festwoche schon vorüber war, ging Jesus zur Weihestätte hinauf und lehrte. Da erstaunten nun die Juden und sagten: Wieso weiß dieser in der Schrift Bescheid, obwohl Er ungelehrt ist? - Da antwortete ihnen Jesus nun: Meine Lehre ist nicht von Mir, sondern von dem, der Mich gesandt hat. Wenn jemand dessen Willen tun will, wird er erkennen, ob die Lehre von Gott ist oder ob Ich von Mir Selbst spreche. Wer von sich selbst spricht, sucht eigene Verherrlichung. Wer aber die Verherrlichung dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahr, und es ist keine Ungerechtigkeit in ihm« (Verse 14-18).

  Jesus war in den Augen der Juden ungelehrt, weil Er keine Rabbinerschule besucht hatte. Er kannte aber die heiligen Schriften; außerdem war Er Selbst das Wort Gottes und hörte Er stets auf Seinen Vater im Himmel. Und was Er an Neuem lehrte, entsprach den Schriften wie auch nun Seiner Anwesenheit in Gnaden unter Israel und dem heilsgeschichtlichen Fortschreiten der Offenbarung Gottes. »Wie Mich Mein Vater gelehrt hat, so spreche Ich« (Joh.8:28).

  Wie kann man Gewissheit bekommen, ob Jesu Lehre wirklich von Gott ist? - Indem man Gottes Willen tut, und zwar den Worten Jesu gemäß; dann wird man inne werden, dass Er die lebensvolle Wahrheit sagt.

  Nur wer den Willen des Vaters tut, wird in das Königreich Israels eingehen (Mat.7:21). Das Tun aber fängt mit dem Glauben an, dem Glauben an den Vater und den, den Er gesandt hat, denn ohne Glauben ist es unmöglich, Ihnen wohlzugefallen (Heb.11:6).

  Niemals suchte Jesus Seine eigene Verherrlichung, sondern immer nur die Seines Vaters (Joh.8:50). Ein wahrer Lehrer sucht nicht seine eigene Ehre, zumal er weiß, dass er selbst nicht die Quelle seiner Erkenntnis ist. Die Quelle aller Weisheit ist Gott allein. Ein rechter Lehrer kann sich somit nur als Kanal und Mittler ansehen.

 

»Richtet gerechtes Gericht!«

 

  Dann sagte Jesus: »Hat nicht Mose euch das Gesetz gegeben? Doch keiner von euch erfüllt das Gesetz! Warum sucht ihr Mich zu töten? - Die Volksmenge antwortete: Einen Dämon hast du! Wer sucht Dich zu töten? - Jesus antwortete ihnen: Das eine Werk habe Ich getan, und deshalb staunt ihr alle. Mose hat euch die Beschneidung gegeben (nicht, dass sie von Mose ist, sondern von den Vätern), und so beschneidet ihr einen Menschen auch am Sabbat. Wenn nun ein Mensch die Beschneidung am Sabbat erhält, damit das Gesetz des Mose nicht aufgelöst wird, warum seid ihr voll Galle gegen Mich, weil Ich einen ganzen Menschen am Sabbat gesund machte? Richtet nicht nach dem Äußeren, sondern richtet gerechtes Gericht!« (Verse 19-24).

  Die Beschneidung nach dem Gesetz des Mose (3.Mose 12:3) geht auf den mit Abraham geschlossenen Bund der Beschneidung zurück (1.Mose 17:9-14).

  Das eine Werk, auf das Jesus Bezug nahm, war die Heilung eines 38 Jahre hinfällig gewesenen Mannes am Teich Bethesda an einem Sabbat vor dem Passahfest des Jahres 30 n. Chr. (Joh.5:1-17). Damals schon wollten die Juden Jesus töten (Joh.5:18).

  »Richtet gerecht!« hatte Mose ihnen schon zugerufen (5.Mose 1:16). Sie machten es sich zu einfach, wenn sie einen Sachverhalt nach dem ersten äußeren Anschein beurteilten (vgl. Jes.11:3); gerechtes Urteilen bedarf der Erkenntnis der inneren Zusammenhänge und des Geistes der Weisheit von Gott.

  Die Wahrheit war zu allen Zeiten Anlass für Streit und Kampf, besonders für solche, die sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnten. Jene haben ein sehr gutes Gewissen, wenn sie die Feinde ihrer Wahrheit töten. Auch heute wird die Wahrheit des Wortes Gottes bekämpft und unterdrückt oder verwässert, sodass die Gläubigen nur durch die tägliche Ernährung mit den Worten des Glaubens und der köstlichen Lehre des Apostels Paulus die Wahrheit finden und bewahren können (1.Tim.4:6).

 

Jesus ist mit Gott vertraut

 

  »Einige der Jerusalemiten sagten nun: Ist das nicht der, den sie zu töten suchen? Und siehe, Er spricht öffentlich, und man sagt Ihm nichts! Die Oberen haben doch nicht etwa wahrhaftig erkannt, dass dieser der Christus ist? Jedoch von diesem wissen wir, woher Er ist; wenn aber der Christus kommt, ist niemandem von Ihm bekannt, woher Er ist.

  Daher rief Jesus in der Weihestätte, wo Er lehrte, laut aus: Mit Mir seid ihr vertraut und wisst, woher Ich bin. Doch nicht von Mir Selbst aus bin Ich gekommen, sondern Er ist wahrhaft, der Mich gesandt hat, mit dem ihr nicht vertraut seid. Ich aber bin mit Ihm vertraut, weil Ich von Ihm bin und derselbe Mich ausgesandt hat. - Nun suchten sie Ihn festzunehmen, doch niemand legte die Hand an Ihn, weil Seine Stunde noch nicht gekommen war« (Verse 25-30).

  Da der Herr wusste, dass die Stunde Seiner Tötung noch nicht gekommen war, konnte Er es wagen, in der Weihestätte, der Hochburg Seiner Feinde, aufzutreten.

  Dem Volk war nicht bekannt oder nicht klar, dass Jesus nur nach dem Gesetz der Sohn Josephs war (Mark.6:3; Luk.3:23) und dass Er aus Gott gezeugt worden war (Luk.1:35; Mat.1:20; Joh.1:14). Da Gott Jesu Vater ist und Gottes Geist in Jesus ist, ist Er mit Gott vertraut. Die Juden aber glaubten weder dem Vater noch dem Sohn und waren daher nicht mit Ihnen vertraut (Joh.8:19). Deshalb belehrte der Herr sie und legte ihnen dar, wer Ihn gesandt hatte und mit wem Er vertraut ist.

  Darüber waren sie so aufgebracht, dass sie Ihn ergreifen und binden wollten. Der alles bewirkende Gott aber (Eph.1:11) bewirkte auch, dass ihnen der letzte Antrieb fehlte und es nicht dazu kam.

  Vers 29 lässt sich übrigens auch wie folgt übersetzen; »Ich aber bin mit Ihm vertraut, weil Ich [innerlich] bei Ihm bin und derselbe Mich ausgesandt hat.«

 

Jesus wird alsbald zum Vater gehen

 

  Der Apostel Johannes berichtet weiter: »Viele aus der Volksmenge glaubten an Ihn und sagten: Wenn der Christus kommt, wird Er etwa mehr Zeichen tun, als dieser getan hat?« (Vers 31).

  Unter dem Volk machte sich eine gewisse Einsicht breit, und viele glaubten an Jesus als den Messias.

  »Als die Pharisäer dieses Murmeln der Volksmenge über Ihn hörten, schickten die Hohenpriester und Pharisäer ihre Gerichtsdiener, damit sie Ihn festnehmen sollten. Daher sagte Jesus: Nur noch kurze Zeit bin Ich bei euch, dann gehe Ich zu dem, der Mich gesandt hat. Ihr werdet Mich suchen und nicht finden; und dorthin, wo Ich bin, könnt ihr nicht kommen. - Die Juden fragten sich nun untereinander: Wohin will dieser demnächst gehen, dass wir Ihn nicht finden werden? Er hat doch nicht etwa vor, in die Zerstreuung zu den Griechen zu gehen, um die Griechen zu lehren? Welche Bedeutung hat dieses Wort, das Er gesagt hat: Ihr werdet Mich suchen und nicht finden; und dorthin, wo Ich bin, könnt ihr nicht kommen?« (Verse 32-36).

  Nein, Jesus wird nicht in die Diaspora zu den Griechen gehen. Er war ja nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt (Mat.15:24). Unter den Griechen sind hier ganz allgemein die fremden Nationen zu verstehen.

  Noch eine kurze Zeit wird der Herr unter den Juden weilen, nämlich noch sechs Monate bis zum Passahfest des Jahres 32 n. Chr., an welchem sie Ihn töten werden. Und alsbald nach Seiner Auferstehung wird Er gen Himmel fahren und beim Vater sein; dort können die Juden weder in diesem Äon noch während des tausendjährigen Königreichs hinkommen. Und besonders in der Zeit der Verwerfung Israels (Röm.11:15) wird es so sein, wie in Sprüche 1:28 geschrieben steht: »Dann rufen sie Mich, doch Ich antworte nicht; dann suchen sie Mich eifrig, doch sie finden Mich nicht. Weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht Jewes nicht erwählten, Meinen Rat nicht wollten und all meine Zurechtweisungen verschmähten.«

 

Kommt zu Mir und trinkt!

 

  »Am letzten tag, dem großen Tag des Festes, stand Jesus da und rief laut aus: Wenn jemand dürstet, komme er zu Mir und trinke! Wer an Mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. - Das sagte Er aber von dem Geist, den künftig die erhalten sollten, die an Ihn glauben; denn noch war heiliger Geist nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war« (Verse 37-39).

  Am achten Tag der Laubhütten fand eine heilige Festversammlung statt, um Jewe ein Feueropfer darzubringen, bestehend aus einem Stier, einem Widder und sieben einjährigen Schäflein mit den dazugehörigen Speis- und Trankopfern sowie aus einem Ziegenbock als Sündopfer (3.Mose 23:36; 4.Mose 29:35-38). Man sang auch das Gotteswort aus Jesaia 12:3: »Schöpfen werdet ihr Wasser mit Wonne aus den Quellen des Heils«.

  Der letzte Tag beendete den Zyklus der jährlichen Feste und war der geeignete Zeitpunkt, auf die Fülle des geistlichen Segens im Königreich hinzuweisen, welche dieser Tag vorschattete.

  So rief Jesus, das wahre Feueropfer und damit die entscheidende Darbringung zur Huldigung Gottes sowie das eigentliche Sündopfer laut aus: »Wenn jemand dürstet, komme er zu Mir und trinke!« Dieses Wort erinnert uns an Matthäus 5:6: »Glückselig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten; denn sie sollen gesättigt werden.«

  Jewe Elohim wird Seinen Geist auf Israel geben, wie Jesaia verhieß: »Gießen will Ich Wasser auf das Durstige und Fluten auf das Trockene. Gießen will Ich Meinen Geist auf deinen Samen und Meinen Segen auf deine Sprossen« (Jes.44:3). Diese Ströme heiligen Geistes kommen, wie unser Herr sagte, auf die Juden, die an Ihn glauben, und werden von diesen aus zu vielen anderen weiterfließen und jene zur Erkenntnis Jesu als des Messias und zum Glauben führen sowie ihnen zum umfassenden Segen sein. Und welch eine Freude für einen jeden Gläubigen, einem anderen Menschen zum Besten dienen zu dürfen!

  Nach der Verherrlichung Jesu durch Sein Sterben und Auferstehen, Seine Auffahrt zum Vater und Seine Erhöhung zur Rechten Gottes wurde der heilige Geist am Pfingstfest des Jahres 32 n. Chr., dem Fest der Erstlingsernte (3.Mose 23:15-22), auf die Erstlinge der Ernte der Apostel, etwa dreitausend Menschen, ausgegossen (Ap.2:38,41).

  Der Herr ist der Geist, der lebendig machende Geist (2.Kor.3:17)! Der heilige Geist ist Gottes Geist und mithin Gott Selbst, der Geist ist (Joh.4:24). Auf der Erde ist der heilige Geist die Präsenz Gottes. Gottes Geist wohnt auch in Christus und ist insofern Christi Geist (Röm.8:9,10). Voll heiligen Geistes gibt Jesus Christus den Seinen überfließendes Leben und Heil.

 

Verschiedene Meinungen über Jesus

 

  »Da sagten nun einige aus der Volksmenge, als sie diese Worte hörten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet! - Andere sagten: Dieser ist der Christus! - Wieder andere meinten: Nein, denn der Christus kommt nicht aus Galiläa. Sagt die Schrift nicht, dass der Christus aus dem Samen Davids und aus Bethlehem kommt, dem Dorf, wo David war? - Daher entstand um Seinetwillen eine Spaltung unter der Volksmenge. Einige von ihnen wollten Ihn festnehmen, niemand legte jedoch die Hand an Ihn« (Verse 40-44).

  Manche hatten erkannt, dass Jesus der von Mose angekündigte Prophet war (5.Mose 18:15; Ap.3:22). Allerdings muss der »Prophet wie Mose«, Jesus, das große Gegenbild des Mose, zunächst ebenso wie Sein Vorbild verworfen werden. Die Israeliten wollten Mose ja nicht gehorsam sein, sondern stießen ihn von sich und wandten sich in ihren Herzen nach Ägypten um (2.Mose 2:14; 32:23; Ap.7:35-40).

  Andere sahen Jesus nur als einen Galiläer an, woher der Christus nicht kommen können sollte. Sehr wohl war Nazareth Seine Vaterstadt und kam Er aus Galiläa (Mat.2:23; Joh.1:45). Dies aber berührt nicht die Tatsache, dass Er der verheißene Sohn Davids war und in Bethlehem geboren wurde. In Psalm 132:11 steht geschrieben: »Jewe hat dem David die Wahrheit geschworen; Er wird Sich nicht abwenden von ihr: Aus der Frucht deines Leibes werde Ich Einen auf deinen Thron setzen« (vgl. Jer.23:5). Und der Prophet Micha sagte: »Und du, Bethlehem Ephrata, zu gering, um unter den Tausendschaften von Juda befunden zu werden, aus dir wird Mir der hervorgehen, der Herrscher über Israel sein soll; und seine Hervorgehungen sind von der Vorzeit an, von den Tagen des Äons an« (Micha 5:1; vgl. 2.Sam.7:12,16; Jes.11:1,2).

  Viele der um Jesus Herumstehenden aber wussten nicht, dass Er aus Bethlehem stammte. So entstand nicht nur wegen Seiner Worte eine Spaltung unter der Volksmenge.

 

»Noch nie hat ein Mensch so gesprochen!«

 

  »Die Gerichtsdiener kamen nun zu den Hohenpriestern und Pharisäern zurück; jene aber fragten sie: Warum habt ihr Ihn nicht abgeführt? - Die Gerichtsdiener antworteten: Noch nie hat ein Mensch so gesprochen! - Da antworteten ihnen nun die Pharisäer: Habt etwa auch ihr euch irreführen lassen? Glaubt etwa jemand von den Oberen oder von den Pharisäern an Ihn? Nein, nur dieser Pöbel, der das Gesetz nicht kennt - verwünscht sind sie!« (Verse 45-49).

  Welch ein herrliches Zeugnis die Gerichtsdiener doch ablegen: »Noch nie hat ein Mensch so gesprochen!« Jesu Rede hatte sie zutiefst beeindruckt; die Göttlichkeit Seiner Worte hatte sie berührt. So war es auch nach Jesu Rede auf dem Berg geschehen: Die Scharen verwunderten sich über Seine Lehre, denn Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat und nicht wie ihre Schriftgelehrten (Mat.7:28,29).

  Die Oberen dagegen stellten sich ein entlarvendes Zeugnis aus, als sie sagten, dass das Volk das Gesetz nicht kenne; denn sie hatten es ihm doch zu lehren (Mat.23:2; 5.Mose 17:10,11; Mal.2:7). Außerdem zeugt es von Überheblichkeit und einer üblen Gesinnung, das Volk zu verachten und zu verwünschen. - Wohl ist es richtig, dass die, die das Gesetz nicht beachten, verflucht sind (5.Mose 28:15); es fragt sich nur, wer hier nicht erkannt hatte, was das Gesetz und die Propheten von Christus sprechen (Joh.5:39; Röm.10:4) und dass Jesus das Wort Gottes in Person ist (Joh.1:1;14; 1.Joh.1:1).

 

Der Einwand des Nikodemus

 

  »Einer von ihnen, Nikodemus, der zuvor zu Ihm gekommen war, sagte zu ihnen: Richtet etwa unser Gesetz einen Menschen, es sei denn, man hätte zuerst von ihm selbst gehört und erkannt, was er getan hat? - Sie antworteten ihm: Bist du etwa auch aus Galiläa? Forsche doch nach und sieh, dass sich aus Galiläa kein Prophet erhebt« (Verse 50-52).

  Der Pharisäer Nikodemus war einmal in der Nacht - sicherlich damit ihn niemand erkenne - zu Jesus gekommen (Joh.3:1-12). Nun aber wagte er es und trat, wenn auch mit einer neutralen Formulierung, für Jesus ein. Erst später, bei der Grablegung Jesu, wird er sich öffentlich zu dem Herrn bekennen (Joh.19:39).

 

Die Ehebrecherin

 

  [»Dann gingen sie fort, ein jeder in sein Haus; Jesus aber ging auf den Ölberg.

  Frühmorgens jedoch kam Er wieder in die Weihestätte, und das gesamte Volk trat zu Ihm; dann setzte Er Sich und lehrte es. Da führten die Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau herbei, die man beim Ehebruch ergriffen hatte, stellten sie in die Mitte und sagten zu Ihm: Lehrer, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose gebietet uns im Gesetz, solche Frauen zu steinigen (3.Mose 20:10; 5.Mose 22:22). Was sagst Du nun dazu? - Dies aber sagten sie, Ihn versuchend, damit sie einen Grund hätten, Ihn zu verklagen.

  Da bückte Jesus Sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie aber fortfuhren, Ihn zu fragen, richtete Er Sich auf und sagte zu ihnen: Wer unter euch sündlos ist, werfe zuerst einen Stein auf sie! - Und Er bückte Sich wiederum nieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem anderen, angefangen bei den Ältesten bis zu den Letzten.

  Und Jesus wurde mit der Frau, die in der Mitte war, allein zurückgelassen. Da richtete Jesus Sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie? Verurteilt dich keiner? - Sie antwortete: Keiner, Herr! - Darauf erwiderte Jesus: Auch Ich verurteile dich nicht; gehe hin, sündige von nun an nicht mehr!«] (Joh.7:53-8-11).

  Die Verse Johannes 7:53 bis 8:11 gehören nicht zum biblischen Grundtext. Sie sind weder in einem Papyrus noch in den Kodizes Sinaiticus, Vaticanus und Alexandrinus zu finden. Beim Letzteren fehlen zwar die zwei Blätter mit dem Schriftabschnitt Johannes 6:50 bis 8:52, aber die Zählung der Zeilen zeigt, dass die Verse auch in diesem Kodex nicht enthalten sind. Sie tauchen erst in späteren Handschriften und dann auch noch an verschiedenen Stellen auf, und zwar nach Markus 12:17, nach Lukas 21:38 und nach Johannes 7:36, 7:44, 7:52 und 21:25.

  Aufgrund des anderen Erzählstils sieht kaum jemand den Apostel Johannes als den Verfasser an. Dass Johannes das Wort »Schriftgelehrte« (Joh.8:3) nie gebraucht, mag ebenfalls - wenn auch nicht zwingend - darauf hinweisen, dass der Text nicht von dem Apostel stammt.

  Im Übrigen würden die Hohenpriester und Pharisäer nach alldem, was in Kapitel sieben geschehen ist, den Herrn auf keinen Fall jetzt noch als »Lehrer« (Joh.8:4) anreden; sie brauchen auch keinen Anklagegrund mehr zu suchen (Joh.8:6), nachdem Jesus Sein Vertrautsein mit Gott so deutlich zum Ausdruck gebracht hatte (Joh.7:16-18, 28+29, 33+34, 37+38), was sie als Gotteslästerung empfanden.

  Für den Fall, dass sich jemand trotz alldem mit dem Text befassen will, sei Folgendes kurz erläutert:

  Als Jesus mit dem Finger auf die Erde schrieb, handelte Er nach Jeremia 17:13: »Die von Mir abweichen, werden auf die Erde geschrieben werden, denn sie haben Jewe, die Quelle des lebendigen Wassers, verlassen.« Die Namen der auf die Erde Geschriebenen werden schnell vom Wind verweht und aus der Rolle des Lebens getilgt (Ps.69:29). Die von Jewe Abweichenden waren insbesondere die Schriftgelehrten und Ältesten, denen es gar nicht um das Gesetz ging, sondern nur um die heimtückische Versuchung Jesu.

  Da Jesus gekommen war, um dem Volk Israel Gnade zu bringen (Joh.1:14,17; Luk.4:19), konnte Er es bei der Ermahnung der Ehebrecherin belassen. Sollte sie allerdings nach dieser Gnadenerweisung wieder sündigen, würde es keine Vergebung mehr für sie geben (Heb.10:26; 2.Pet.2:20).

  Lobpreis und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, dass wir, die wir der Lehre des Apostels Paulus übergeben sind (Röm.6:17), ein für allemal in Christi Blut gerechtfertigt sind - weit weg von allen Sünden (Röm.3:24,28; 5:9,20)!

  Möge diese überströmende Gnade uns erziehen, nunmehr alle Untugenden abzulegen (Tit.2:12)!

 

 

»Ich bin das Licht der Welt!«

(Johannes 8:12-59)

 

  »Dann sprach Jesus wieder zu ihnen: Ich bin das Licht der Welt: Wer Mir folgt, wird keinesfalls in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des Lebens haben« (Vers 12).

  Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist der eine und einzige, der der Welt das Licht der Erkenntnis der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe, ja Gottes bringt. Keinerlei Finsternis ist in Ihm, keine Unkenntnis, keine Verfehlung, kein Irrtum. Die Menschheit dagegen wandelt in der Finsternis, in Blindheit, in Unwissenheit, in Sünde. Einen klaren Begriff von Licht und Finsternis geben uns die Verse Johannes 3:19 bis 21: »Dies ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist; doch die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, weil ihre Werke böse waren. Denn jeder, der Schlechtes verübt, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht entlarvt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit seine Werke offenbar werden, da sie in Gott gewirkt sind.«

  Angesichts Jesu Christi, des Lichtes, gilt es, an Ihn zu glauben und Ihm zu folgen. Wer Ihm gehorcht, wird keinesfalls in der Finsternis wandeln. Jesus sagte an anderer Stelle: »Wenn ihr das Licht habt, so glaubt an das Licht, damit ihr Söhne des Lichts werdet!«; und: »Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit keiner, der an Mich glaubt, in der Finsternis bleibe« (Joh.12:36,46).

  Dies hat dann ganz praktische Auswirkungen: Wer im Licht wandelt, liebt seine Mitmenschen; die in der Finsternis hassen sie (1.Joh.2:10,11). Wer im Licht wandelt, in Jesus, hat Gemeinschaft mit Ihm, der zugleich das Leben ist (Joh.14:6), ebenso wie die Gläubigen im Licht Gemeinschaft untereinander haben (1.Joh.1:6,7).

  Der Herr Jesus Christus ist das Licht des Lebens. Ein Wandel in ihm führt zu einem erfüllten Leben, ja zum äonischen Leben. »Wer den Sohn hat, der hat das Leben«, und zwar das »äonische Leben«, das in Ihm ist (1.Joh.5:11,12), und wird in den zwei zukünftigen Äonen leben.

  

Jesu Selbstzeugnis

 

  »Da sagten nun die Pharisäer zu Ihm: Du legst über Dich Selbst Zeugnis ab; Dein Zeugnis ist nicht wahr!« (Vers 13).

  Statt Jesus in Seiner bei den anderen Menschen nicht zu findenden Heiligkeit, Gerechtigkeit, Selbstlosigkeit und Liebe als den Gesandten Gottes und Messias anzuerkennen, nutzen die Pharisäer jede sich bietende Gelegenheit, Ihm etwas vorzuwerfen.

  »Da antwortete ihnen Jesus: Auch wenn Ich über Mich Selbst Zeugnis ablege, ist Mein Zeugnis wahr, weil Ich weiß, woher Ich gekommen bin und wohin Ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher Ich komme und wohin Ich gehe. Ihr richtet dem Fleisch gemäß, Ich nicht! Ich verurteile niemand. Doch auch wenn Ich richte, ist Mein Gericht wahrhaft; denn hierin bin Ich nicht allein, sondern Ich bin es und der Vater, der Mich gesandt hat. In eurem Gesetz aber ist geschrieben, dass das Zeugnis von zwei Menschen wahr ist (5.Mose 17:6; 19:15). Ich  bin es, der Ich über Mich Selbst Zeugnis ablege, und auch der Vater, der Mich gesandt hat, legt für Mich Zeugnis ab« (Verse 14-18).

  Der Vater und der Sohn sind nicht einer, sondern zwei (1.Kor.8:6; 1.Tim.2:5). Darin aber sind sie eins (Joh.10:30), dass sie in Ihrem Willen übereinstimmen und der Vater durch den Sohn handelt. Jesu Selbstzeugnis, dass Er das Licht von Gott für die Welt ist, ist wahr, da Er nicht allein ist.

  Die Menschen richten dem Fleisch, in diesem Zusammenhang dem äußeren Anschein nach (Joh.7:24). Die Pharisäer sahen nur den Menschen Jesus, nicht aber den Vater in Ihm. Traf doch auch für sie zu, was Jewe zu Samuel gesagt hatte: »Der Mensch sieht [auf das], was vor Augen ist, aber Jewe sieht in das Herz« (1.Sam.16:7).

  Jesus verurteilte niemand, da Er gekommen war, Seinem Volk Gnade zu erweisen und die Sünden zu erlassen (Joh.1:14,17; Luk.4:19). Eines Tages aber wird Er richten (Joh.5:27), und zwar alle Ungläubigen vor dem großen, weißen Thron (Off.20:11-15). Jetzt aber war Er unter den Menschen, nicht dass Er richte, sondern die Welt rette (Joh.3:17).

  Das Zeugnis des Vaters bestand darin, dass Er die Messianität Seines Sohnes durch die Zeichen und Wunder beglaubigte, wie auch darin, dass Er Ihn durch eine Stimme aus dem Himmel als Seinen geliebten Sohn bezeichnete (Mat.3:17; 17:5; 2.Pet.1:17).

 

Jesus ist mit dem Vater vertraut

 

  »Sie fragten Ihn nun: Wo ist Dein Vater? - Jesus antwortete: Weder mit Mir noch mit Meinem Vater seid ihr vertraut. Wenn ihr mit Mir vertraut wäret, würdet ihr auch mit Meinem Vater vertraut sein. - Diese Reden sprach Er in der Schatzkammer, als Er in der Weihestätte lehrte; doch niemand nahm Ihn fest, weil Seine Stunde noch nicht gekommen war« (Verse 19+20).

  Im Grunde hatten die Pharisäer längst verstanden, dass Jesus Gott Seinen Vater nannte (Joh.5:18); doch wollten sie Ihn mit der Frage, wo denn Sein Vater sei, auf die Ebene der Menschen herabziehen. Der Herr ignorierte das »Wo?« und antwortete im Sinne einer Frage nach dem »Wer?«, denn nur darum ging es, nämlich mit Seinem Vater vertraut zu werden, und zwar nur durch den Sohn.

  »Vertraut sein« ist eine Übersetzungsvariante für »wahrnehmen«. Hätten sie Jesus wirklich mit offenem Herzen wahrgenommen, hätten sie auch den Vater so tief wahrgenommen, dass sie mit Ihm vertraut geworden wären.

  Die Schatzkammer war der im Vorhof der Frauen gelegene Raum mit den Kästen für Geldspenden.

 

Jesus ist von oben her

 

  »Wieder sprach Er nun zu ihnen: Ich gehe hin, und ihr werdet Mich suchen und werdet in eurer Sünde sterben. Wohin Ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen. - Die Juden sagten daher: Er wird Sich doch nicht etwa Selbst töten wollen, weil Er sagt: Wohin Ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen? - Er erwiderte ihnen: Ihr seid von unten her. Ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, Ich bin nicht von dieser Welt. Ich habe euch daher gesagt, dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr Mir nicht glaubt, dass Ich es bin, werdet ihr in euren Sünden sterben« (Verse 21-24).

  Jesus wird auf einmal nicht mehr da sein. Die Juden werden Jesus suchen, Ihn nach Seiner Himmelfahrt aber nicht mehr finden, und da sie auch fernerhin trotz des Zeugnisses der Apostel in der Kraft heiligen Geistes nicht glauben werden, dass Jesus der Messias ist, werden sie in ihrer Sünde sterben. Ihre Sünde (Einzahl; Vers 21) ist, dass sie nicht an Ihn glauben (Joh.16:9); aus dieser Grundsünde erwachsen sodann ihre weiteren Sünden (Mehrzahl; Vers 24), in denen sie sterben werden.

  Das Wort Jesu: »Wenn ihr Mir nicht glaubt, dass Ich es bin« ist ein Anklang an Jesaia 43:10, wo es heißt: »... damit ihr versteht, dass Ich Er sei« oder: »... dass Ich es bin«, nämlich der Messias (vgl. Joh.13:19).

  Die Juden konnten nicht begreifen, dass Jesus von oben her ist, nicht von dieser Welt und mithin vom Vater und aus dem Himmel (Joh.3:31; 7:34; 17:16; 18:36).

 

Jesus spricht das vom Vater Gehörte

 

  »Sie fragten Ihn dann: Du, wer bist Du? - Jesus nun erwiderte ihnen: Ich bin durchaus das, was Ich auch zu euch rede. Viel habe Ich über euch zu reden und zu richten; jedoch, der Mich gesandt hat, ist wahr, und was Ich von Ihm gehört habe, das spreche Ich zur Welt. - Doch erkannten sie nicht, dass Er vom Vater zu ihnen sprach« (Verse 25-27).

  Der Sohn sucht nur seinen Vater zu verherrlichen; das, was der Vater will und spricht, nur das redet der Sohn (Joh.12:49; 15:15). Der Sohn bringt Gottes Wort und nicht Sein eigenes, ja Er ist das Wort Gottes und nicht das eigene.

  So wie der Vater wahr ist, so ist auch Jesus so, wie Er Sich kundtut. Und Sein Evangelium ist wahr, weil der, der Ihn gesandt hat, wahr ist (Joh.7:18,28; 8:40). Da aber die Juden mit dem Vater nicht vertraut waren, verstanden sie auch nicht, von wem Jesus die Worte gehört hatte, die Er sprach.

  Noch viel hatte Jesus richtend zu reden, ihr Fehlverhalten offen legend, wie Er dies zum Beispiel im weiteren Verlauf des in Kapitel acht aufgezeichneten Wortwechsels tat, nennt Er sie doch Sklaven der Sünde (Vers 34), Söhne des Satans (Vers 44), Ungläubige (Vers 45) und nicht aus Gott Seiende (Vers 47).

 

»Er lässt Mich nicht allein«

 

  »Jesus sagte nun zu ihnen: Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin und dass Ich nichts von Mir Selbst aus tue, sondern wie Mich Mein Vater gelehrt hat, so spreche Ich. Der Mich gesandt hat, ist mit Mir; Er lässt Mich nicht allein, weil Ich immer das Ihm Wohlgefällige tue. - Als Er dies sprach, glaubten viele an Ihn« (Verse 28-30).

  Der Herr erbarmte Sich der Unkenntnis der Juden und gab ihnen die Verheißung, dass sie dann, wenn sie Ihn an den Pfahl erhöhen werden, aufgrund der eindrücklichen Ereignisse der Kreuzigung und Auferstehung erkennen werden, dass Er der Christus ist und nur tat, was Sein Vater Ihn gelehrt hatte. Dann werden welche glauben. Sogar der römische Hauptmann, der die Hinrichtung überwachte, erkannte Jesus und sagte: »Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn« (Mat.27:54).

  Schon jetzt glaubten viele an Jesus als den Messias. Einige davon werden allerdings nicht in Seinen Worten bleiben, sondern das Wort vernachlässigen und sich davon wegziehen lassen und mithin abfallen, wie die übrigen Verse des Kapitels erkennen lassen.

  Der Vater ist mit Jesus und lässt Ihn nicht allein. Dies betonte Er auch gegenüber Philippus am Tag vor Seiner Kreuzigung (Joh.13:1): »Glaubst du nicht, dass Ich im Vater bin und der Vater in Mir ist? Die Worte, die Ich zu euch spreche, spreche Ich nicht von Mir Selbst aus, sondern der Vater, der in Mir bleibt, Er tut Seine Werke« (Joh.14:10). Der Vater ist und bleibt durch Seinen Geist in Seinem Sohn. Er war auch am Kreuz in Ihm, als Er Ihn verließ, indem Er Ihn dahingab und den Menschen und Finsternismächten preisgab (2.Kor.5:19). 

 

Wahre Freiheit

 

  »Jesus sagte daher zu den Juden, die Ihm glaubten: Wenn ihr in Meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaftig Meine Jünger. Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. - Da antworteten sie Ihm: Wir sind Abrahams Same und waren niemals jemandem versklavt; wieso sagst Du: Ihr sollt frei werden?« (Verse 31-33).

  Betrübt nehmen wir zur Kenntnis, dass sogar die dem Herrn Glaubenden kein geistliches Verständnis hatten und rein irdisch an eine Befreiung aus Sklaverei dachten. Die Besetzung durch die Römer empfanden sie nicht als Versklavung. Ihre Antwort bezogen sie auf ihr persönliches Leben, in welchem sie niemals jemandem versklavt waren, zumal das Gesetz des Mose es verbot, Volksgenossen zu Sklaven zu nehmen (3.Mose 25:42). Die früheren Versklavungen in Ägypten, Assur und Babylon (5.Mose 5:6; Jes.26:13; Neh.9:36,37) waren nicht berührt, da Jesus von einem gegenwärtigen Freiwerden sprach.

  Für einen wahren Jünger, wörtlich: Lernenden, ist es unerlässlich, in Jesu Wort zu bleiben. Der Apostel Johannes ermahnt die Gläubigen in seinem ersten Brief ebenfalls dazu: »Was ihr von Anfang an gehört habt, muss auch in euch bleiben. Wenn das in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben« (2:24; s. a. 1:6; 2:17,28; 3:6,24; 4:16).

  Das Wort, in welchen sie bleiben sollen, ist Wahrheit (Joh.17:17; s. a. 7:18; 8:14; 2.Joh.4). »Wer in der Wahrheit bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn« (2.Joh.9). Man muss an der Quelle bleiben, am Wort der Wahrheit, ja an Jesus Christus Selbst.

  Die Wahrheit des lebendigen und wirksamen Wortes wird die Gläubigen frei machen, frei von der Gesinnung der Finsternis, frei von Sünden, frei von allem, was uns in diesem bösen Äon fesseln oder niederdrücken will. Die Erkenntnis der Wahrheit gibt den Gläubigen Licht in den Dunkelheiten dieser Welt, Festigkeit und Zuversicht.

 

Ein Sklave bleibt nicht für den Äon

 

  »Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Jeder, der Sünde tut, ist ein Sklave der Sünde. Der Sklave aber bleibt nicht für den Äon im Haus, jedoch der Sohn bleibt für den Äon. Folglich, wenn euch der Sohn davon frei macht, werdet ihr wirklich frei sein« (Verse 34-36).

  Die Gläubigen hätten sich an Sprüche 5:22 erinnern sollen: »Seine eigenen Verfehlungen verfangen ihn, den Frevler, und von den Verstrickungen seiner Verfehlung wird er umfangen.«

  Im kommenden Königreichsäon haben Sklaven der Sünde keinen Platz; nur die durch den Sohn von der Sünde Befreiten werden in jenem Äon leben.

  So ist es nur konsequent, was in 1.Johannes 3:5,6 geschrieben steht: »In Ihm ist keine Sünde. Jeder, der in Ihm bleibt, sündigt nicht [Anmerkung: absichtlich].«

  Jesus fuhr fort: »Ich weiß, dass ihr Abrahams Same seid, jedoch sucht ihr Mich zu töten, weil mein Wort in euch keinen Raum gewinnt. Was Ich bei Meinem Vater gesehen habe, das spreche Ich; folglich tut auch ihr, was ihr von eurem Vater gehört habt« (Verse 37+38).

  Söhne hören auf ihre Väter. Wer nun war der Vater der Juden? Abraham, Gott oder der Satan (Vers 44)? Auf jeden Fall waren solche, die Jesus zu töten suchten, keine Nachkommen Abrahams im eigentlichen Sinne, geistlicherweise.

 

Sind sie Kinder Abrahams?

 

  »Da antworteten sie Ihm: Unser Vater ist Abraham! - Jesus erwiderte ihnen: Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, tätet ihr auch die Werke Abrahams. Nun aber sucht ihr Mich zu töten, einen Mann, der Ich zu euch die Wahrheit gesprochen habe, die Ich von Gott höre; das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters« (Verse 39-41a).

  Abraham war also nicht ihr Vater; auf ihn konnten sie sich nicht berufen. Ihre Werke waren andere, mithin musste auch ihr Vater ein anderer sein.

 

Sind sie Kinder Gottes?

 

  »Sie entgegneten Ihm: Wir wurden nicht in Hurerei gezeugt; wir haben einen einzigen Vater, Gott! - Darauf sagte nun Jesus zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr Mich lieben, weil Ich von Gott ausgegangen bin und von Ihm hier eingetroffen bin; denn nicht von Mir Selbst bin Ich gekommen, sondern Er hat Mich ausgesandt. Warum erkennt ihr Meine Sprache nicht? Weil ihr Mein Wort nicht hören könnt!« (Verse 41b-43).

  Nein, illegitime Kinder waren sie nicht. Aber wessen Kinder denn? - Jetzt beriefen sie sich auf Gott. Gewissermaßen zu Recht, denn es steht geschrieben: »Du bist unser Vater ... Du, Jewe« (Jes.63:16; vgl. 5.Mose 32:6; Mal.2:10). Wenn aber Gott ihr Vater wäre, würden sie Seinen Sohn lieben. Familienangehörige lieben einander. Jeder, der den Vater liebt, der liebt auch den, der aus Ihm gezeugt ist, den Sohn (1.Joh.5:1). Nun aber, da sie Jesus nicht liebten, war offensichtlich, dass Gott nicht ihr Vater war.

  Warum erkannten sie Jesu Sprache nicht? Weil sie gar nicht in der Lage waren, Sein Wort zu hören und aufzunehmen, wie Jeremia bereits sagte: »Siehe, ihr Ohr ist unbeschnitten, daher können sie nicht aufmerken« (Jer.6:10). Sie waren nicht aus Gott und deshalb nicht imstande zu hören (Joh.8:47). Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott; sie kann sich Ihm nicht unterordnen (Röm.8:7). »Der seelische Mensch nimmt nichts von den Tiefen Gottes an; denn sie sind ihm Torheit. Und er kann sie nicht erkennen, da sie nur geistlich erforscht werden können« (1.Kor.2:14).

 

Der Satan ist ihr Vater!

 

  Nach all den vorangegangenen Erörterungen konnte der Herr nun unwiderleglich sagen: »Ihr seid von dem Vater, dem Widerwirker, und wollt nach den Begierden eures Vaters handeln. Derselbe war ein Menschentöter von Anfang an und hat nicht in der Wahrheit gestanden, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er Lügen redet, dann spricht er aus dem, was ihm eigen ist; denn er ist ein Lügner und der Vater derselben« (Vers 44).

  Der Satan war ihr Vater! Sie wollten Jesus töten, weil ihr Vater ein Menschentöter ist, zudem ein Lügner, weshalb sie kein Gehör für Jesu Worte der Wahrheit hatten. Wer sündigt, ist aus dem Satan (1.Joh.3:8); wer lügt, aus dem Vater der Lüge.

 

Der Anfang Satans

 

  Unser Herr Jesus Christus offenbarte bei dieser Gelegenheit auch Grundlegendes über den Satan: Der ist ein Menschentöter von Anfang an, von seiner Erschaffung an. In 1.Johannes 3:8 ist zu lesen: »Der Satan sündigt von Anfang an.«

  Leider meinen manche Gläubigen, Satan sei gefallen. Wie aber kann man Gott glauben, was nicht geschrieben steht? Zur Begründung wird auf den Fürsten zu Tyrus verwiesen (Hes.28:1-19) und auf den König von Babel (Jes.14:4-27). Sie seien Gleichnisse auf den Satan. Das kann aber nicht sein, da sich aufgrund der Fakten über Satan kein Gleichnis bilden lässt.

 

Jesaia 14

 

  Der König von Babel überhob sich, da er zu den Himmeln aufsteigen wollte (13,14). - Satan aber ist im Himmel (Hiob 1:6; Off.12:7).

  Der König fiel vom Himmel (12). - Der Satan wird erst in der Mitte des letzten Jahrsiebeners aus dem Himmel geworfen (Off.12:9).

  Der Regent von Babel ist tot (11). - Auf die Idee, dass der Satan tot sei, ist bisher noch niemand gekommen.

 

Hesekiel 28

 

  Der Fürst zu Tyrus herrschte nur über das Gebiet um diese phönizische Inselstadt an der palästinischen Küste (2). - Der Satan herrscht über die ganze Erde (Luk.4:5,6; Eph.2:2).

  Der Fürst war ein Mensch (9). - Der Satan ist ein geistlicher Fürst inmitten der Überhimmlischen (Eph.2:2; 6:12). Lässt sich von Menschen auf Geister schließen?

  Unter einem glänzenden, schirmenden Cherub entfaltete sich der Reichtum des Fürsten (12-14), dessen Hauptstadt geographisch gesehen in Gottes heiligem Bergland Israel lag (14). Die Pracht und Herrlichkeit von Tyrus war allseits bekannt. Der Fürst war anfangs makellos (12-15). - Der Satan dagegen sündigte von Anfang an.

  Der Fürst zu Tyrus überhob sich (2-6). - Im Satan ist weder Wahrheit noch Weisheit (1.Kor.2:6-8); wie sollte er da von der Wahrheit und Weisheit abrücken und sich überheben können? Er ist und bleibt, was er war: der Widerwirker Gottes. Selbst wenn er sich etwas vorlügen würde, überhöbe er sich nicht, weil er nur das denken und sprechen kann, was ihm eigen ist.

  Der phönizische Fürst ist tot. Alle Welt war erschüttert, als er starb (18,19). »Nichts bist du für den Äon« (19). - Der Satan dagegen spielt noch seine große Rolle als der Gott dieses Äons (2.Kor.4:4).

 

Satan musste sein

 

  Die Erschaffung des Satans erfolgte nach Gottes Vorsatz für den Ablauf der Äonen, den Er in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat (Eph.3:11). Nach den Äonen, bei der Vollendung wird auch er mit Gott ausgesöhnt sein (Kol.1:16-20). Erst auf dem dunklen Hintergrund von Sünde und Tod vermögen wir Menschen Gott völlig kennenzulernen, indem wir erfassen, was Christus für uns getan hat, was nicht möglich gewesen wäre, wenn wir als Unschuldige im Paradies leben würden. Näheres siehe: A. E. Knoch: »Das Böse - Ursprung, Zweck und Ziel im Vorsatz Gottes«; Konkordanter Verlag Pforzheim; ISBN 3-88475-012-7.

 

»Ihr seid nicht aus Gott!«

 

  Der Herr setzte Seine Rede fort: »Weil Ich euch aber die Wahrheit sage, glaubt ihr Mir nicht. Wer von euch kann Mich einer Sünde überführen? Wenn Ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr Mir nicht? Wer aus Gott ist, der hört die Worte Gottes. Ihr hört deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid!« (Verse 45-47).

  Die Juden hatten sich auf den sündlosen Gott berufen, hielten sich aber nicht an das Wort Seines sündlosen Sohnes und glaubten Ihm nicht, was Er über die Befreiung aus der Sklaverei der Sünde gesagt hatte (Verse 31-36), weil sie als Kinder des Satans die Wahrheit nicht liebten (Joh.3:19-21).

  »Ihr seid nicht aus Gott!« (Siehe hierzu das zu Vers 43 Ausgeführte.) - Eine schonungslose Diagnose! So steht es in Wahrheit mit den Menschen! Jesu Zuhörer - dies waren wohl überwiegend solche, die Ihm glaubten (Vers 31) - waren empört.

 

Tot für den Äon

 

  »Da antworteten Ihm die Juden: Sagen wir nicht trefflich, dass Du ein Samariter bist und einen Dämon hast? - Jesus antwortete: Ich habe keinen Dämon, sondern Ich ehre Meinen Vater, doch ihr verunehrt Mich. Ich suche nicht Meine Verherrlichung. Es gibt Einen, der sie sucht, und Er richtet. Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wenn jemand Mein Wort bewahrt, wird er keinesfalls für den Äon den Tod schauen« (Verse 48-51).

  Wer in Jesu Worten bleibt, wird für den Äon des tausendjährigen Königreich Israels leben. Wer den Sohn hat, hat das äonische Leben (1.Joh.5:11,12).

  Jesus suchte nicht Seine Verherrlichung (Joh.7:18). Sein Vater aber will, dass die Juden Seinen Sohn verherrlichen; und Er wird richten und feststellen, wer dies tut.

 

Jesus ist größer als Abraham

 

  »Die Juden entgegneten Ihm: Nun haben wir erkannt, dass Du einen Dämon hast. Abraham starb und auch die Propheten, und Du sagst: Wenn jemand Mein Wort bewahrt, wird er keinesfalls für den Äon den Tod schmecken. - Bist Du etwa größer als unser Vater Abraham, der doch starb? Und ebenso starben die Propheten. Wen machst Du aus Dir?« (Verse 52+53).

  Jesus ist größer als Abraham und alle Propheten. Er ist kein gewöhnlicher Mensch, der nun einmal stirbt und dann tot ist, denn Er hat den lebendig machenden Geist Gottes in Sich (Joh.6:63), Er ist der heilig gezeugte Sohn Gottes (Luk.1:35). Er kann den Gläubigen das äonische Leben garantieren.

 

Abraham gewahrte den Tag Christi

 

  »Jesus antwortete: Wenn Ich Mich Selbst verherrliche, so ist Meine Herrlichkeit nichts; es ist Mein Vater, der Mich verherrlicht, von dem ihr sagt, dass Er euer Gott ist. Doch ihr habt Ihn nicht erkannt. Ich aber bin mit Ihm vertraut; und wenn Ich sagen würde, dass Ich nicht mit Ihm vertraut sei, würde Ich euch gleich sein, nämlich ein Lügner. Ich bin jedoch mit Ihm vertraut, und Ich bewahre Sein Wort. Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er Meinen Tag gewahren sollte, und er gewahrte ihn und freute sich« (Verse 54-56).

  Abraham ist durchaus der Vater der Juden, aber auch des nach dem Fleisch gezeugten Ismael (Gal.4:23). Eigentlich hätten sie erkennen müssen, dass sie nur dann wahre Kinder Abrahams sein konnten, wenn sie wie er geglaubt hätten. Abraham ist der Vater der Gläubigen (Röm.4). Die ungläubigen Juden hätte er hinausgetrieben ebenso wie die Hagar und ihren Sohn (1.Mose 21:10; Gal.4:30).

  Wenn nun die Juden den Herrn auch nicht erkannten, Ihm nicht glaubten und Ihn mithin nicht ehrten, so wird der Vater Ihn gleichwohl verherrlichen (Joh.13:32; 17:5). Abraham sah Jesus in Seiner königlichen Herrlichkeit am Tag Christi. Er wusste von dem einen Samen, welcher der Christus ist (1.Mose 22:18; Gal.3:16). Er hatte die Verheißung von Weitem gewahrt und freudig begrüßt (Heb.11:13).

 

»Ehe Abraham wurde, bin Ich«

 

  »Da sagten die Juden zu Ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und willst Abraham gesehen haben? - Jesus entgegnete ihnen: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ehe Abraham geboren wurde, war Ich. - Nun hoben sie Steine auf, um damit auf Ihn zu werfen. Jesus aber verbarg Sich und entkam aus der Weihestätte. Er schritt mitten durch sie hindurch und entging ihnen so« (Verse 57-59).

  Mit dieser Behauptung: »Ehe Abraham wurde, bin Ich« machte Sich Jesus in den Augen der Juden zu Gottes Sohn. Das war Gotteslästerung. Jesus war zu steinigen. - Hätten sie Ihm doch geglaubt!

  Uns erinnern Jesu Worte an den Prolog des Berichts des Johannes: »Zu Anfang war das Wort, und das Wort war zu Gott hingewandt, und wie Gott war das Wort. Dieses war zu Anfang zu Gott hingewandt. Alles ist durch dasselbe geworden [auch Abraham], und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist« (Joh.1:1-3; vgl. Micha 5:1; Sprüche 8:22-31).

  Des Weiteren denken wir an Kolosser 1:15,16: »Er ist das Abbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor einer jeden Schöpfung. Denn in Ihm ist das All erschaffen: das in den Himmeln und das auf der Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare [auch Abraham].«

  Die Juden konnten nicht verstehen, wie ein so Herrlicher Sich so tief erniedrigen und die Gestalt eines Sklaven annehmen konnte (Phil.2:6-8). - Wie gesegnet sind wir doch, dass wir in Jesus den Christus erkennen durften! Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei Seinem Gott und Vater dafür!

 

Die Heilung des Blindgeborenen

(Johannes 9)

 

  Der Apostel Johannes berichtet in Kapitel neun von einem Ereignis, das sich nach dem Laubhüttenfest im Herbst des Jahres 31 n. Chr. in Jerusalem zutrug.

  Vor Kurzem hatte der Herr Jesus Christus gesagt: »Ich bin das Licht der Welt« (Joh.8:12). Nun zeigte Er, dass Er dies nicht nur im geistlichen Sinne ist, damit man nämlich zur Erkenntnis der Wahrheit und Gottes Selbst komme und Ihm wohlgefällig wandle, sondern auch in Bezug auf die stoffliche Welt.

 

»Wer hat gesündigt?«

 

  »Im Vorübergehen gewahrte Er einen Mann, der von Geburt an blind war. Da fragten Ihn Seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde? - Jesus antwortete: Weder dieser noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes sollte an ihm offenbart werden. Ich muss die Werke dessen wirken, der Mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. Solange Ich in der Welt bin, bin Ich das Licht der Welt« (Verse 1-5).

  Bei der Frage, wer gesündigt habe, dachten die Jünger nicht an eine gewöhnliche, versehentliche Sünde, sondern an eine vorsätzliche, die speziell dazu geführt habe, dass der Mann blind geboren wurde. Der Gedanke, dass eine solche Sünde der Eltern vorgelegen haben könnte, wird durch 2.Mose 20:5,6 genährt; dort heißt es: »Ich, Jewe, dein Elohim, bin ein eifernder El, der Ich die Verworfenheit der Väter an den Söhnen bis auf die dritte und vierte Generation an denen heimsuche [Mir auf ein Gericht hin prüfend vorsetze], die Mich hassen, doch Huld erweise an tausenden, an denen, die Mich lieben und meine Gebote halten« (vgl. 2.Mose 34:6,7). Im Übrigen gab es im Judentum die Vorstellung, dass vielleicht auch der Heranwachsende im Mutterleib gesündigt haben müsse.

  Die Jünger hätten aber überhaupt eine direkte Verbindung zwischen einer Sünde und einer Erkrankung gar nicht herstellen dürfen (zumal das oben zitierte Wort aus dem 2.Buch Mose sich eher auf das Ergehen der Nation bezieht als auf das eines Einzelnen), kannten sie doch die Geschichte Hiobs, eines gerechten Mannes, den Gott in Leiden hineinführte (Hiob 1:8), damit er lerne, dass Gott in Seiner Souveränität tun kann, was Er will (Hiob 42:1-6). Und ist nicht bei Mose zu lesen: »Jewe sagte zu ihm [Mose]: Wer schuf den Mund für den Menschen, oder wer erschuf ihn stumm oder taub oder klaräugig oder blind? Bin Ich es nicht, Jewe?« (2.Mose 4:11)?

  Schon diese biblischen Belege richten unseren Blick von den Menschen und ihren Sünden weg und zu Gott hin. Ebenso ging auch Jesus mit keinem Wort auf die Frage nach irgendeiner Sünde ein, sondern lenkte die Gedanken Seiner Jünger in die einzig richtige Richtung: auf das Wirken Gottes. Um Seinetwillen ist das All (Heb.2:10). Um Seinetwillen war der Mann blind geboren worden. Und damit berühren wir den Sinn der gesamten Menschheitsgeschichte: Das Wirken Gottes soll offenbar werden, Er Selbst soll bekannt werden. Wir kommen erst dann zur vollen Erfüllung unseres Menschseins, wenn wir den uns liebenden Vater völlig erkannt haben.

  Dazu gehört zu wissen, dass Er alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11).

  Dazu gehört auch zu erkennen, dass Sünde und Krankheit und überhaupt alles Böse und Üble sein müssen, und zwar

a)    um Gottes willen

Gottes Liebe zu Seinen Geschöpfen wird in der Dahingabe Seines Sohnes für Sünder und Feinde sichtbar. Diese Liebe wird dereinst alle an Sein Herz ziehen. Gottes Gerechtigkeit wird daran erkennbar, dass Er die Sünde verurteilte, und zwar nach Seiner Weisheit im Fleisch Seines Sohnes (Röm.8:3). Gottes Allmacht wird deutlich, da Er die Toten lebendig macht.

b)    um Christi willen

Er soll nicht nur Lobpreis und Anbetung erhalten als der mächtige Repräsentant Gottes. Ihm soll gehuldigt werden als dem, dessen Gehorsam, Selbstlosigkeit und Liebe alles übertraf, was irgendein Wesen bisher kannte. Jesus Christus wird den erhabensten Platz über jedem Geschöpf einnehmen, nicht nur wegen Seines Ranges, sondern auch wegen Seines Gehorsams. Gott hatte die Absicht, Ihn überaus hoch zu erhöhen, und hat Ihn deshalb in die Tiefe des Leidens und des Todes geführt. Weil Christus dies ertrug, gab Gott Ihm den Namen, der über allen Namen ist. Weil Er Sich so tief erniedrigt hatte, wird jedes Geschöpf freudig anerkennen, dass Er aller Ehre würdig ist.

c)    um Satans willen

Der Satan wird sich seiner absoluten Verwerflichkeit bewusst werden, die darin bestand, dass er Christus umbrachte. Im Kreuzesgeschehen wurde seine abgrundtiefe Verderbtheit öffentlich zur Schau gestellt (Kol.2:15).

d)    um des Menschen willen

Nur wer Sünder war, ist voller Dank für die Rettung. Nur wer ein Feind Gottes war, verherrlicht Gott für die Versöhnung und den Frieden mit Gott. Nur wer tot war, weiß das unvergängliche Leben zu schätzen.

  Gott führt alles entsprechend dem Vorsatz für den Ablauf der Äonen, den Er in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat, durch (Eph.3:11).

  Jesus wirkte mithin an dem Blinden, damit das Wirken Gottes zu dessen Verherrlichung offenbar werde. Übrigens drückte Sich der Herr angesichts der Erkrankung des Lazarus in gleicher Weise aus: »Diese Schwachheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde« (Joh.11:4). Im Grunde wirkte Er nicht Seine eigenen Werke, sondern die Seines Vaters. Sogar Jesu Worte waren die Seines Vaters, wie Er dem Philippus entgegnete: »Glaubst du nicht, dass Ich im Vater bin und der Vater in Mir ist? Die Worte, die Ich zu euch spreche, spreche Ich nicht von Mir Selbst aus, sondern der Vater, der in Mir bleibt, Er tut Seine Werke« (Joh.14:10). Seinen Jüngern hatte Er am Jakobsbrunnen gesagt: »Meine Speise ist die, dass Ich den Willen dessen tue, der Mich gesandt hat, und Sein Werk vollende« (Joh.4:34). Und bei der Heilung des hinfälligen Mannes am Teich Bethesda hatte Er geäußert: »Der Sohn kann nichts von Sich Selbst aus tun, außer dem, was Er den Vater tun sieht; denn was auch immer derselbe tut, das tut gleicherweise auch der Sohn« (Joh.5:19). Unser Herr Jesus Christus wirke also die Werke, die der Vater Ihm gegeben hatte (Joh.5:36).

  Dementsprechend wandeln wir in den guten Werken, die Gott für uns vorherbereitet hat (Eph.2:10). Und das wiedergezeugte Israel wird einst sagen: »Auch all unsere Werke wirktest Du uns« (Jes.26:12).

  Solange es Tag war, wirkte Jesus unter Israel. Der Tag ist die Zeit des Wirkens. In der Nacht, wohl des Todes, kann niemand wirken. Darum: »Alles, was deine Hand findet, in deiner Kraft zu tun, das tue; denn es gibt weder Tun noch Berechnen, weder Erkenntnis noch Weisheit im Scheol, wohin du gehst« (Pred.9:10).

  Solange der Herr aber auf der Erde war, war es Tag, war Er das Licht und gab Er den Menschen Licht. Er war das wahrhafte Licht, das, in die Welt gekommen, jeden Menschen erleuchtet (Joh.1:9).

 

Die Heilung des Blinden

 

  Wir lesen weiter (Verse 6+7): »Als Er dies gesagt hatte, spie Er auf den Boden, machte aus dem Speichel einen Erdbrei, salbte die Augen des Blinden mit Seinem Erdbrei und sagte zu ihm: »Geh hin, wasche dich im Teich Siloah (was mit »beauftragt« übersetzt wird). Er ging nun hin, wusch sich und kam sehend zurück.«

  Dies war das sechste von sieben Wundern und zugleich Zeichen im Bericht des Johannes. Auch an diesem Zeichen war zu erkennen, dass Jesus der verheißene Messias ist, heißt es doch beim Propheten Jesaia: »Mein Volk wird sehen die Herrlichkeit Jewes und unseres Elohims Pracht. ... Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen jubeln« (Jes.35:2,5,6; s. a. 29:18,19; 42:7; Mat.11:5).

  Bereits bei der Heilung des Taubstummen in der Dekapolis (Mark.7:33) und des Blinden in Bethsaida (Mark.8:23) gebrauchte Jesus Speichel, der im Judentum als heilkräftig angesehen wurde, wohl als Zeichen des heilsamen Wortes aus Seinem Mund. Dieses Mal machte Er einen Lehmbrei daraus und strich ihn über die Augen des Blinden. Damit sollte zum einen den Umstehenden eingeprägt werden, dass Jesus der Handelnde war, und zum anderen sollte der Blindgeborene Glauben fassen und beim Gang zum Teich und beim Waschen aufbauen können.

  Der Teich Siloah wurde von der Gihonquelle gespeist (2.Kön.20:20; Neh.3:15). Siloah heißt »beauftragt«, »gesandt« und »Gesandter«. Mithin sandte Jesus den Mann dorthin. Entscheidend aber war, dass Jesus Selbst der Gesandte Gottes war, wie Er in Vers 4 betont hatte. Während des Laubhüttenfestes schöpfte man Wasser aus diesem Teich und sang dabei die Worte aus Jesaia 12:3: »Schöpfen werdet ihr Wasser mit Wonne aus den Quellen des Heils«. Die Schriften zeugen aber von dem Messias (Joh.5:39). Daher wissen wir, dass Jesus Selbst das Wasser des Lebens ist. Er hatte am letzten Tag des Festes laut ausgerufen: »Wenn jemand dürstet, komme er zu Mir und trinke! Wer an Mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen« (Joh.7:37,38).

  Der Blindgeborene ist ein Bild auf Israel. Israel war blind, seitdem Jesaia ausgerufen hatte. »Höret; ja höret, und verstehet doch nicht! Sehet, ja sehet, und erkennt doch nicht! Verdicke das Herz dieses Volkes, und seine Ohren mache schwerhörig! Und seine Augen lass blinzeln, damit es nicht sehe mit seinen Augen, noch mit seinen Ohren höre und mit seinem Herzen verstehe und umkehre und Heilung ihm werde« (Jes.6:9,10). Unser Herr bestätigte und verstärkte die Blindheit noch, am Blindgeborenen durch den Lehmbrei, an Israel dadurch, dass Er die Wahrheit zu ihnen sprach, sie aber durch ihren auch jetzt wieder erwiesenen Unglauben ihre Verstockung besiegelten.

  Dies alles aber geschah nach Gottes Weisheit und Vorsatz. »Gott schließt alle zusammen in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme« (Röm.11:32). Israels Kränkung des Vaterherzens Gottes sollte der Welt Reichtum werden und ihr Niedergang der Reichtum der Nationen (Röm.11:12). Ihre jetzige Verwerfung ist der Welt Versöhnung (Röm.11:15).

 

Die Reaktion der Mitmenschen

 

  »Die Nachbarn nun und die ihn zuvor geschaut hatten, als er ein Bettler war, sagten: Ist das nicht der Mann, der da saß und bettelte? - Andere sagten: Der ist es. - Wieder andere meinten: Nein, er gleicht ihm nur. - Er selbst aber sagte: Ich bin es! Daher fragten sie ihn: Wie wurden deine Augen aufgetan? - Jener antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Erdbrei, salbte meine Augen damit und sagte zu mir: Geh zum Teich Siloah und wasche dich! Als ich nun hinging und mich wusch, wurde ich sehend. - Da fragten sie ich: Wo ist jener? - Er antwortete: Ich weiß es nicht« (Verse 8-12).

 

Die Befragung durch die Pharisäer

 

  »Dann führte man ihn, den einst Blinden, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, an dem Jesus den Erdbrei gemacht und seine Augen aufgetan hatte. Wiederum fragten ihn nun auch die Pharisäer, wie er sehend geworden sei. Er antwortete ihnen: Einen Erdbrei legte Er auf meine Augen, dann wusch ich mich und konnte sehen. - Da sagten nun einige der Pharisäer: Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil Er den Sabbat nicht hält. - Andere aber sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? - So war eine Spaltung unter ihnen. Daher befragten sie den einst Blinden nochmals: Was sagst du denn von Ihm? Dir hat Er doch die Augen aufgetan. - Er aber antwortete: Er ist ein Prophet« (Verse 13-17).

  Wegen Jesu Heilungen an Sabbaten - sie weisen darauf hin, dass dem Volk am Sabbat des tausendjährigen Königreichs Heilung und Rettung zuteil wird (Heb.4:9) - war es immer wieder zum Streit mit den Pharisäern gekommen (Mat.12:9-13; Luk.13:14). Darf man am Sabbat heilen? Die Lösung des Problems liegt in dem folgenden Wort unseres Herrn: »Der Sabbat wurde um des Menschen willen eingesetzt und nicht der Mensch um des Sabbats willen, sodass der Sohn des Menschen auch Herr über den Sabbat ist« (Mark.2:27,28).

  Und wie steht es mit der Frage, ob ein Sünder solch ein Zeichen tun könne? Der Pharisäer Nikodemus hatte erkannt: »Rabbi, wir wissen, dass Du als Lehrer von Gott gekommen bist; denn niemand kann diese Zeichen tun, die Du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist« (Joh.3:2).

  Die Mehrheit der Pharisäer aber konnte aufgrund ihrer Selbstgerechtigkeit und Heuchelei Jesus nicht als den Christus erkennen; sie waren die wirklich Blinden!

 

Die Befragung der Eltern

 

  »Die Juden wollten nun nicht von ihm glauben, dass er blind gewesen war und sehen wurde, bis sie dann seine (des Sehendgewordenen) Eltern riefen und sie fragten: Ist dies euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde? Wieso kann er denn jetzt sehen? - Seine Eltern antworteten nun: Wir wissen, dass dies unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. Wieso er nun sehen kann, wissen wir nicht; und wer seine Augen aufgetan hat, wissen wir auch nicht. Fragt ihn doch, er ist voll erwachsen, er wird für sich selbst sprechen. - Dies sagten seine Eltern, weil sie die Juden fürchteten; denn die Juden waren schon übereingekommen, dass, wenn Ihn jemand als Christus bekennen sollte, er aus der Synagoge ausgestoßen werde. Deshalb sagten seine Eltern: Er ist voll erwachsen, fragt ihn doch!« (Verse 18-23).

  Die Pharisäer konnten es nicht glauben, dass der Mann sehend geworden sein soll. Nun aber stand fest, dass er kein Betrüger war, der sich nur blind gestellt hatte, um zu betteln statt zu arbeiten, sondern dass er einst blind war und jetzt sehen konnte.

 

Die zweite Befragung des Blindgeborenen

 

  »Daher rief man den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal herbei und forderte ihn auf: Gib Gott Verherrlichung! Wir wissen, dass jener Mensch ein Sünder ist. - Er antwortete nun: Ob Er ein Sünder ist, weiß ich nicht; eins aber weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehen kann. - Dann fragten sie ihn nochmals: Was tat Er dir? Wie hat Er deine Augen aufgetan? - Er antwortete ihnen: Ich sagte es euch schon, habt ihr es nicht gehört? Warum wollt ihr es nochmals hören? Wollt ihr etwa auch seine Jünger werden?

  Da beschimpften sie ihn und sagten: Du bist ein Jünger desselben, wir aber sind Jünger des Mose. Wir wissen, dass Gott zu Mose gesprochen hat. Von jenem aber wissen wir nicht, woher Er ist. - Der Mann antwortete ihnen: Das Erstaunliche ist nämlich in diesem Fall, dass ihr nicht wisst, woher Er ist; und Er hat doch meine Augen aufgetan. Wir wissen, dass Gott nicht auf Sünder hört, sondern wenn jemand ein Gottesverehrer ist und Seinen Willen tut, den hört Er. Vom Äon an hat man nicht gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen aufgetan hat. Wenn jener Mann nicht von Gott wäre, könnte Er überhaupt nichts tun.

  Sie antworteten ihm: Du wurdest ganz in Sünden geboren, und du willst uns belehren? - Dann stießen sie ihn aus der Synagoge hinaus« (Verse 24-34).

  Der Verlauf der zweiten Anhörung ist köstlich. Einerseits der unüberbietbare Starrsinn der Pharisäer, andererseits die Aufrichtigkeit des Bettlers und Analphabeten, der den Wortwechsel beherrscht, mit seiner ironischen Frage, ob sie etwa auch Jesu Jünger werden wollen, die Pharisäer herausfordert und die entscheidende Frage, nämlich mit wem Gott sei und ob Er auf Sünder höre, weisheitsvoll und schriftgetreu beantwortet.

  In Jesaia 59:2 steht geschrieben: »Eure Verworfenheit wird zur Scheidung zwischen euch und eurem Elohim, und eure Sünden verbergen Sein Angesicht vor euch, sodass Er euch nicht hört« (vgl. Jes.1:15). So lesen wir in den Sprüchen 15:29: »Jewe ist fern von den Frevlern, aber das Gebet der Gerechten hört Er.« Und Psalm 34:16,17 lautet: »Die Augen Jewes achten auf die Gerechten und Seine Ohren auf ihr Flehen. Das Angesicht Jewes ist gegen die, welche Böses tun« (vgl. Ps.145:18).

  Die Führer des Volkes mussten sich von einem ungelehrten Mann belehren lassen. Das war für sie unerträglich. Aber es ist so, wie es geschrieben steht: »Die Weisheit seiner Weisen [der Weisen des Volkes Israel] soll sich verlieren, und das Verstehen seiner Verständigen soll sich verbergen« (Jes.29:14).

  Und sie stießen ihn aus. Damit war der Mann religiös und gesellschaftlich geächtet. Ein schwerer Schlag! Dies aber war schon immer so und ist auch heute so, dass die fleischgemäß Gesinnten die geistgemäß Wandelnden hinausstoßen oder, wie Paulus es in Galater 4:29 ausdrückt, dass der nach dem Fleisch Gezeugte den nach dem Geist Gezeugten verfolgte. Einige Zeit später wird der Herr zu Seinen Jüngern sagen: »Man wird euch aus den Synagogen ausstoßen. Es kommt sogar die Stunde, dass jeder, der euch tötet, meint, Gott damit einen Dienst zu erbringen« (Joh.16:1,2). Haben sie den Herrn gehasst, dann hassen sie auch uns (Joh.15:18,19,25).

  Dies aber ist ein großer Segen, da die Ausgestoßenen umso mehr an das Herz ihres Gottes und Vaters gedrückt werden. Und ihnen ist verheißen: »Glückselig sind, die der Gerechtigkeit wegen verfolgt werden, denn ihrer ist das Königreich der Himmel« (Mat.5:10). Und: »Glückselig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen, wenn sie euch absondern, schmähen und euren Namen wegen des Sohnes des Menschen als böse verwerfen sollten« (Luk.6:22).

  Auch wir rühmen uns im Leiden, »denn in Gnaden ist euch für Christus gewährt: nicht allein an Ihn zu glauben, sondern auch für Ihn zu leiden« (Phil.1:29). Wir rühmen uns in den Drangsalen, »wissend, dass die Drangsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Erwartung. Die Erwartung aber lässt nicht zuschanden werden, weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den uns gegebenen heiligen Geist« (Röm.5:3-5). Und uns, den Gliedern der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), ist verheißen, dass wir, wenn wir mit Christus leiden, auch mit Ihm verherrlicht werden (Röm.8:17). »Wenn wir erdulden, werden wir auch mitherrschen« (2.Tim.2:12), und zwar in den zukünftigen Äonen im überhimmlischen Königreich Jesu Christi (2.Tim.4:18).

 

Jesus offenbarte Sich dem Geheilten

 

  »Jesus hörte, dass sie ihn ausgestoßen hatten, und fragte ihn, als Er ihn fand: Glaubst du an den Sohn des Menschen? - Jener antwortete: Und wer ist es, Herr, damit ich an Ihn glaube? - Jesus erwiderte ihm: Du hast Ihn gesehen; denn der mit dir spricht, der ist es. - Da entgegnete er: Ich glaube, Herr! - Und anbetend fiel er vor Ihm nieder« (Verse 35-38).

  Jesus offenbarte Sich dem blind gewesenen Mann und bezeichnete Sich dabei als den Sohn des Menschen. Die Juden wussten, dass dieser ihr Messias und König sein sollte. Denn es heißt in Daniel 7:13,14: »Siehe, da kam mit den Wolken der Himmel einer wie eines Menschen Sohn [wörtlich: wie eines Sterblichen Sohn]. Er kam zu dem Verfüger über Tage [zu Gott] und wurde nahe zu Ihm gebracht. Dann wurde Ihm Vollmacht, Würde und ein Königreich gewährt, und alle Völker, Stämme und Zungen sollen Ihm dienen; Seine Vollmacht, eine äonische Vollmacht, wird nicht vergehen [für die Äonen nicht; 1.Kor.15:24], und Sein Königreich wird unbegrenzt sein.«

  Aus der Synagoge ausgestoßen - nun aber mit dem Messias durch den Glauben verbunden, nun aber in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn (1.Joh.1:3). Wie gesegnet war der Blindgeborene nun!

 

Die Blindheit der Pharisäer

 

  »Darauf sagte Jesus: Ich bin zum Urteilsspruch in diese Welt gekommen, damit die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden. - Dies hörten einige der Pharisäer, die bei Ihm waren, und fragten Ihn: Sind etwa auch wir blind? - Jesus antwortete ihnen: Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde; nun aber sagt ihr: Wir sehen -, folglich bleibt eure Sünde« (Verse 39-41).

  Unser Herr Jesus Christus war in dem Sinne zum Urteilsspruch in diese Welt gekommen, dass Seine Anwesenheit zur Scheidung führe, zum deutlichen Hervortreten und zur Unterscheidung der verschiedenen Herzenshaltungen der Menschen, was den Urteilsspruch bereits abzeichnet und zu ihm hinführt.

  Die Nichtsehenden, diese sind die, die sich ihrer geistlichen Armut bewusst sind; sie sollten sehend werden, also zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Die Sehenden, diese sind die, die meinen, die Wahrheit gepachtet zu haben; sie sollten blind werden, mithin von ihrer Selbstherrlichkeit völlig irregeführt werden. Hören wir hierzu Sprüche 26:12: »Siehst du einen Mann, der in seinen [eigenen] Augen weise ist - einem Toren wird mehr Erhofftes zuteil als ihm.«

  Wenn die Pharisäer wirklich blind gewesen wären, ohne das Licht des Wortes Gottes, ohne Wissen um Gott, ohne Erkenntnis, dann hätten sie tatsächlich keine Schuld gehabt, wie Jesus auch in Johannes 15:22,24 sagte: »Wenn Ich nicht gekommen wäre und zu ihnen gesprochen hätte, so hätten sie keine Sünde. ... Wenn Ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer je tat, so hätten sie keine Sünde. Nun aber haben sie zwar alles gesehen und haben doch sowohl Mich als auch Meinen Vater gehasst.«

  Wie tragisch, dass die Pharisäer nach wie vor blind waren, aber dennoch sagten: Wir sehen. Folglich blieb ihre Sünde. Sie waren blind, wie Jesaia es durch seinen Ausspruch verfügt hatte: »Sehet, ja sehet, und erkennt doch nicht!« (Jes.6:10). Hätten sie sich glaubend an Jesus, ihren Messias, gewandt, so hätte Er ihre Augen aufgetan. So aber blieben sie blind und werden in ihren Sünden sterben.

 

»Ich bin der edle Hirte!«

(Johannes 10)

 

  »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer nicht durch die Tür in die Schafhürde eintritt, sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und ein Wegelagerer. Wer aber durch die Tür eintritt, ist der Hirte der Schafe. Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft seine eigenen Schafe mit Namen und führt sie hinaus. Wenn er dann die eigenen alle hinausgetrieben hat, geht er vor ihnen her, und da die Schafe mit seiner Stimme vertraut sind, folgen sie ihm. Einem Fremden jedoch würden sie keinesfalls folgen, sondern vor ihm fliehen, weil sie mit der Stimme der Fremden nicht vertraut sind. -

  Diese verhüllte Rede sprach Jesus zu ihnen; sie aber erkannten nicht, was Er ihnen damit sagen wollte« (Verse 1-6).

  Das Bild des Hirten für Jewe, den Elohim Israels, und der Schafe für die Israeliten war Jesu Zuhörern aus den heiligen Schriften geläufig. So heißt es zum Beispiel in Psalm 23:1: »Jewe ist mein Hirte« und in Psalm 95:7: »Er ist unser Elohim, und wir sind das Volk Seiner Weide und die Herde Seiner Hand.« In Psalm 80:2 lesen wir: »Du Hirte Israels, neige Dein Ohr! Der Du Joseph führst wie eine Herde ...« Hesekiel 34:1-24 spricht von der Maßregelung der falschen Hirten und verheißt den wahren Hirten. Schließlich sei noch Jesaia 40:10,11 angeführt: »Siehe, Jewe, mein Herr, kommt mit Kraft. Er wird Seine Herde weiden wie ein Hirte.«

  Jesus stieg nicht heimlich über die Mauer in die Schafhürde ein, sondern kam durch die Tür, denn Er war der aus dem Samen Davids stammende und verheißene Messias und König Israels. Er kam in Sein Eigentum (Joh.1:11). Johannes der Täufer war der Türhüter, der Ihn einließ.

  Vor Kurzem hatte unser Herr Jesus Christus gesagt: »Warum erkennt ihr Meine Sprache nicht? Weil ihr Mein Wort nicht hören könnt! - Wer aus Gott ist, der hört die Worte Gottes. Ihr hört deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid!« (Joh.8:43,47). - Die Juden, die Gott glaubten und auf den Vater hörten, erkannten die Stimme Jesu, des Sohnes. Sie waren mit Jesu Stimme vertraut, weil sie mit dem Vater vertraut waren (vgl. Joh.8:19). Für sie erfüllte sich Jesaia 43:1: »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist Mein.«

  Diese wahren Schafe Israels folgten Jesus, so wie einst Simon Petrus und Andreas Jesu Ruf vernahmen: »Herzu, hinter Mir her! Ich werde euch zu Menschenfischern machen« und sofort ihre Netze verließen und Ihm folgten (Mat.4:20). Und Matthäus, der Zöllner, der Jesu Stimme hörte: »Folge Mir nach!«, stand auf und folgte Ihm nach (Mat.9:9).

  Von den falschen Hirten, »die die Schafe Meiner Weide zugrunde richten«, also von den eigensüchtigen religiösen Führern des Volkes, sprach bereits der Prophet Jeremia (23:1,2). Diese sind die Fremden, da sie einen anderen Geist haben, und diesen folgen die Gläubigen nicht nach. Sogar durch falsche Christusse lassen sich die Auserwählten nicht irreführen (Mat.24:24).

 

»Ich bin die Tür zu den Schafen«

 

  »Daher erklärte Jesus ihnen nochmals: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die Mir zuvorkommen wollten, sind Diebe und Wegelagerer; die Schafe jedoch hörten nicht auf sie. Ich bin die Tür; wenn jemand durch Mich eingeht, wird er gerettet werden, wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt lediglich, um zu stehlen, zu schächten und umzubringen. Ich bin gekommen, damit sie äonisches Leben haben und es überfließend haben« (Verse 7-10).

  Jesus ist die Tür zu den Schafen; Zugang in die Gemeinschaft der Heiligen und ihr Königreich ist nur durch Ihn möglich. Alle, die das Königreich von sich aus aufrichten wollten, die falschen Propheten (Mat.7:15; 2.Pet.2:1), die falschen Hirten, wie zum Beispiel Mitglieder des Synedriums, die das Volk als Pöbel beschimpften und es verwünschten (Joh.7:49), waren Diebe und Fremde.

  Jesus ist die Tür; wer an Ihn glaubt, wird gerettet werden, mithin das Leben in den kommenden Äonen haben sowie Weide finden im Königreich Israels und üppig gesegnet sein.

 

Der edle Hirte

 

  Jesus setzte Seine Rede fort: »Ich bin der edle Hirte. Der edle Hirte gibt seine Seele für die Schafe hin. Doch der Mietling, der nicht der wirkliche Hirte ist und dem die Schafe nicht zu eigen sind, schaut den Wolf kommen, verlässt die Schafe und flieht. Dann raubt sie der Wolf und zerstreut die Schafe. Der Mietling flieht, weil er eben nur Mietling ist und sich nicht viel um die Schafe kümmert« (Verse 11-13).

  Hesekiel weissagte bereits über die falschen Hirten Israels, dass sie sich selbst weiden und die Herde nur ausbeuten (Hes.34:2-6). Auch Sacharja musste über die nichtigen Hirten, die ihre Schafe verlassen, klagen (Sach.12:4-17).

  Jesus aber, der wahre und edle Hirte, ist für Sein Volk da und verlässt es auch nicht der Not, sondern sorgt von ganzem Herzen für Seine Schafe und gibt sogar Seine Seele für sie dahin. Jesus, ihr Messias, liebt die Seinen so sehr, dass Er für sie in den Tod geht (vgl. Joh.15:13).

  Dass Jesus der edle Hirte Israels ist, wird in naher Zukunft für jedermann erkennbar werden. So wird Er die aus der großen Drangsal Kommenden hirten, sie zu den Wasserquellen des Lebens leiten und jede Träne aus ihren Augen wischen (Off.7:17). Und im tausendjährigen Königreich wird es so sein, wie Jesaia schreibt: »Wie ein Hirte weidet Er Seine Herde, und in Seinem Arm sammelt Er Seine Lämmlein. Ja, in Seinem Gewandbausch trägt Er sie, und die Muttertiere leitet Er fürsorglich« (Jes.40:11). Er wird Seine zerstreuten Schafe in das verheißene Land führen und sie auf guten Weideplätzen lagern (Hes.34:11-16).

 

Er kennt die Seinen

 

  »Ich bin der edle Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen Mich, so wie der Vater Mich kennt und Ich den Vater kenne; und Ich gebe Meine Seele für die Schafe hin« (Verse 14+15).

  »Der Sohn des Menschen kam nicht, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und Seine Seele als Lösegeld für viele zu geben« (Mat.20:28). Diese sind Sein Eigentum (Joh.1:11); und diese kennt Er allesamt, und auch sie sind mit Ihm vertraut und hören auf Seine Stimme. Ihre persönliche Beziehung zu Ihm hat ihr Vorbild in der zwischen dem Vater und dem Sohn (Joh.7:29; 17:25).

  Und so ist es auch heute: »Der feste Grund Gottes besteht und hat dies Siegel: Der Herr kennt, die Sein sind« (2.Tim.2:19). Lobpreis und Dank sei unserem Gott und Vater, der uns in die Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen hat (1.Kor.1:9)!

 

Die anderen Schafe

 

  Und dann sagte der Herr: »Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus dieser Hürde sind; auch jene muss Ich führen; sie werden Meine Stimme hören und eine Herde und ein Hirte werden« (Vers 16).

  Wer sind die anderen Schafe? Zum einen ist zu beachten, dass unser Herr Jesus Christus lediglich zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel gesandt war (Mat.15:24). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass für »andere« im Griechischen »allo« steht, also andere derselben Art (nicht »heteron«, andersartig, wesensunterschiedlich); folglich sind die anderen Schafe ebenfalls aus Israel.

  In Johannes 11:52 lesen wir, »dass Jesus demnächst für die Nation sterben sollte, doch nicht allein für die Nation, sondern auch damit Er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zu einem [Ganzen] zusammenführe.« Die anderen Schafe sind mithin die in der Zerstreuung. Petrus schreibt später an sie (1.Pet.1:1), sodass sie durch dessen Wort an Jesus glauben mögen, »damit sie alle eins seien« (Joh.17:20,21).

 

Jesu Vollmacht über Seine Seele

 

  Jesus schloss Seine Rede mit den Versen 17 und 18: »Deshalb liebt Mich der Vater, weil Ich Meine Seele hingebe, damit Ich sie wieder nehme. Niemand nimmt sie von Mir, sondern Ich gebe sie von Mir Selbst aus hin. Ich habe Vollmacht, sie hinzugeben, und Ich habe Vollmacht, sie wieder zu nehmen. Dieses Gebot habe Ich von Meinem Vater erhalten.«

  Den Gedanken, dass der Vater Ihn liebt, weil Er Seine Seele hingibt, finden wir in Jesaia 53:12 vorgezeichnet, wo es heißt, dass der Vater Ihm die Vielen zuteilen wird, weil Er Seine Seele in den Tod dahingab. Jesus ist der Geliebte des Vaters, da Er Sich als Opfer dahingibt zur Sühne für die Sünden Israels, nicht allein aber für die Israels, sondern auch für die der ganzen Welt (1.Joh.2:2).

  Der Herr hatte die Vollmacht, Autorität und Berechtigung, seine Seele zu opfern. Dazu war Er in die Welt gekommen. Niemand nahm Ihm Seine Seele, sondern es war Sein eigener Wille. »Er entäußerte Sich Selbst, nahm die Gestalt eines Sklaven an, wurde den Menschen gleichgestaltet und in der Art und Weise wie ein Mensch erfunden; Er erniedrigte Sich Selbst und wurde gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod« (Phil.2:7,8). Anstatt der vor Ihm liegenden Freude erduldete Er das Kreuz (Heb.12:2).

  Jesus hatte auch die Vollmacht, Autorität und Berechtigung dazu, seine Seele wieder zu nehmen. Nicht dass Er als Toter irgendetwas hätte tun können; aber als der Vater Ihn auferweckte, nahm Er Seine Seele mit vollem Recht wieder an Sich.

 

Verschiedene Meinungen

 

  »Wegen dieser Worte kam es wieder zu einer Spaltung unter den Juden. Viele von ihnen sagten: Einen Dämon hat Er und ist von Sinnen, warum hört ihr auf Ihn? - Andere meinten: Dies sind nicht die Reden eines dämonisch Besessenen; kann etwa ein Dämon den Blinden die Augen auftun?« (Verse 19-21).

  Nein, dies kann ein Dämon nicht. Wir erinnern uns an die Worte des Geheilten: »Vom Äon an hat man nicht gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen aufgetan hat. Wenn jener Mann nicht von Gott wäre, könnte Er überhaupt nichts tun« (Joh.9:32,33).

 

Während der Einweihungsfeiern

 

  »Damals fanden in Jerusalem die Einweihungsfeiern statt; es war Winter, und Jesus wandelte in der Weihestätte in der Halle Salomos. Da umringten Ihn nun die Juden und fragten Ihn: Wie lange hältst Du unsere Seele hin? Wenn Du der Christus bist, dann sage es uns freimütig!« (Verse 22-24).

  Der syrische König Antiochus IV Epiphanes hatte den Tempel im Jahre 168 v. Chr. entweiht. Zur Erinnerung an die Neueinweihung durch Judas Makkabäus im Jahre 165 v. Chr. wurde vom 25. Chislev (Nov./Dez.) an acht Tage lang unter festlicher Beleuchtung des Tempels und der Häuser gefeiert, weshalb das Fest auch Lichterfest (Chanukka) genannt wird (1.Makk.1:57,62; 4:52-59; 2.Makk.10:6-8).

  Die Einweihungsfeiern waren eine menschliche Erfindung und störten das schöne geistliche Bild der von Gott angeordneten sieben Feste Israels (Passah, Fest der ungesäuerten Brote, Fest der Erstlingsgarbe, Fest der Erstlingsernte (Pfingsten, Wochenfest), Fest des Trompetenjauchzens (Posaunenblasens), Tag der Beschirmungen (Versühnungsfest), Laubhüttenfest).

 

Die Juden glaubten nicht

 

  Die Juden hatten Jesus gefragt, ob Er denn der Messias sei. »Jesus antwortete ihnen: Ich sagte es euch, aber ihr glaubt Mir nicht. Die Werke, die Ich im Namen Meines Vaters tue, die legen Zeugnis von Mir ab. Aber ihr glaubt nicht, weil ihr nicht von Meinen Schafen seid, so wie Ich es euch sagte« (Verse 25+26).

  Der Herr hatte ihnen gesagt, dass Er der Christus ist, der verheißene Sohn des Menschen und der von Gott, Seinem Vater, Gesandte (Joh.4:26; 5:18,36; 8:28,58; 9:37), und all Seine Werke hatten dies bezeugt (Jes.35:5,6; Joh.3:2; 5:17; 7:31; 9:33). Die meisten Juden aber glaubten Ihm nicht, weil sie nicht von Seinen Schafen waren. Die nicht von Gott Auserwählten (Joh.6:37,44,65) zählten nicht zu Seinen Schafen und konnten nicht glauben, weil sie nicht aus Gott waren (Joh.8:47). Und Jesus wusste, wer Ihm glaubte und wer nicht (Joh.2:25; 6:64). Wer nicht aus Gott war, hörte nicht auf Seine Stimme (1.Joh.4:6).

 

»Ich und der Vater - Wir sind eins«

 

  »Meine Schafe hören auf Meine Stimme. Ich kenne sie, und sie folgen Mir. Ich gebe ihnen äonisches Leben, und sie werden für den Äon keinesfalls umkommen; auch wird sie niemand aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie Mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand Meines Vaters rauben. Ich und der Vater - Wir sind eins« (Verse 27-30).

  Der Herr verhieß den Seinen das Leben als Auferstandene (Luk.20:35) im kommenden Äon des Königreichs Israels. Keine Macht der Welt kann dies verhindern. Die Heiligen werden »in der Kraft Gottes sicher bewahrt durch den Glauben für eine Rettung, die bereit ist, in der letzten Frist enthüllt zu werden« (1.Pet.1:5).

  Gott, der Vater, aus dem das All ist, ist Einer, und Jesus Christus, der Herr, durch den das All geworden ist, ist Einer (1.Kor.8:6; 1.Tim.2:5). Und diese Beiden sind völlig eins im Charakter, im Wollen und im Tun. Jesus sprach nur, was Er vom Vater hörte (Joh.8:26), und wirkte nur die Werke des Vaters (Joh.9:4). Sie sind eins, weil Sie denselben Geist haben; Jesus hatte Seinen Geist vom Vater (Jes.61:1; Luk.1:35; 4:18; Joh.1:32; 3:34). Die Gläubigen sind übrigens ebenfalls eins mit Ihnen, da sie gleichfalls denselben Geist haben (Joh.17:11,21).

 

Jesus mache Sich Selbst zu Gott

 

  »Wieder trugen die Juden Steine herbei, um Ihn zu steinigen. Jesus antwortete ihnen: Ich habe euch viele edle Werke von Meinem Vater gezeigt; um welches Werkes willen wollt ihr Mich steinigen? - Da antworteten Ihm die Juden: Wir wollen Dich nicht wegen eines edlen Werkes steinigen, sondern wegen Deiner Lästerung, weil Du, der Du ein Mensch bist, Dich Selbst zu Gott machst« (Verse 31-33).

  Mit den Worten: »Ich und der Vater - Wir sind eins« machte Sich Jesus nach Auffassung der Juden Selbst zu Gott. Dies war in ihren Augen Gotteslästerung. Und darauf stand nach dem Gesetz die Steinigung (3.Mose 24:16).

 

»Götter seid ihr!«

 

  »Jesus antwortete ihnen: Ist in eurem Gesetz nicht geschrieben: Ich sage, Götter seid ihr -? Wenn Er jene Götter hieß, zu denen das Wort Gottes geschah (und die Schrift kann doch nicht aufgelöst werden), wieso sagt ihr zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt ausgesandt hat: Du lästerst - weil Ich sagte: Ich bin Gottes Sohn -?« (Verse 34-36).

  Der Begriff »Gesetz« wurde häufig im weitesten Sinne gebraucht und umfasste die gesamten hebräischen heiligen Schriften.

  Jesus ist der Sohn Gottes und darf Sich aufgrund dieser Tatsache so nennen, und ohnehin auch deshalb, weil schon gewöhnliche Menschen in der Schrift als Götter bezeichnet werden. »Ich sage, Götter seid ihr« steht in Psalm 82:6 geschrieben, den wir näher betrachten wollen.

         Psalm 82 (»Nach Asaph«) lautet:

         »Elohim [Christus] steht in der Gemeinde des El [Gottes];

inmitten der Götter [Schiedsrichter; hebr. elohim] richtet Er:

Bis wann wollt ihr mit Unrecht richten

und die Angesichter der Frevler erheben?

Zwischenspiel

Richtet recht den Armen und die Waise,

dem Elenden und Darbenden gewährt Gerechtigkeit.

Errettet den Armen und Bedürftigen,

aus der Hand der Frevler berget ihn.

(Nichts erkennen sie, und nichts verstehen sie;

in Finsternis wandeln sie umher;

so gleiten alle Fundamente der Erde hinweg.)

Ich, Ich sagte: Götter [hebr. elohim] seid ihr,

und Söhne des Allerhöchsten seid ihr alle.

Doch gewiss werdet ihr sterben wie ein Mensch,

und wie jeder andere der Obersten werdet ihr fallen.

Stehe doch auf, o Elohim [Christus], und richte die Erde!

Denn Du, Du wirst das Losteil haben unter all den Nationen.«

  El, der Unterordner, ist der Höchste, Gott, der Vater.

  Eloah (Einzahl) ist der Zu-Unterordner, der Sohn Jesus Christus.

  Elohim (Mehrzahl) ist, wenn das Verb in der Einzahl steht, der Zu-Unterordner, der Sohn Jesus Christus.

  Die elohim (Mehrzahl) sind, wenn das Verb in der Mehrzahl steht, die Zu-Unterordner, Geschöpfe, die andere Gott unterordnen.

  Wiederholt werden Menschen elohim genannt, so die Schiedsrichter in Rechtssachen in Israel (2.Mose 21:6; 22:8,9).

  Jetzt wird uns der Psalm verständlich. El, der Vater, hat alles Gericht dem Elohim, Seinem Sohn, übergeben (Joh.5:22), der in der Gemeinde des El steht und inmitten der elohim, der Götter, der menschlichen Richter, Gericht hält. Israels Richter hatten vielfach versagt (Verse 2-5). Elohim allein ist der gerechte Richter (Vers 8).

  Nach den Worten unseres Herrn sind alle die Menschen elohim, Götter in der Bedeutung von Zu-Unterordnern zu Gott hin, zu denen das Wort Gottes wirkungsvoll geschah und durch die Gott wirkt.

  Jesus beging also keine Gotteslästerung.

 

Das Ineinandersein des Vaters und des Sohnes

 

  Jesus sprach weiter: »Wenn Ich nicht die Werke Meines Vaters tue, so glaubt Mir nicht. Wenn Ich sie aber tue und ihr Mir dennoch nicht glaubt, so glaubt doch den Werken, damit ihr erkennt und glaubt, dass der Vater in Mir ist und Ich im Vater bin. Nun versuchten sie nochmals, Ihn festzunehmen, doch Er entkam aus ihrer Hand« (Verse 37-39).

  Wieder wies der Herr auf Seine Werke hin, die die des Vaters waren (Joh.5:17; 9:4,33; 10:25,32).

  Wie kann der Vater im Sohn und der Sohn im Vater sein (vgl. Joh.14:20; 17:21)? Gott ist in Christus (2.Kor.5:19), indem Sein Geist in Ihm wohnt (vgl. Röm.8:9,10). Und Christus ist in Gott, weil Gottes Geist Ihn in das Innerste Gottes hineinführt (vgl. 1.Kor.2:10).

 

Jenseits des Jordan

 

  »Dann ging Er wieder jenseits des Jordan an den Ort, wo Johannes zuvor getauft hatte, und blieb dort. Viele kamen zu Ihm und sagten: Johannes tat zwar keine Zeichen, aber alles, was Johannes über diesen Mann gesagt hat, ist wahr. - Und viele glaubten dort an Ihn« (Verse 40-42).

  Johannes hatte in Bethanien, dem jenseits des Jordan, getauft (Joh.1:28). An diesen Ort zog Jesus Sich zurück. Dort hatte der Täufer bezeugt, dass Jesus das Lamm Gottes ist, das der Welt Sünde auf Sich nimmt, und dass Er der Sohn Gottes ist (Joh.1:29,34). Für viele war erkennbar, dass sich erfüllt hatte, was Johannes der Täufer in Bezug auf Jesus gesagt hatte, nämlich: »Jener muss wachsen, ich aber geringer werden« (Joh.3:30); und glaubten an Ihn.

  Damit ging das Jahr 31 u. Ztr. zu Ende.

 

 Die Auferweckung des Lazarus

(Johannes 11)

 

  Die Auferweckung des Lazarus ist das letzte der sieben Wunder und Zeichen im Bericht des Johannes.

  Ein jedes der Zeichen setzt bei dem jeweiligen Stand des geistlichen Niedergangs Israels an:

-         Die Hochzeit zu Kana zeigte uns, dass es Israel an Wein, an der Freude des Königreichs, mangelte (Joh.2:1-11);

-         Die Heilung des Sohnes des königlichen Beamten in Kapernaum sagte uns, dass Israel nicht gesund war (Joh.4:46-54);

-         Dem hinfälligen Mann am Teich Bethesda, einem Bild für Israel, fehlte es an Kraft (Joh.5:1-18);

-         Die Speisung der Fünftausend am See Tiberias lehrte uns, dass Israel der wahren Speise entbehrte (Joh.6:5-14);

-         Bei der Fahrt der Jünger über den See bei starkem Gegenwind wurden ihre und damit Israels Furcht und Unverstand deutlich (Joh.6:16-21);

-         Beim sechsten Zeichen, der Heilung des Blindgeborenen, war ein enormer Niedergang eingetreten: Israel glich dem Blindgeborenen, es war blind für jede geistliche Wahrheit (Joh.9);

-         Der Tod des Lazarus aber zeigt uns den tiefstmöglichen Stand Israels auf: Es mangelte ihnen an Leben. Israel war tot.

  Einst fragte Jewe Elohim den Propheten Hesekiel: »Werden diese Gebeine wieder lebendig?« Wir wissen: Gott wird Seinen Geist in sie geben, und Israel wird wieder leben (Hes.37:1-14; Röm.11:15,26).

 

Lazarus war krank

 

  »Da war ein kranker und schwacher Mann, Lazarus von Bethanien, aus dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Martha. Diese Maria war es, die dann den Herrn mit Würzöl einrieb und Seine Füße mit ihrem Haar abwischte - deren Bruder Lazarus war krank und schwach. Die Schwestern schickten nun zu Ihm und ließen sagen: Herr, siehe, der, den Du lieb hast, ist krank und schwach« (Verse 1-3).

  Dieses Bethanien liegt an der Ostseite des Ölbergs. Dort wohnten die drei Geschwister Lazarus, Maria und Martha. Es dürfte der Anfang des Jahres 32 u. Ztr. gewesen sein; in diesem Jahr starb unser Herr Jesus Christus und wurde Er auferweckt.

  Über die Salbung des Herrn mit Würzöl durch Maria einige Tage vor dem Passah berichtet Johannes in Kapitel 12:3.

  Die Schwestern ließen sagen: »Herr, siehe, der, den Du lieb hast ...« (Vers 3); in Vers 5 heißt es dann: »Jesus aber liebte ...« Hier liegt ein Unterschied vor. Die Konkordante Übersetzung gibt das griechische Wort phileõ, Freundesliebe erzeigen, mit »lieb haben« und das Wort agapaõ, hingebungsvoll lieben, mit »lieben« wieder.

 

Zur Verherrlichung Gottes

 

  »Als Jesus das hörte, sagte Er: Diese Schwachheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde. - Jesus aber liebte Martha, ihre Schwester und Lazarus. Als Er nun hörte, dass er krank und schwach sei, da blieb Er noch zwei Tage an dem Ort, an dem Er war« (Verse 4-6).

  Jesus kam nicht sofort nach Bethanien, damit Er nicht etwa einen Kranken heile, sondern blieb bewusst unter der Leitung durch den Geist Seines Vaters noch zwei Tage am Jordan (Joh.10:40), damit Er einen Toten auferweckte und Sein Gott wie auch Er Selbst verherrlicht werde.

  Lazarus sollte nach Gottes Vorsatz sterben. Ebenso wie Israel. Dieses Volk schreit: »Bis wann, Jewe?« (Jes.6:11). Erst wenn Israels Hoffnungen ganz ausgelöscht sind, erst dann wird dieses Volk wiedergezeugt werden, damit es nie mehr vergisst, dass es nichts aus sich selbst tun kann, sondern aller Segen allein das Werk Jesu Christi ist.

 

Die Warnung der Jünger

 

  »Danach erst sagte Er zu Seinen Jüngern: Gehen wir wieder nach Judäa!« - Da erwiderten Ihm die Jünger: Rabbi, nun suchten die Juden gerade, Dich zu steinigen; und da willst Du wieder dorthin gehen? - Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag wandelt, stößt er sich nicht, weil er das Licht dieser Welt sieht. Wenn aber jemand in der Nacht wandelt, stößt er sich, weil das Licht nicht in ihm ist« (Verse 7-10).

  Wiederholt hatten die in Judäa versucht, Jesus festzunehmen und zu steinigen (Joh.7:1,25,30; 8:40,59; 10:31,39). Es war somit höchst gefährlich, sich wieder dorthin zu begeben.

  Bei Tageslicht aber stößt man nicht an. Mit diesem Wort wollte Jesus Seinen Jüngern die Furcht vor dem Gang nach Judäa nehmen. Sie werden ungefährdet wie am helllichten Tag dorthin gelangen. Wer sich übrigens dem Willen Gottes gemäß in Seinem Licht in Bewegung setzt, mithin am Tag wandelt (Jer.13:16; Joh.8:12; 9:4; 12:35), dem wird vor der von Gott bestimmten Frist nichts passieren.

  Ein Tag in Israel hatte - nebenbei gesagt - immer zwölf Stunden. Sommers wie winters teilte man die gesamte Zeit zwischen Sonnenaufgang und ihrem Untergang in zwölf gleiche Stunden ein. Eine Stunde im Sommer dauerte folglich länger als eine im Winter.

 

»Lazarus schläft«

 

  »Dies sprach Er, und danach sagte Er zu ihnen: Unser Freund Lazarus schläft; Ich aber gehe hin, um ihn aus dem Schlaf zu wecken. - Da erwiderten Ihm nun die Jünger: Herr, wenn er schläft, wird er (vom Tode) gerettet werden. - Jesus aber hatte von seinem Tod geredet; jene dagegen meinten, Er rede von der Rast des Schlafes. Dann sagte Jesus ihnen freimütig: Lazarus ist gestorben, und Ich freue Mich um euretwillen, dass Ich nicht dort war, damit ihr glauben lernt; lasst uns aber zu ihm gehen! - Da sagte nun Thomas, der Didymus genannt wird, zu den Mitjüngern: Auch wir wollen gehen, damit wir mit Ihm sterben« (Verse 11-16).

  Als der Apostel Thomas mit dem Beinamen Didymus, das heißt Zwilling, gehört hatte, dass Lazarus gestorben sei, zog er das Resümee, dass es nun für alle wohl auf das Sterben zugehe, in erster Linie für Jesus, zusammen mit dem sie wahrscheinlich auch umkommen würden. Immerhin war er bereit, sich mit dem Herrn in Treue auf den riskanten Weg zu begeben.

  Den Juden war es geläufig, den Tod mit dem Schlaf zu vergleichen (Hiob 3:13; Dan.12:13), weil man im Schlaf gewissermaßen kein Bewusstsein hat ebenso wie man im Tode ganz und gar keines hat (Ps.115:17; 146:4; Pred.9:5,6,10; Jes.63:16). Dennoch dachten die Jünger an einen buchstäblichen Schlaf, der sicherlich heilsam sein dürfte.

  Lazarus aber war gestorben, und dies musste so sein, nicht nur zur Verherrlichung des Vaters und des Sohnes, wie bereits in Vers 4 gesagt, sondern damit die Jünger glauben lernen sollten, anders gesagt: im Glauben fest gegründet werden mochten.

  Der Tod ist die Umkehrung des Schöpfungsprozesses: »Dann formte Jewe Elohim den Menschen aus Erdreich vom Boden und hauchte Lebensodem in seine Nase; und der Mensch wurde eine lebende Seele« (1.Mose 2:7). Der Tod nun ist Rückkehr; der Körper kehrt zur Erde zurück und der Geist zu Gott (Pred.12:7; Hiob 34:15; Ps.104:29). Dann ist keine Seele - sie ist das Bewusstsein - mehr da. Der Mensch ist nicht mehr.

 

Marthas Glaube

 

  »Als Jesus dann nach Bethanien kam, fand Er ihn schon vier Tage im Grab liegen. Bethanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien davon entfernt. Daher waren viele der Juden zu Martha und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten.

  Als Martha nun hörte, dass Jesus komme, ging sie Ihm entgegen; Maria aber saß im Haus. Martha sagte dann zu Jesus: Herr, wenn Du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben! Nun weiß ich aber auch, dass Gott Dir alles geben wird, was Du von Gott erbitten  magst« (Verse 17-22).

  Da Bethanien nur eine halbe Stunde zu Fuß (eine Stadie waren etwa 185 m) von Jerusalem entfernt lag, konnten sehr viele Juden dem Brauch und Bedürfnis, die Trauernden zu trösten, nachkommen.

  Marthas Glaube war schriftgemäß und festgegründet; sie wusste: Ganz gewiss erfüllt der Vater Jesus alle Bitten, weil Er der Sohn und Messias ist und gottgemäß betet. Die Schrift sagt, dass Jewes Ohren auf das Flehen der Gerechten hören (Ps.34:16; 66:19), Er denen nahe ist, die Ihn in Wahrheit anrufen und denen Seine Gunst erweist, die Ihn fürchten (Ps.145:18,19). Dementsprechend darf der Apostel Johannes später schreiben: »Wenn wir etwas erbitten, so erhalten wir es von Ihm, weil wir Seine Gebote halten und das vor Seinen Augen Wohlgefällige tun« und: »Wenn wir etwas nach Seinem Willen bitten, so hört Er uns« (1.Joh.3:22; 5:14; vgl. 1.Pet.3:12; Heb.5:7). Auch der Apostel Paulus legt dar, dass der Geist Christi sich gottgemäß, insbesondere auch Gottes Zielen gemäß, für die Heiligen verwendet (Röm.8:27,34) und mithin erhört wird (Röm.8:28).

 

Äonisches Leben den Glaubenden

 

  »Jesus erwiderte ihr: Dein Bruder wird auferstehen! - Da sagte Martha zu Ihm: Ich weiß, dass er in der Auferstehung am letzten Tag auferstehen wird. - Jesus entgegnete ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an Mich glaubt, wird (für den Äon) leben, wenn er auch stirbt. Und jeder, der (dann) lebt und an Mich glaubt, wird für den Äon keinesfalls sterben! Glaubst du dies? - Sie antwortete Ihm: Ja, Herr, ich habe den Glauben, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommt!« (Verse 23-27).

  Martha verstand das Wort Jesu, dass ihr Bruder auferstehen werde, in dem allgemeinen Sinn, dass er bei der Auferstehung der Gläubigen dabei sein und im Königreich Israels leben wird, wie in der Schrift verzeichnet und der Herr es ihr mit den Versen 25 und 26 bestätigte. Bei Jesaia steht geschrieben: »Deine Toten werden wieder leben; Meine Leichen werden auferstehen« (Jes.26:19). Und Daniel 12:2 lautet: »Viele von denen, die im Erdboden schlafen, werden erwachen, diese zu äonischem Leben, jene zur Schmach, zu äonischem Abscheu.« Außerdem hatte der Herr vor knapp zwei Jahren gesagt: »Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören werden; und es werden hervorgehen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Schlechte verübt, zur Auferstehung des Gerichts« (Joh.5:28,29).

  Jesus Christus ist die Auferstehung und das Leben. Er bringt dies nicht nur, sondern ist dies auch Selbst, da der Vater es Ihm gegeben hat, Leben in Sich Selbst zu haben (Joh.5:26), und Seine Stimme lebendig macht.

  Wer an Jesus als den Messias und Sohn Gottes glaubt, hat äonisches Leben (Joh.5:24). Sein Wort: »Wer an Mich glaubt, wird leben, wenn er auch stirbt« (Vers 25) bezieht sich auf die zukünftigen Äonen. Die Gläubigen werden im kommenden Äon, dem tausendjährigen Königreich Israels, und darüber hinaus leben. Und »keinesfalls sterben« (Vers 26) werden die dann, in jenem Äon, Lebenden, wenn sie den Glauben bewahren, wie Jesus gesagt hatte: »Wenn jemand Mein Wort bewahrt, wird er keinesfalls für den Äon den Tod schauen« (Joh.8:51).

  Was meinte Martha mit dem »letzten Tag« (Vers 24)? Die Auferstehung der Gerechten findet nach dem Propheten Daniel nicht unmittelbar bei der Wiederkunft Jesu zu Israel am Ende des letzten Jahrsiebeners, mit anderen Worten 1260 Tage nach der Mitte des siebzigsten Jahrsiebeners, statt, sondern erst am 1335. Tag, gerechnet von der Hälfte des Siebeners an, also 75 Tage später. In Daniel 12:12,13 heißt es: »Glückselig, wer ausharrt und 1335 Tage erreicht. Und du, gehe hin bis zum Ende; du wirst ruhen und wirst auferstehen zu deinem Losteil am Ende der Tage.« Am Ende der Tage, am letzten dieser 1335 Tage, wird Lazarus auferweckt werden, ebenso wie alle entschlafenen Gläubigen Israels. »Glückselig und heilig ist, wer an der ersten Auferstehung Anteil hat. Über diese hat der zweite Tod keine Vollmacht, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und mit Ihm die tausend Jahre als Könige herrschen« (Off.20:6).

  Auf die Frage Jesu: »Glaubst du dies?« durfte Martha das herrliche Zeugnis ablegen: »Ja, Herr, ich habe den Glauben, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommt.« Und wir stimmen freudig ein.

  Unsere Auferstehung, die der Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), die vor der Zeit des siebenjährigen Zorns und vor der ersten Auferstehung Israels stattfindet (Röm.5:9; 1.Thess.1:10; 5:2,4,9; 1.Kor.15:42-57), ist hier nicht das Thema. Wir werden nicht auf der Erde leben, sondern im Himmel (1.Thess.4:13-18; Eph.1:3; 2:6; Phil.3:20).

 

Jesus rief Maria

 

  »Als sie dies gesagt hatte, ging sie hin und rief ihrer Schwester Mirjam heimlich zu: Der Lehrer ist hier, Er ruft dich! - Als jene das hörte, erhob sie sich schnell und ging zu Ihm. Jesus aber war noch nicht in das Dorf gekommen, sondern war noch an dem Ort, wohin Martha Ihm entgegengegangen war. Als die Juden, die bei ihr im Haus waren und sie trösteten, nun gewahrten, dass Maria schnell aufstand und hinausging, folgten sie ihr in der Meinung, dass sie zum Grab gehe, um dort zu schluchzen. Als Maria nun dorthin kam, wo Jesus war, und Ihn gewahrte, fiel sie Ihm zu Füßen und sagte zu Ihm: Herr, wenn Du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben« (Verse 28-32).

  Jesus ließ Maria zu Sich rufen, und sie folgte Seinem Ruf sofort. Auch sie sprach Ihm gegenüber glaubend aus, was Martha schon gesagt hatte (Vers 21).

 

Und Jesus weinte

 

  »Als Jesus dann sie und auch die mit ihr gekommenen Juden so jammern sah, ergrimmte Er im Geist und erregte Sich darüber. Darauf fragte Er: Wo habt ihr ihn hingelegt? - Sie antworteten Ihm: Herr, komm und sieh!

  Und Jesus weinte.

  Da sagten nun die Juden: Siehe, wie lieb Er ihn hatte! - Einige von ihnen sagten jedoch: Konnte dieser, der die Augen des Blinden auftat, nicht auch bewirken, dass jener nicht hätte sterben müssen?« (Verse 33-37).

  Jesus ergrimmte innerlich und erregte Sich über den Tod, diesen Feind.

  Und Er weinte voller Mitleid. Der Vater wie der Sohn sind voll innigster Barmherzigkeit (Luk.1:78). Gott ist der Vater des Mitleids und der Gott allen Zuspruchs (2.Kor.1:3), und Sein Sohn steht dem Vater hierin nicht nach.

 

»Lazarus, herzu, komm heraus!«

 

  »Wieder in Sich Selbst ergrimmend, trat Jesus dann an das Grab; es war eine Höhle, und ein Stein lag davor. Jesus gebot: Hebt den Stein hinweg! - Da sagte Martha, die Schwester des Verschiedenen, zu Ihm: Herr, er riecht schon, denn es ist der vierte Tag. - Jesus entgegnete ihr: Habe Ich dir nicht gesagt, dass, wenn du glaubst, du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst? - Dann hoben sie den Stein hinweg. Jesus aber hob die Augen empor und sagte: Vater, ich danke Dir, dass Du Mich erhört hast. Ich weiß wohl, dass Du Mich immer erhörst; Ich sage es jedoch der Volksmenge wegen, die umhersteht, damit sie glaubt, dass Du Mich ausgesandt hast. - Als Er dies gesagt hatte, schrie Er mit lauter Stimme: Lazarus, herzu, komm heraus! - Da kam der Verstorbene heraus, die Füße und Hände in Grabtücher gewickelt und sein Antlitz mit einem Schweißtuch umbunden. Jesus sagte zu ihnen: Bindet ihn los und lasst ihn gehen!« (Verse 38-44).

  Martha hatte die Öffnung des Grabes mit gutem Grund zu verhindern versucht, aber Jesus wollte es anders. Die Herrlichkeit Gottes sollte offenbart und eine große Menge von Juden zum Glauben gebracht werden, dass Er der Sohn Gottes ist (vgl. Verse 4 und 15). Und so geschah das Wunder: Der Vater erhörte Jesu Gebet, Jesus ließ Seine geisterfüllte Stimme erschallen, und der Geist des Lazarus kehrte in ihn zurück, sodass er erwachte (vgl. Luk.8:55).

  Lobpreis und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, auf den wir somit in allem unsere ganze Zuversicht setzen dürfen!

  Die dritte Totenauferweckung unseres Herrn ließ die Kraft und Herrlichkeit Gottes noch deutlicher aufleuchten als die beiden vorhergehenden. Bei der Auferweckung des Töchterleins des Synagogenvorstehers Jairus verhielt es sich so, dass sie gerade erst entschlafen war (Mark.5:35-42). Bei dem verstorbenen Sohn der Witwe zu Nain war schon mehr Zeit vergangen, denn man war gerade dabei, ihn zu Grabe zu tragen (Luk.7:11-16). Im Falle des Lazarus aber hatte die Fäulnis bereits eingesetzt.

  Es bedarf überhaupt eines dunklen Hintergrunds, um Gottes Größe und Herrlichkeit erkennen zu können.

  Deshalb erschuf Jewe Elohim den Adam als eine lebende Seele (1.Mose 2:7), sterblich und versuchlich; deshalb pflanzte Er den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen (1.Mose 2:9) und schuf die Schlange (1.Mose 3:1). Wie sollte man das Gute erkennen können ohne die Erfahrung des Bösen?

  Deshalb lesen wir in Jesaia 45:6,7: »Damit sie erkennen mögen, die vom Aufgang der Sonne und die vom Westen, dass da niemand ist außer Mir: Ich bin Jewe Elohim, und da ist sonst keiner! Der Ich bilde das Licht und erschaffe das Finstere, bewirke das Gute und erschaffe das Böse; Ich, Jewe Elohim, mache all dieses.« Ja, »in Christus ist das All erschaffen, das in den Himmeln und das auf der Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare« (Kol.1:16; Joh.1:3).

  Der erste Adam musste sündigen, damit der letzte Adam, Jesus Christus, der lebendig machende Geist, offenbar werden konnte (1.Kor.15:45). Durch den Ungehorsam Adams wurden alle als Sünder eingesetzt, damit durch den Gehorsam Jesu alle als Gerechte - nicht einfach nur als Unschuldige wie einst im Paradies - eingesetzt werden (Röm.5:19).

  Nur wer Sünder war, kann die Gnade für wertvoll erachten. Nur wer tot war, weiß das unvergängliche Leben zu schätzen. Erst in der Dahingabe Seines Sohnes für Sünder und Gottesfeinde erkennen wir Menschen die Liebe Gottes, ja Gott Selbst, der Liebe ist (1.Joh.4:8).

  Warum beseitigt Gott nicht sofort alles Leid dieser Welt? Warum verzögerte Jesus Seine Ankunft bei Lazarus? Zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes! Alles Leid ist erforderlich, um unser zukünftiges Gesegnetsein würdigen zu können.

 

Glaube, Unglaube und der Beschluss, Jesus zu töten

 

  »Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und schauten, was Jesus getan hatte, glaubten dann an Ihn. Einige von ihnen aber gingen zu den Pharisäern und berichteten ihnen alles, was Jesus getan hatte.

  Daraufhin versammelten nun die Hohenpriester und die Pharisäer das Synedrium und sagten: Was sollen wir tun? Dieser Mensch vollbringt so viele Zeichen. Wenn wir Ihn weiterhin so gewähren lassen, werden alle an Ihn glauben, und dann werden die Römer kommen und sowohl unsere Stätte als auch die Nation an sich nehmen. -

  Einer aber von ihnen, ein gewisser Kaiphas, der Hoherpriester jenes Jahres war, sagte zu ihnen: Ihr wisst überhaupt nichts, noch rechnet ihr damit, dass es für uns vorteilhaft ist, dass ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze Nation untergehe. - Dies sagte er jedoch nicht von sich aus, sondern als Hoherpriester jenes Jahres redete er prophetisch, dass Jesus demnächst für die Nation sterben sollte, doch nicht allein für die Nation, sondern auch damit Er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zu einem Ganzen zusammenführe. Von jenem Tag an berieten sie nun, damit sie Ihn töten könnten« (Verse 45-53).

  Einerseits ist es nicht zu fassen, andererseits ist es typisch menschlich, hinzugehen und Jesus bei den Oberen anzuschwärzen. Jene beriefen eine Sondersitzung ein. Dies erinnert uns an Psalm 2:2: »Die Oberen beraten sich miteinander gegen Jewe und Seinen Gesalbten« (vgl. Ap.4:26).

  Dass die Römer die Stätte und die Nation wegnehmen könnten, dürfte so zu verstehen sein, dass sie ihnen den Kultus in der Weihestätte und das Mitspracherecht bei der Verwaltung der Nation verbieten könnten.

  Trotz der Feindschaft und des Hasses des Hohenpriesters gebrauchte Gott ihn und ließ Er ihn ein prophetisches Wort aussprechen. Es war die Wahrheit, dass ein Mensch für die Nation sterben müsse, auch wenn der Hohepriester es in einem ganz anderen Sinn verstand.

  Gott erfüllt Seinen Vorsatz und Heilsplan unter Einbeziehung des Wirkens aller Seiner Gegner. Ihm stehen alle und steht alles zu Gebote, auch der Wille Seiner Feinde, denn Er bewirkt alles (Eph.1:11), Er ruft alles hervor, jeden Gedanken, jede Handlung; Er ist der alles Werdenmachende.

  Nach der Freilassung des Petrus und Johannes durch das Synedrium betete die herausgerufene Gemeinde: »Sie haben sich in dieser Stadt in Wahrheit gegen Deinen heiligen Knecht Jesus versammelt, den Du gesalbt hast: Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, um alles auszuführen, was Deine Hand und Dein Ratschluss vorherbestimmt hatten, dass es geschehe« (Ap.4:27,28).

  Unser Herr starb nicht nur für die Nation Israel, sondern nach Vers 52 auch für die zerstreuten Kinder Gottes, die anderen Schafe aus derselben, nämlich Israels Hürde, damit sie als Gesamtheit gerettet werden (Röm.11:26). Näheres über die anderen Schafe findet sich in den Ausführungen zu Johannes 10:16.

  Wir bestätigen dem Hohenpriester, dass Jesu Tod zur Rettung Israels diente, ja zur Rettung aller Menschen, ist Er doch »die Sühne für unsere (Israels) Sünden; nicht allein aber für die unsrigen, sondern auch für die der ganzen Welt« (1.Joh.2:2). Er starb für alle (2.Kor.5:14; 1.Tim.2:6). So ist Gott der Retter aller Menschen, vor allem der Gläubigen (1.Tim.4:10).

 

Jesus in Ephraim

 

  »Jesus wandelte daher nicht mehr öffentlich unter den Juden, sondern ging von dort in die Gegend nahe der Wildnis in eine Stadt, die Ephraim heißt, und blieb dort mit Seinen Jüngern. Das Passah der Juden aber war nahe, und viele aus der Gegend zogen vor dem Passah nach Jerusalem hinauf, um sich zu läutern. Dort suchten sie nun Jesus und sagten, in der Weihestätte stehend, zueinander: Was meint ihr? Dass Er überhaupt nicht zum Fest kommt? - Die Hohenpriester und Pharisäer aber hatten Anweisung gegeben, dass, wenn jemand erfahre, wo Er sei, er es angeben solle, damit sie Ihn festnehmen könnten« (Verse 54-57).

  Das Städtchen Ephraim lag rund 20 km nördlich von Jerusalem. Jesus hatte Sich zurückgezogen, bis Seine Zeit gekommen war.

  Zur Läuterung in Vorbereitung auf das Passahfest ist zu sagen, dass man sich heiligte, sicherlich durch die Beugung des Herzens, aber auch durch Reinigungsriten (Besprengen mit Wasser, Baden, Waschen der Kleidung), falls man zum Beispiel eine Leiche oder sonst etwas Unreines berührt hatte (4.Mose 9:6; 19:11-22; 2.Chron.30:17).

  Das Passah war nahe. Bald sollte an dem Herrn Jesus Christus Ähnliches geschehen wie an Lazarus, allerdings in einer alles überragenden Weise und zur Rettung des ganzen Volkes, ja aller Menschen und Geschöpfe.

 

Jesus zieht in Jerusalem ein

(Johannes 12)

 

  »Sechs Tage vor dem Passah kam Jesus nun nach Bethanien, wo Lazarus war, den Jesus aus den Toten auferweckt hatte. Dort bereitete man Ihm dann ein Mahl, und Martha bediente. Lazarus aber war einer von denen, die mit Ihm zu Tisch lagen« (Verse 1+2).

  Das Passahfest fand am 14. Nisan (März/April) statt. Am 8. Nisan des Jahres 32 u. Ztr. kam Jesus in das Dorf Bethanien am Osthang des Ölbergs, wo die drei Geschwister Lazarus, Martha und Maria wohnten. Vor wenigen Monaten hatte Jesus Lazarus auferweckt (Joh.11:1-44). Das griechische Wort für »Mahl« lässt erkennen, dass es sich nicht um ein Frühmahl, sondern um die gewöhnlich abends eingenommene Hauptmahlzeit handelte. Der 9. Nisan war somit angebrochen.

 

Die Salbung Jesu

 

  »Maria nahm nun ein Pfund Würzöl von echter, wertvoller Narde, rieb Jesus die Füße ein und wischte Seine Füße mit ihrem Haar wieder ab. Da wurde das Haus von dem Duft des Würzöls erfüllt« (Vers 3).

  Martha war es gewesen, die bedient hatte, als Jesus und Seine Jünger etwa ein halbes Jahr zuvor dort waren und Maria sich dem Herrn zu Füßen setzte und Seinen Worten zuhörte (Luk.10:38-42); auch jetzt bediente sie wieder.

  Dem Herrn zu dienen, ist wichtig. Gemeinschaft mit Ihm zu haben wie Lazarus und Ihm zuzuhören wie Maria, ist von elementarer Notwendigkeit. Am wertvollsten aber ist, Ihn anzubeten und zu verherrlichen, wie Maria es mit dieser Salbung Jesu tat. Maria gab ihren teuersten Besitz hin und wischte ihn mit der Frauen Herrlichkeit (1.Kor.11:15) ab. Dies war die ausdrucksstärkste und höchste Verherrlichung Jesu durch irgendeinen Seiner Anhänger.

  Wahre Anbetung erwächst aus der Freude über die Gnade Gottes. Lasst uns in Erwiderung Seiner Liebe ebenfalls vor allem danach trachten, Ihm den Lobpreis und die Anbetung, den Dank und die Verherrlichung zu geben, den wahren Wohlgeruch für Gott.

 

Für den Tag der Bestattung

 

  »Judas Iskariot aber, der Sohn Simons, einer Seiner Jünger (der vorhatte, Ihn zu verraten) sagte: Warum hat man dieses Würzöl nicht für dreihundert Denare veräußert und das Geld den Armen gegeben? - Dies sagte er aber nicht, weil er sich viel um die Armen kümmerte, sondern weil er ein Dieb war, der die Kasse hatte und das, was eingelegt wurde, an sich nahm. Darauf sagte dann Jesus: Lass sie, damit sie es für den Tag Meiner Bestattung behalten möge; denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, Mich aber habt ihr nicht allezeit« (Verse 4-8).

  Judas wird hier eindeutig charakterisiert. Auch sein Vorschlag des Verkaufs der Narde war verlogen. Ein Denar war übrigens ein Tagelohn; dreihundert Denare waren somit ein Jahresverdienst.

  »Der Arme wird nicht aus dem Land verschwinden«, wie Mose bereits erklärte (5.Mose 15:11), Jesus aber wird nicht mehr lange bei ihnen sein. Darum, nicht nur, weil Ihm die Ehre gebührte, sondern auch, weil die Zeit gekommen war, hatte Maria recht gehandelt. Und der Herr wusste zu schätzen, was Maria in prophetischer Weise im Hinblick auf Sein Begräbnis tat. Ihre Tat wurde ihr insofern »behalten« (Vers 7), als sie für den Tag Seiner Bestattung galt.

 

Viele kamen

 

  »Eine große Volksmenge aus den Juden erfuhr dann, dass Er dort sei; doch kam sie nicht allein um Jesu willen, sondern auch um Lazarus zu sehen, den Er aus den Toten auferweckt hatte. Die Hohenpriester aber berieten, damit sie auch Lazarus töten könnten, weil viele Juden seinetwegen hingingen und an Jesus glaubten« (Verse 9-11).

 

»Hosianna!«

 

  »Als Tags darauf die große Volksmenge, die zum Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem komme, nahmen sie Palmenwedel und zogen Ihm entgegen und riefen laut: Hosianna! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels!« (Verse 12+13).

  »Hosianna!«, das heißt: »Rette (uns) doch!« Dieser Ausruf war im Laufe der Zeit zu einem Lobgesang geworden.

  Viele waren begeistert und davon überzeugt oder ahnten zumindest, dass Jesus ihr Messias und der König Israels ist und Psalm 118:24-26 sich jetzt erfüllte. Dort heißt es: »Dies ist der Tag, den Jewe gemacht hat; lasst uns frohlocken und uns freuen in ihm. Ach Jewe, rette uns doch nun (hebr. unpunktiert: euschioe na, punktiert: hoschia na)! Ach Jewe, lass uns doch nun gedeihen! Gesegnet im Namen Jewes ist, der da kommt!«

 

Auf einem Eselsfüllen

 

  »Jesus hatte nun einen jungen Esel gefunden und Sich darauf gesetzt, so wie es geschrieben ist: Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt, auf einem Eselsfüllen sitzend! Dies erkannten Seine Jünger zuerst nicht. Als Jesus aber verherrlicht war, da erinnerten sie sich, dass dies über Ihn geschrieben war und man das an Ihm getan hatte« (Verse 14-16).

  Die Juden erwarteten den Gottessohn, wie geschrieben steht: »Mein Volk soll sehen die Herrlichkeit Jewes und unseres Elohims Ehre. ... Siehe, euer Elohim ... wird kommen und euch retten« (Jes.35:2,4). Ob sie dabei auch an die Einzelheit des Rittes des Königs auf einem Jungesel dachten, ist fraglich, denn noch nicht einmal Seine Jünger hatten erkannt, dass sich damit Sacharja 9:9 erfüllte: »Juble überaus, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und Geretteter ist Er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselinnen« (vgl. Zeph.3:14,15). In Demut kam Er - nicht auf einem Streitross.

  Mit »Tochter Zion« wurde die Bewohnerschaft der Königsstadt Jerusalem in feiner poetischer Weise bezeichnet. Die Stadt hatte auf dem Berg Zion, ihrem südöstlichen Hügel, ihren Anfang genommen.

  Als Jesus verherrlicht war, und zwar dadurch, dass der Vater Ihn auferweckt hatte, erinnerten sich Seine Jünger sowohl an diese wie auch an andere Begebenheiten und Zusammenhänge (vgl. Joh.2:18-22). Außerdem sagte der Herr nach Seiner Auferstehung zu Seinen Jüngern: »Alles muss erfüllt werden, was im Gesetz des Mose, in den Propheten und Psalmen von Mir geschrieben ist.« Dann tat Er ihren (der Jünger) Sinn auf, die Schriften zu verstehen, und sagte zu ihnen: »So steht es geschrieben, und so musste Christus leiden und am dritten Tag aus den Toten auferstehen« (Luk.24:44-46).

  Der Apostel Johannes berichtet des Weiteren: »Die Volksmenge, die bei Ihm gewesen war, als Er Lazarus aus dem Grab gerufen und ihn aus den Toten auferweckt hatte, legte nun Zeugnis für Ihn ab. Deshalb ging Ihm auch eine große Schar entgegen, weil sie gehört hatte, dass Er dieses Zeichen getan habe. Da sagten die Pharisäer nun zueinander: Ihr schaut selbst, dass ihr überhaupt nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft hinter Ihm her!« (Verse 17-19).

  Der freudige Empfang und die große Zustimmung, die Jesus erfuhr, ließ den Pharisäern deutlich werden, dass sie Ihn nicht so einfach festnehmen und töten konnten, auf keinen Fall während des Festes, damit kein Tumult unter dem Volk entstehe (Mat.26:5; Mark.14:2). - Nach Gottes Vorsatz aber sollte Jesus das wahre Passahlamm werden!

  Nach dem Vorsatz Gottes erfüllte sich am 9. Nisan 32 n. Chr. (am Samstag, dem 5. April 32 n. Chr.) mit dem Einritt Jesu auch die Weissagung des Propheten Daniel: »Vom Ausgang des Wortes, zurückzukehren und Jerusalem aufzubauen, bis zum Kommen des Messias, des Beherrschers, sind es sieben Siebener und zweiundsechzig Siebener« (Dan.9:25). Rechnet man 69 Jahrsiebener oder 483 Jahre zu 360 Tagen oder 173.880 Tage (oder 476 Jahre und 24 Tage nach unserem Kalender) zurück, so kommt man auf das Datum des Erlasses des Artaxerxes zum Wiederaufbau Jerusalems »im Monat Nisan« (Neh.2:1) des Jahres 445 v. Chr., und zwar auf den 1. Nisan (den 14. März 445 v. Chr.) oder wenige Tage später.

 

Das Ersuchen der Griechen und das Weizenkorn

 

  »Unter denen, die zum Fest hinaufzogen, um anzubeten, waren auch einige Griechen. Diese kamen nun zu Philippus, der von Bethsaida in Galiläa war, und ersuchten ihn: Herr, wir wollen Jesus sehen! - Philippus ging und sagte es Andreas, Andreas und Philippus wiederum gingen und berichteten es Jesus. Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde! Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht« (Verse 20-24).

  Sogar griechische Proselyten suchten Jesu Bekanntschaft zu machen, ein Vorgeschmack darauf, dass die Nationen im tausendjährigen Königreich Israels nach Jerusalem hinaufziehen werden (Jes.2:2-5). Aber der Wunsch der Griechen war heilsgeschichtlich nicht an der Zeit; jetzt standen Jesu Leiden und Sterben bevor. Erst Sein Tod eröffnet den Weg zur Segnung der Nationen durch das zukünftig wiedergezeugte und gläubige Israel. Die Griechen müssen warten, bis das Weizenkorn in die Erde gefallen ist. Jesu Tod wird viel Frucht bringen! Mit Seiner Auferweckung wird der Vater Ihn verherrlichen, und dann werden Ihn auch die Menschen huldigend und anbetend verherrlichen.

 

Die Bewahrung der Seele

 

  Der Herr sprach weiter: »Wer seine Seele lieb hat, verliert sie; wer aber seine Seele in dieser Welt hasst, wird sie zum äonischen Leben bewahren« (Vers 25).

  Die Seele ist das Bewusstsein. Wer seine Seele lieb hat, mithin nur an sein Wohlergehen und den Erhalt seines Lebens in diesem Äon denkt, wird sie nicht für die zukünftige Welt, die des Königreichs Israels, bewahren. Wer hingegen seine Seele hasst, das heißt ihr nur den unteren Rang einräumt und auch bereit ist, für den Herrn zu sterben (besonders demnächst während der großen Drangsal; Mat.24), der wird, auch wenn er im gegenwärtigen Äon stirbt oder umgebracht wird, seine Seele zum Leben in den kommenden Äonen bewahren. - Die an Jesus Glaubenden mussten sich also darauf einstellen, ebenfalls wie ein Weizenkorn in die Erde zu fallen. Auch ihre völlige Hingabe wird viel Frucht bringen.

 

Vom Dienen

 

  Es folgt Vers 26: »Wenn Mir jemand dienen will, so folge er Mir; denn wo Ich bin, dort wird auch Mein Diener sein. Wenn jemand Mir dient, wird der Vater ihn ehren.«

  Der Dienst für den Herrn ist nur dort möglich, wo Er ist, an dem Platz und in der Aufgabe, in der Er Seinen Willen durch uns tun will. Dies ist Nachfolge im Dienst. Die Nachfolge kann gewiss nur in Seiner Gesinnung der Hingabe geschehen, ja - wenn Er will - der Dahingabe bis in den Tod. Der Vater wird es vergelten.

 

»Vater, verherrliche Deinen Namen!«

 

  Der Herr setzte Seine Rede fort: »Nun ist Meine Seele erregt, und was soll Ich sagen? Vater, errette Mich aus dieser Stunde? Nein, deshalb bin Ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche Deinen Namen! - Darauf kam nun eine Stimme aus dem Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen! -

  Die Volksmenge nun, die dabeistand und es hörte, meinte, es habe gedonnert; andere sagten: Ein Bote hat mit Ihm gesprochen« (Verse 27-29).

  Die Stunde Seiner Kreuzigung vor Augen, war unser Herr Jesus Christus bis ins Innerste erregt. Sollte Er Seinen Vater um die Rettung aus dieser bevorstehenden Stunde bitten? Keineswegs. Denn dazu, nämlich als das Weizenkorn zu sterben, hatte der Vater Ihn gesandt. Allein die Verherrlichung des Namens des Vaters durch Seinen Gehorsam war Sein Anliegen.

  Der Vater bestätigte dies. Er hatte Seinen Namen bereits verherrlicht, und zwar durch die Zeichen und Wunder, die Er durch Seinen Sohn getan hatte (Joh.9:4; 10:25,32,37), und Er wird ihn wieder verherrlichen, indem Er Seinen Sohn auferwecken und zu Seiner Rechten setzen wird.

  Der Vater hatte nur zu Seinem Sohn gesprochen. Das hatte die Volksmenge zwar gehört, sie hatte aber nicht verstanden, was der Vater gesagt hatte. Aber selbst die, die nur ein Donnern vernommen hatten, mussten aus Hiob 37:5 wissen, dass El es ist, der völlig unabhängig vom Wetter »donnern macht«.

 

Das Gericht dieser Welt

 

  »Jesus antwortete: Nicht um Meinetwillen ertönte diese Stimme, sondern um euretwillen. Nun ist das Gericht dieser Welt, nun wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden; und wenn Ich von der Erde erhöht bin, werde Ich alle zu Mir ziehen! - Das sagte Er aber, um anzudeuten, welches Todes Er demnächst sterben werde« (Verse 30-33).

  Der Sohn Gottes wird an den Pfahl, das Fluchholz, erhöht werden (vgl. Joh.3:14) und aufgrund dieser in Seiner Dahingabe in den Tod erwiesenen Liebe zu den Sündern und Gottesfeinden alle zu Sich ziehen und ihre Herzen gewinnen.

  Seine Erhöhung ist zugleich das Gericht über diese Welt; Gott verurteilte nämlich die Sünde der gesamten Menschheit im Fleisch Seines Sohnes (Röm.8:3). Man denke auch an dieses Wort unseres Herrn: »Dies ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist; doch die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, weil ihre Werke böse waren« (Joh.3:19).

  Wer ist der Fürst dieser Welt? Die einen meinen, Jesus sei es, die anderen, der Satan sei es. Unser Herr Jesus Christus sagte: »Ich bin nicht von dieser Welt« (Joh.8:23). Ein Fürst sollte eigentlich mit seiner Welt übereinstimmen. Des Weiteren äußerte Jesus: »Es kommt der Fürst dieser Welt, und in Mir hat sie nichts« [oder, da der Satz in der 3. Person Singular steht: »... in Mir hat er nichts«] (Joh.14:30). Wer kommt? Der Satan kommt in wenigen Tagen. Weder er noch seine Welt haben etwas in Jesus, mithin mit Ihm gemeinsam, denn »die Welt liegt in dem Bösen« (1.Joh.5:19), dem Satan. Die Welt hat einen Fürsten, nämlich den des Vollmachtsgebiets der Luft, den in den Söhnen der Widerspenstigkeit wirkenden Geist (Eph.2:2; siehe auch 2.Kor.4:4). Unser Herr Jesus Christus aber ist hoch erhaben über jede Fürstlichkeit (Eph.1:21).

  Man entgegnet vielfach, dass das Gericht dieser Welt das der Welt über Jesus sei und Jesus aus dieser Welt hinausgeworfen worden sei. Der Satan könne nicht gemeint sein, da dieser noch in der Welt ist. Wohl ist er noch da, aber seinen Hinauswurf konnte der Herr durchaus für »nun« ankündigen, denn dieser steht ebenso fest wie die Tatsache, dass Christus alle zu Sich ziehen wird, wenn auch erst in der Zukunft.

  In Johannes 16:8,11 steht geschrieben, dass der Zusprecher »die Welt überführen wird ... betreffs des Gerichts: weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist.« Der Geist Gottes überführt die Welt nicht davon, dass etwa Jesus gerichtet sei, sondern dass der Fürst dieser Welt, der Satan, gerichtet ist. »Oberherrschaften und Obrigkeiten abstreifend, hat Er [Christus] sie öffentlich zur Schau gestellt und in demselben [dem Kreuz; Vers 14] im Triumph einhergeführt« (Kol.2:15)!

 

Werdet Söhne des Lichts!

 

  Da Jesus Christus Seinen Tod und die Todesart genannt hatte, antwortete Ihm die Volksmenge: »Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus für den Äon bleibt; wie kannst Du sagen, der Sohn des Menschen muss erhöht werden? Wer ist dieser Sohn des Menschen? - Jesus sagte nun zu ihnen: Noch eine kurze Zeit ist das Licht unter euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit die Finsternis euch nicht ergreife; denn wer in der Finsternis wandelt, weiß nicht, wohin er geht. Wenn ihr das Licht habt, so glaubt an das Licht, damit ihr Söhne des Lichts werdet!« (Verse 34-36).

  Das Volk wusste, dass der Messias für den Äon bleiben wird, denn es steht geschrieben: »Ein für allemal habe Ich bei Meiner Heiligkeit geschworen - gewiss werde Ich David nie belügen -: Sein Same soll für den Äon bestehen und sein Thron wie die Sonne vor Mir« (Ps.89:36,37). Dies geht auch aus Jesaia 9:6 und Daniel 7:13,14 hervor. Wie sollte diese Weissagung mit einer Tötung des Messias vereinbar sein? Unser Herr aber war vor dem verheißenen Äon zu Seinem Volk gekommen, um zuerst die Hauptprobleme der Menschen, diese sind die Sünde und der Tod, zu lösen, und danach erst werden die Äonen des Königreichs Israels anbrechen, erst dann wird sich Psalm 45:7 erfüllen: »Dein Thron, o Elohim, besteht für den Äon und weiterhin. Ein Zepter der Geradheit ist das Zepter Deines Königreichs.«

  Nur noch wenige Tage, nämlich bis zu Seiner Kreuzigung, wird Jesus Christus unter ihnen sein. Mögen sie doch an Ihn glauben, das Licht zur Erkenntnis Gottes, und im Licht Seines Wortes wandeln; andernfalls werden sie im Finstern umherirren.

 

Jesaia sechs erfüllte sich

 

  »Dies sprach Jesus und ging fort und verbarg Sich vor ihnen. Obgleich Er so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an Ihn, damit das Wort des Propheten Jesaia erfüllt werde, in welchem er ankündigte: Herr, wer glaubt unserer Kunde? Und wem wurde der Arm des Herrn enthüllt? - Sie konnten deshalb nicht glauben, weil Jesaia wiederum gesagt hatte: Er hat ihre Augen geblendet und ihr Herz verstockt, damit sie mit den Augen nicht wahrnehmen, noch mit dem Herzen begreifen und sich umwenden und Ich sie heilen könnte. Dies sagte Jesaia, als er Seine Herrlichkeit gewahrt hatte und von Ihm sprach« (Verse 36b-41).

  Jetzt wissen wir, warum die Juden nicht glaubten, damit nämlich das Wort Jesaias in Kapitel 53:1 erfüllt werde: »Wer glaubte unserer Kunde, und der Arm Jewes - wem wurde er enthüllt?« Nur wenige glaubten Jesaia, und nur wenige glaubten Jesus. Jesu Zeitgenossen hatten den besten Verkündiger gehört und überwältigende Zeichen und Wunder wahrgenommen. nach Gottes Willen aber sollten sie nicht glauben. So verbarg Sich der Herr vor ihnen, was anzeigte, dass Sein öffentlicher Dienst zum Ende gelangte.

  Konnten sie denn überhaupt glauben? Nein, keineswegs, denn Jesaia hatte ihre Verstockung ausgesprochen (Jes.6:8-10), sodass Jesus sie nicht heilen können sollte. Dies entsprach dem Vorsatz der Äonen, den Gott in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat (Eph.3:11). Sollte doch Israel verworfen werden und das Heil zu den Nationen kommen. Sollte doch ihre Kränkung der Reichtum der Welt und ihre Verwerfung der Welt Versöhnung werden (Röm.11:12,15). - Wir wissen, dass dies nicht das letzte Wort Gottes ist, wie denn in Römer 11:30-32 zu lesen ist: »Ebenso wie ihr (Nationen) einst gegen Gott widerspenstig wart, nun aber bei deren (Israels) Widerspenstigkeit Erbarmen  erlangtet, so sind auch diese nun dem euch gewährten Erbarmen gegenüber widerspenstig geworden, damit auch sie von nun an Erbarmen erlangen können. Denn Gott schließt alle zusammen in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme.«

  Was der Sohn Gottes nun aber von Seinem Eigentumsvolk erfahren musste - Unglauben und Ablehnung infolge der Verstockung -, dies hatte Jesaia angekündigt, nachdem er die Herrlichkeit Jesu gewahrt hatte. Der Prophet berichtet: »Im Todesjahr des Königs Usia sah ich meinen Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen, und Seine Gewandsäume füllten den Tempel. Seraphim standen oben Ihm zugewandt, sechs Flügel, ja sechs Flügel hatte ein jeder; mit zweien bedeckte er sein Angesicht, mit zweien bedeckte er seine Füße und mit zweien flatterte er. Und einer rief dem anderen zu und sprach: Heilig, heilig, heilig ist Jewe der Heere! Erfüllt ist die gesamte Erde mit Seiner Herrlichkeit! ... Den König, Jewe der Heere, haben meine Augen gesehen!« (Jes.6:1-3+5c).

  Jesaia sprach von Jesus. Die Herrlichkeit, die Jesaia sah, war Jesu Herrlichkeit. Jesus ist Jewe! Da Jewe Selbst unsichtbar ist, sah Jesaia Jesus Christus, das Abbild des unsichtbaren Gottes (Kol.1:15), die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes und die Abprägung des Wesens des Vaters (Heb.1:3). Diese zwei sind - da derselbe Geist in Ihnen wohnt - eins (Joh.10:30).

  Der Verstockungsausspruch des Propheten Jesaia wird übrigens immer dann zitiert, wenn ein Wendepunkt im Dienst des Herrn eingetreten war. Nach dem ersten Dienstabschnitt der freimütigen Verkündigung des Königreichs Israels unter dem Aufruf zur Umsinnung (Mat.4:17), des sich dann aber zeigenden Unglaubens der Juden, sprach der Herr in Gleichnissen zu ihnen, »damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen« (Mat.13:13), damit das Wort Jesaias an ihnen besiegelt werde (Mat.13:14,15). Und auch jetzt wieder war die Verstockung Israels so deutlich geworden, dass Jesus mit dem Ausspruch Jesaias einen Schlussstrich zog. Entsprechend Seiner Bitte am Kreuz: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun« (Luk.23:34) schloss Petrus zu Pfingsten des Jahres 32 die Tür zum Königreich Israels wieder auf. Leider lehnten sowohl die Inlandsjuden wie auch die Auslandsjuden Jesus im Verlauf der Apostelgeschichtszeit erneut ab, sodass der Apostel Paulus die Tür zum Königreich nochmals verschloss, indem er den Ausspruch Jesaias zitierte (Ap.28:25-27). Und dann sagte Paulus: »Es sei euch daher bekannt gemacht, dass diese Rettung Gottes den Nationen gesandt worden ist; sie werden auch hören« (Ap.28:28). - So haben wir nun den Gewinn.

 

Glauben ohne zu bekennen

 

  Wir lesen die Verse 42 und 43: »Doch glaubten auch viele der Oberen gleichfalls an Ihn, bekannten es aber um der Pharisäer willen nicht, damit sie nicht aus der Synagoge ausgestoßen würden; denn sie liebten eben die Verherrlichung von Menschen weit mehr als die Verherrlichung Gottes.«

  Wie ernst nehmen wir Gott? Wie verbindlich ist uns Gottes Wort? Habe ich Menschenfurcht, oder habe ich Gottesfurcht? Bekenne ich Jesus als meinen Herrn? - Wie gut, dass wir nach dem Evangelium des Apostels Paulus allein durch Glauben und allein in der Gnade gerettet sind und bleiben. Nach dem Evangelium der Beschneidung aber ist dies anders, sagte der Herr doch: »Jeder nun, der sich vor den Menschen zu Mir bekennen wird, zu dem werde auch Ich Mich vor Meinem Vater in den Himmeln bekennen. Wer Mich aber vor den Menschen verleugnen wird, den werde auch Ich vor Meinem Vater in den Himmeln verleugnen« (Mat.10:.32,33). Jene werden mithin nicht von Gott verherrlicht werden.

 

»Wer an Mich glaubt ...«

 

  »Jesus aber rief laut: Wer an Mich glaubt, der glaubt nicht an Mich, sondern an den, der Mich gesandt hat; und wer Mich schaut, der schaut den, der Mich gesandt hat. Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit keiner, der an Mich glaubt, in der Finsternis bleibe« (Verse 44-46).

  Nur wer an Jesus glaubt, glaubt wahrhaftig an Gott. Nur wer Jesus glaubend anschaut, gewahrt in Ihm den unsichtbaren Gott (Joh.1:18; 12:41; 14:9; Kol.1:15: Heb.1:3). Nur wer an Jesus als den Christus glaubt, in dessen Herzen wird es hell; da muss kein Werk mehr in der Dunkelheit bleiben, und die Erkenntnis der Wahrheit sowie der Größe und Herrlichkeit Gottes gewinnt an Raum.

 

Jesu Worte werden richten

 

  In Seiner letzten Rede an das Volk - hernach wird Er Sich nur noch Seiner Jünger widmen - erklärte der Herr schließlich: »Wenn jemand Meine Worte hört und nicht bewahrt, den richte nicht Ich; denn Ich bin nicht gekommen, damit Ich die Welt richte, sondern damit Ich die Welt rette. Wer Mich ablehnt und Meine Worte nicht annimmt, der hat, was Ihn richtet: Das Wort, das Ich gesprochen habe, dasselbe wird ihn am letzten Tag richten« (Verse 47+48).

  Eines Tages, nämlich vor dem großen, weißen Thron, wird der Messias richten, jetzt aber war Er gekommen, um Evangelium, frohe Botschaft, zu verkündigen (Luk.4:18) und zu retten (Joh.3:17).

  Die Worte Jesu sind Wahrheit und vermitteln Leben. Wie man sich zur Wahrheit und zum Leben gestellt hat, wird sich am letzten Tag, wenn die gläubigen Toten Israels auferweckt werden, und zwar 1.335 Tage nach der Mitte des letzten Jahrsiebeners und damit 75 Tage nach der Wiederkunft Jesu (Dan.12:12,13; vgl. die Ausführungen zu Joh.11:24), erweisen, da man sehen wird, wer in das Königreich Israels und das äonische Leben eingeht.

  Die ungläubigen Israeliten bleiben noch im Tode - wie sollte jemand im Königreich leben, der den König ablehnt? Sie nehmen nicht an der ersten Auferstehung, der zum Leben, sondern an der zweiten, der zum Gericht, teil (Joh.5:29; Off.20:6). Ihr Urteil aber stand bereits fest, als sie das Wort Jesu verwarfen, denn da hatten sie, was sie richtet, wie schon in Kapitel 3:18 geschrieben steht: »Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einziggezeugten Sohnes Gottes geglaubt hat.« Im Übrigen sagte der Herr: »Meint nur nicht, dass Ich euch beim Vater verklagen werde! Einer ist euer Verkläger, Mose, auf den ihr euch verlasst« (Joh.5:45). Das Gesetz des Mose wird zum Zeugen gegen Israel werden, hatte Mose gesagt (5.Mose 31:26).

  Das Wort wird die Menschen richten. »Denn das Wort Gottes ist lebendig, wirksam und schneidender als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Teilung von Seele und Geist sowie von Gelenken als auch Mark; es ist Richter der Überlegungen und Gedanken des Herzens« (Heb.4:12).

 

Des Vaters Anweisungen sind äonisches Leben

 

  Jesus schloss Seine Rede mit dem nachdrücklichen Hinweis, dass es des Vaters Worte sind, die man ablehnt, wenn man Jesu Worte nicht annimmt. Er sagte: »Denn ich spreche nicht aus Mir Selbst, sondern der Vater, der Mich gesandt hat, Er hat Mir Anweisung gegeben, was Ich sagen und was Ich sprechen soll. Und Ich weiß, dass Seine Anweisung äonisches Leben ist. Was Ich nun spreche, das spreche Ich so, wie es der Vater zu Mir geredet hat« (Verse 49+50).

  Wer den Sohn sieht, der sieht den Vater (Joh.14:9), und wer den Sohn hört, welcher nur auf Seinen Vater hört, der hört den Vater (Joh.3:34; 8:28; 14:10).

  Die Anweisungen des Vaters sind äonisches Leben. Die Anweisungen oder Gebote (griech. entolê) enthalten von der Wortbedeutung her in sich ein Ziel, sodass wir sagen können: Die Anweisungen des Vaters führen zum Leben in den kommenden Äonen (Joh.3:16; 6:40).

  Der Lobpreis und die Verherrlichung sei Ihm, dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!

 

Die Fußwaschung

(Johannes 13)

 

  In den Kapiteln 13 bis 17 schildert der Apostel Johannes die Reden Jesu an Seine Jünger und Sein hohepriesterliches Gebet während des letzten Mahles mit ihnen am Abend zu jener Nacht, in der Er gefangen genommen wurde. Wir schreiben den 13. Nisan des Jahres 32, den Tag vor dem Passahfest, den man als Vorbereitungstag, Rüsttag oder Tag der Gerätebereitstellung bezeichnete (Joh.19:14).

 

Die Stunde war gekommen

 

  »Es war vor dem Passahfest, und Jesus wusste, dass Seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Wie Er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis zum Abschluss« (Vers 1).

  Die Stunde, um die der Herr wusste, umfasste die Ereignisse dieses und der nächsten Tage, Seinen Tod und Seine Auferweckung, Seine Auffahrt zum Vater kurz nach Seiner Auferstehung (Joh.20:17) sowie Seine Himmelfahrt nach 40 Tagen (Ap.1:3,9).

  Jesus liebte die Seinen bis zum Abschluss. All Sein Reden und Tun an diesem Abend und in dieser Nacht machen diese Seine Liebe deutlich. Und schließlich erkennen wir Seine Liebe daran, dass Er Seine Seele für uns dahingab (1.Joh.3:16).

 

Jesu Ausgang von Gott und Rückkehr zu Ihm

 

  »Als das Mahl gehalten wurde und der Widerwirker es dem Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gelegt hatte, dass er Ihn verraten sollte - Jesus aber wusste, dass der Vater Ihm alles in die Hände gegeben hatte und dass Er von Gott ausgegangen war und wieder zu Gott hingehe -, da erhob Er Sich vom Mahl, legte das Obergewand ab, nahm ein Leinentuch und umgürtete Sich damit« (Verse 2-4).

  Der Herr und Seine Jünger lagen beim abendlichen Mahl. Der Satan, der ohnehin in den Söhnen der Widerspenstigkeit wirkt (Eph.2:2), hatte Judas in seinen Griff genommen.

  Jesus Christus aber, der über den Satan hocherhaben ist (Eph.1:21), wusste, dass der Vater Ihm alles in die Hände gegeben, Ihm das gesamte Rettungswerke anvertraut hatte (Mat.11:27; Joh.3:35).

  Jesu Ausgang von Gott und Seine Rückkehr zu Ihm (Joh.16:28) lässt sich auch an den Einrichtungen des Tempels und den Parallelen im Bericht des Johannes ablesen:

-         Jesus kam vom Vater, aus dem Allerheiligsten, denn Er war zuvor zu Gott hingewandt gewesen (Joh.1:1);

-         Er kam zuerst zum goldenen Räucheraltar, von welchem aus Sein Gebet, dass Er in der Welt eintreffe, um Gottes Willen zu tun, zu Gott aufstieg (Heb.10:5);

-         dann traf Jesus auf den siebenarmigen Leuchter; dementsprechend wird Er in Johannes 1:9 als das wahrhafte Licht vorgestellt;

-         dann trat Jesus an das kupferne Waschbecken heran, ebenso wie Er Sich im Jordan taufen ließ (Joh.1:33);

-         nach Seiner Verwerfung durch Israel sieht der Messias Sich, Seinen Tod bezeugend, auf dem Brandopferaltar (Joh.12:24) und beginnt mit dem Rückweg;

-         Er kommt, Seinen Jüngern die Füße waschend (Joh.13:5), damit gewissermaßen wieder am Waschbecken vorbei;

-         sodann auf die Schaubrote treffend, dürfen wir an das letzte Mahl mit Seinen Jüngern denken (Joph.13:2-28);

-         und dann kommt der Herr wieder zum goldenen Räucheraltar und bringt dort Sein hohepriesterliches Gebet dar (Joh.17);

-         am Ende dieses Durchgangs geht der Sohn Gottes wieder in das Allerheiligste hinein, zu Seinem Gott und Vater.

 

Anteil an Jesus

 

  »Danach tat Er Wasser in das Waschbecken und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch, mit dem Er umgürtet war, abzuwischen. Er kam dann zu Simon Petrus. Der aber sagte zu Ihm: Herr, Du wäschst mir die Füße? - Da antwortete Jesus: Was Ich tue, weißt Du jetzt nicht, du wirst es aber danach erfahren! - Petrus entgegnete Ihm: Keinesfalls sollt Du mir für den Äon die Füße waschen! - Jesus antwortete ihm: Wenn Ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an Mir« (Verse 5-8).

  Den Gästen die staubigen Füße zu waschen, war die Arbeit des niedrigsten Sklaven. Kein Wunder, dass Petrus protestierte! Er wird auch gespürt haben, dass er eigentlich dem Herrn die Füße hätte waschen sollen. Und dennoch war es Jesu Aufgabe, denn nur Er konnte die Seinen reinigen.

  Anteil an Jesus Christus und damit am Leben in Seinem Königreich können nur die Abgewaschenen und mithin Reinen haben, ebenso wie Aaron und seine Söhne sich am kupfernen Waschbecken reinigen mussten, damit sie nicht stürben (2.Mose 30:17-21). Sie mussten sich allerdings wiederholt reinigen, wie es sich denn auch nach dem Evangelium der Beschneidung verhält (1.Joh.1:9).

  Was uns betrifft: Wir Glieder der Körpergemeinde Christi sind abgewaschen und geheiligt durch den Geist unseres Gottes (1.Kor.6:11). Wir sind ein für allemal gerechtfertigt - weit weg von allen Sünden.

  Die Waschung war ein Symbol für die Reinigung des Herzens, wie König David es bereits verstand: »Wasche mich völlig von meiner Verworfenheit, und von meiner Sünde reinige mich. ... Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde. Wasche mich, dass ich weißer werde als Schnee« (Ps.51:4,9). Und vergessen wir nicht die Worte Jesu in Seiner Rede auf dem Berg: »Glückselig sind die im Herzen Reinen, denn sie sollen Gott sehen« (Mat.5:8).

 

Die Füße genügen

 

  »Darauf erwiderte Ihm Simon Petrus: Herr, nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt! - Da sagte Jesus zu ihm: Wer gebadet ist, braucht sich außer den Füßen nicht weiter zu waschen, er ist ganz rein. So seid auch ihr rein, jedoch nicht alle. - Denn Er wusste um Seinen Verräter, deshalb sagte Er: Nicht alle seid ihr rein« (Verse 9-11).

  Geduldig erklärte der Herr dem unbedacht redenden Petrus, dass die Füße genügen und er nun rein sei. Ein wenig später sagte Jesus zu Seinen Jüngern: »Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das Ich zu euch gesprochen habe« (Joh.15:3).

  Um Seinen Verräter wusste Jesus übrigens von Anfang an (Joh.6:64).

 

Den Jüngern zum Beispiel

 

  Und nun erfuhr Petrus, was er anfangs nicht wusste, nämlich warum der Herr so gehandelt hatte (Vers 7). Die Verse 12 bis 15 sagen es: »Als Er nun ihre Füße gewaschen, Sein Obergewand genommen und Sich wieder niedergelassen hatte, sagte Er zu ihnen: Erkennt ihr, was Ich an euch getan habe? Ihr redet Mich mit Lehrer und Herr an; und ihr sagt es trefflich, denn das bin Ich. Wenn nun Ich, der Herr und Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie Ich an euch getan habe.«

  Schön wäre es, jetzt schreiben zu können: Und so handeln die Gläubigen bis auf den heutigen Tag und begegnen einander in Demut. Demut ist die Überzeugung der eigenen Niedrigkeit. Leider aber streben viele der Lehrer und Leiter der Heiligen nach hohen Ehren, Würden und Auszeichnungen, sogar nach staatlicher Anerkennung. Wissen sie denn nicht, dass Gott sie erhöhen wird, uns sogar bis in den Himmel (Eph.2:6)? - Möge die Gesinnung Christi in uns sein (Phil.2:1-8)! Seinem Beispiel sollen die Gläubigen nachfolgen (1.Pet.2:21; 1.Joh.2:6; Kol.3:13).

 

Glückselig, wer seine Stellung kennt

 

  »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr, noch ein Apostel größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr das wisst - glückselig seid ihr, wenn ihr es tut! Nicht von euch allen sage Ich es; denn Ich weiß, welche Ich erwählt habe; aber, damit die Schrift erfüllt werde: Der mit Mir das Brot isst, erhebt seine Ferse gegen Mich. Schon jetzt sage Ich es euch, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, auch glaubt, dass Ich es bin« (Verse 16-19).

  Glückselig ist, wer sich seiner Stellung gemäß unterordnet und gehorsam den Willen des Herrn tut.

  Einen Seiner Jünger hatte der Herr zu dem Zweck auserwählt, dass Psalm 41:10 erfüllt werde, wo es heißt: »Der mein Brot aß, erhebt seine Ferse hoch gegen mich.« So wird einer seine Ferse zu einem Tritt gegen seinen Herrn ausholen und Ihn verraten.

  Dass Jesus dies bekannt gab, ehe es geschah, sollte Seine Jünger im Glauben stärken.

  Der Herr übrigens verriet jenen Jünger nicht. Selbst als Judas Iskariot in die Nacht hinausging, wussten die anderen nicht, wozu (Verse 27-30).

 

Was aus dem Aufnehmen Jesu folgt

 

  Denen, die glauben, dass Jesus der Christus ist, wird der Glaube zum Sendungsauftrag, und denen sagte Er: »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer den aufnimmt, den Ich senden werde, nimmt Mich auf; wer aber Mich aufnimmt, nimmt den auf, der Mich gesandt hat« (Vers 20).

  Die Gläubigen handeln nicht im eigenen Namen, ebenso wie der Sohn nur den Willen Seines Vaters zu tun suchte. So sind die Werke der Gläubigen auch nicht ihre Werke, sondern Gott tut Seine Werke durch sie. Mit den Heiligen ist Gott Selbst praktisch in der Welt; wer sie annimmt, nimmt den Herrn und mit Ihm Gott an.

 

»Herr, wer ist es?«

 

  Nun lesen wir die Verse 21 bis 26: »Als Jesus dies gesagt hatte, wurde Er im Geist beunruhigt und bezeugte: Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Einer von euch wird Mich verraten. - Da blickten nun die Jünger einander an, sich ratlos fragend, von wem Er wohl spreche. Aber einer von Seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag bei Tisch an Jesu Seite. Diesem winkte Simon Petrus nun zu, sich zu erkundigen, wer es sei, von dem Er gesprochen hatte; und er bat Ihn: Sage uns, wer es ist, den Er damit meint! - Jener nun lehnte sich somit an Jesu Brust zurück und fragte Ihn: Herr, wer ist es? - Jesus antwortete dann: Es ist derjenige, dem Ich den Bissen eintauchen und geben werde! - Als Er nun den Bissen eingetaucht hatte, nahm Er ihn und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot.«

  Der vom Herrn besonders geliebte Jünger war Johannes (Joh.19:26; 21:7,20), der uns jede Einzelheit dieser spannungsgeladenen Krise schildert.

  Vom Gastgeber den Bissen, einen besonders guten Happen, gereicht zu bekommen, war eine hohe Ehre und hier ebenfalls ein Liebeserweis Jesu. Wohl deshalb hatten die anderen Jünger nicht erkannt, dass dies die Antwort auf ihre brennende Frage war.

 

Nach dem Bissen

 

  »Und dann, nach dem Bissen, fuhr Satan in jenen. Darauf sagte nun Jesus zu ihm: Was du tun willst, das tue bald! - Aber niemand von denen, die zu Tisch lagen, erkannte, wozu Er ihm das sagte. Einige meinten nämlich, weil Judas die Kasse hatte, dass Jesus zu ihm sagen wollte: Kaufe, was wir zum Fest brauchen, oder dass er den Armen etwas geben solle. Nachdem jener nun den Bissen genommen hatte, ging er sogleich hinaus. Es war aber Nacht« (Verse 27-30).

  Der Satan kann in einen Menschen fahren, weil er ein Geist ist; ein geistlicher Fürst ist er, dessen Vollmachtsgebiet der Luftraum ist (Eph.2:2). In diesem fall überließ er dies nicht irgendeinem bösen Geist, sondern nahm höchstselbst von Judas Besitz, um dessen Denken und Handeln absolut bestimmen zu können und zu verhindern, dass jener etwa noch Bedenken bekomme. Später, als Judas begriff, was er getan hatte, bereute er und zog die bittere Konsequenz (Mat.27:3-5).

  Mit den Worten: »Was du tun willst, tue bald« besiegelte Jesus das gesamte Geschehen (zumal es der Schrift nach geschehen musste), indem Er Judas an den Satan übergab, wie Psalm 109:6 sagt: »Übergib ihn [den Übeltäter] einem Frevler, und lass einen Widerwirker [hebr. wörtl.: Satan] zu seiner Rechten erstehen.«

  Im Übrigen werden uns hier die Augen darüber aufgetan, dass nicht Judas oder die Hohenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrten Jesu größten Feinde waren, sondern der Satan, der in ihnen wirkte (Eph.2:2) und sie gebrauchte, um den Sohn Gottes in erbitterter Feindschaft zu Tode zu bringen. Jetzt fand der Kampf der wahren Kontrahenten statt, von dem in 1.Mose 3:15 geschrieben steht: »Er [Jesus] wird dir [der Schlange, dem Satan] den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen.«

  Als Judas hinausging, war es nicht nur Nacht, sondern es war auch die Stunde der Finsternis (Luk.22:53). Gottes Gedanken aber gehen auf viel Höheres hinaus.

 

Zur Verherrlichung des Sohnes und Gottes

 

  »Als er dann fortgegangen war, sagte Jesus: Nun wird der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott wird in Ihm verherrlicht. Wenn Gott in Ihm verherrlicht wird, wird Gott Ihn auch in Sich Selbst verherrlichen, und sogleich wird Er Ihn verherrlichen« (Verse 31+32).

  Alles, was alsbald geschehen wird, wird zur Verherrlichung des Sohnes und Gottes führen, und zwar Jesu Gehorsam bis zum Tode am Kreuz, wodurch Er vollkommen gemacht werden wird (Heb.5:9), sowie Seine Auferweckung und Seine Erhöhung zur Rechten Gottes. Alle Vollmacht im Himmel und auf Erden wird der Vater Ihm geben (Mat.28:18). Die Liebe aller, für die Er Sich dahingegeben haben wird, wird Ihm huldigen (Phil.2:11). Und dies alles wird auch zur Verherrlichung des Vaters dienen. Der Sohn verherrlicht den Vater, indem Er dessen Willen tut, und der Vater verherrlicht den Sohn für dessen Treue.

 

Noch kurze Zeit

 

  Dann sagte der Herr: »Kindlein, noch kurze Zeit bin Ich bei euch, dann werdet ihr Mich suchen. Und wie Ich den Juden gesagt habe, sage Ich jetzt auch euch: Wohin Ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen« (Vers 33).

  Den Juden hatte Jesus dies schon vor einem halben Jahr beim Laubhüttenfest gesagt (Joh.8:21).

  Bis zu Seiner Himmelfahrt wird der Herr noch bei seinen Jüngern sein; dann wird Er zum Vater gehen, zu dem, der Ihn gesandt hatte (Joh.7:33; 16:5). Dorthin, in den Himmel, können die Jünger nicht kommen, denn das gläubige Israel ist zum Dienst auf der Erde bestimmt.

 

Das neue Gebot

 

  »Ein neues Gebot gebe Ich euch, dass ihr einander liebt; so wie Ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr Meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt« (Verse 34+35).

  Am Ende Seines Dienstes legte Jesus Seinen Jüngern besonders ans Herz, einander zu lieben. Wenn Gläubige einander lieben, ist dies eine besondere Kostbarkeit und ein großer Segen. Neu ist, dass ihre Liebe sich nunmehr am Beispiel Jesu orientieren soll. Auf diese Weise werden sie ausdrücklich Jesu Zeugen sein.

  Kurz darauf sagte Jesus nochmals: »Dies ist Mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie Ich euch geliebt habe« (Joh.15:12). Johannes kommt in seinem ersten Brief, Kapitel 3, Vers 11, darauf zurück: »Dies ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt, dass wir einander lieben sollen« (vgl. 1.Joh.3:23; 4:7,11; 2.Joh.5). Auch Petrus ermahnt: »Nachdem ihr eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit geläutert habt zu ungeheuchelter Freundschaft, liebt einander inbrünstig aus wahrhaftigem Herzen« (1.Pet.1:22).

 

Die Ankündigung der Verleugnung durch Petrus

 

  »Da fragte Ihn Simon Petrus: Herr, wohin gehst Du? - Jesus antworte ihm: Wohin Ich gehe, dahin kannst du Mir nun nicht folgen; hernach aber wirst du Mir folgen. - Darauf sagte Petrus zu Ihm: Herr, warum kann ich Dir jetzt nicht folgen? Meine Seele will ich für Dich hingeben! - Jesus antwortete: Deine Seele willst du für Mich hingeben? Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Keinesfalls wird der Hahn krähen, bis du Mich dreimal verleugnet haben wirst« (Verse 36-38).

  Jetzt ging der Herr in den Tod. Dorthin konnte Petrus Ihm nicht folgen. Hernach aber wird auch Petrus um seines Glaubens willen getötet werden.

  Dieser impulsive Mann, der seine Gedanken nicht zurückhielt, erklärte ehrlich von sich selbst überzeugt, sich dabei allerdings überschätzend und gar nicht an die Kriegslisten des Satans denkend, dass er dem Herrn immer und überall hin, ja sogar in den Tod folgen wolle. Jesus, Sein Herr und Meister, aber nahm ihn in die bittere Schule der Selbsterkenntnis, indem Er ihm voraussagte, dass jener Ihn in Kürze dreimal verleugnen werde. Petrus muss seinen Ohren nicht getraut haben, und die anderen Jünger mussten ganz irritiert sein, ob es denn etwa Petrus sei, der den Messias verraten werde.

  Die Worte Jesu: »Hernach wirst du Mir folgen« stellen einen herrlichen prophetischen Ausblick auf die zukünftige Glaubenstreue des Petrus dar, der sein Leben im Martyrium beenden wird, wie der Herr ihm später verdeutlichte: »Weide Meine Schäflein! Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest. Wenn du aber ein Greis geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich dahin bringen, wohin du nicht willst. - Das sagte Er aber, um anzudeuten, mit welchem Tod er Gott verherrlichen werde. Nachdem Er dies gesagt hatte, gebot Er ihm: Folge Mir nach!« (Joh.21:18,19).

  Und Petrus wurde ein wahrer Nachfolger Jesu Christi, der seinen Herrn bis in den Tod verherrlichte.

 

»Ich gehe zum Vater!«

(Johannes 14)

 

  Die Jünger waren sehr beunruhigt. Gerade hatte ihr Herr Jesus Christus von einem, der Ihn verraten werde, gesprochen (Joh.13:21) und dass der Satan die Jünger für sich fordere (Luk.22:31); Er hatte ihnen erklärt, dass Er nur noch kurze Zeit unter ihnen sein werde, außerdem dass sie nicht dorthin kommen könnten, wohin Er gehe (Joh.134:33); und zu Petrus hatte Er gesagt: »Keinesfalls wird der Hahn krähen, bis du Mich dreimal verleugnet haben wirst« (Joh.13:38).

  Darum sprach Er ihnen nun zu.

 

»Glaubt!«

 

  »Euer Herz sei nicht beunruhigt! Glaubt an Gott! Glaubt auch an Mich!« (Vers 1).

  Lasst euch nicht erschüttern, seid nicht bestürzt, sondern glaubt, vertraut Gott und Mir!

 

Jesus wird den Seinen eine Stätte bereiten

 

  Möge die folgende Verheißung Jesu den Jüngern Zuversicht gegeben haben: »In dem Haus Meines Vaters sind viele Bleibestätten; wenn aber nicht, hätte Ich’s euch gesagt, da Ich gehe, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn Ich gegangen bin und euch eine Stätte bereitet habe, komme Ich wieder und werde euch zu Mir nehmen, damit auch ihr seid, wo Ich bin« (Verse 2+3).

  Das Haus des Vaters war die Weihestätte, wie der Herr bei ihrer ersten Reinigung sagte (Joh.2:16). Darin waren viele Bleibestätten, und zwar die Dienstzimmer für die jeweils amtierenden Priester. Dies wird auch in der neuen hesekielschen Weihestätte wieder so sein (Hes.40:7,45).

  Die Jünger werden also zusammen mit dem Herrn Jesus Christus in den Bleibestätten der Weihestätte sein. Er wird ihnen ihre Dienstzimmer bereiten. Vor einigen Monaten hatte Er ihnen mitgeteilt: »In der Wiederwerdung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzt, werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten« (Mat.19:28).

  Nirgendwo steht geschrieben, dass die Gläubigen Israels in den Himmel kämen; dies ist unsere Erwartung, der Glieder der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:3,22,23; 2:6). Die Segnungen für die Juden sind himmlischen Charakters, werden aber auf der Erde empfangen. Auch das »Königreich der Himmel« (Mat.5:3) wird sich auf der Erde befinden (Mat.5:5). Der Herr kommt auf die Erde zurück (Sach.14:4; Off.11:15).

  König David sang in Psalm 43:3: »Sende Dein Licht und Deine Wahrheit, sie sollen mich leiten; sie werden mich zum Berg Deines Heiligtums bringen und zu Deinen Wohnungen.«

 

»Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben«

 

  Jesus schloss Seinen Zuspruch mit den Worten: »Und ihr wisst, wohin Ich gehe, und den Weg wisst ihr auch« (Vers 4).

  »Da sagte Thomas zu Ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin Du gehst; wie können wir den Weg wissen? - Jesus erwiderte ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch Mich« (Verse 5+6).

  Jesus wusste, dass Er von Gott ausgegangen war und wieder zu Gott hingehe (Joh.13:3). Eigentlich hätte Thomas es auch wissen müssen, denn Jesus hatte im Zusammenhang mit dem Essen Seines Fleisches und dem Trinken Seines Blutes gesagt: »Nehmt ihr das zum Anstoß? Was nun, wenn ihr schaut, wie der Sohn des Menschen dahin aufsteigt, wo Er zuvor war?« (Joh.6:61,62).

  Jesus geht zum Vater. Dies ist das eine.

  Das andere ist: Er ist der Weg für die Menschen, zum Vater, in die geistliche Gemeinschaft mit Ihm zu kommen.

  Jesus ist der lebendige Weg durch den Vorhang im Tempel hindurch in das Allerheiligste, eben zum Vater; mit Seinem Blut nur kann man dort eintreten (Heb.10:19,20).

  Jesus ist die Wahrheit, da die Wahrheit in Ihm ist (Eph.4:21, Gott und Sein Wort.

  Jesus ist das Leben, da das Ihm vom Vater gegebene Leben in Ihm ist (Joh.1:4; 5:26). Er ist das Leben (Joh.11:25) und gibt allen Leben (2.Tim.1:10). Dementsprechend sind Seine Worte Geist und Leben, lebendig und wirksam (Joh.6:62; Heb.4:12).

  Es liegt sehr nahe, die drei Begriffe: »der Weg, die Wahrheit und das Leben« als die Redefigur Hendriadys zu verstehen und zwei der Substantive als Adjektive aufzufassen, den Satz mithin wie folgt aufzunehmen: »Ich bin der wahre und der lebendige Weg«, zumal die gesamte Thematik der Weg zum Vater ist.

  »Niemand kommt zum Vater außer durch Mich.« Auch Petrus betont, dass der Gerechte für die Ungerechten starb, »damit Er uns zu Gott führe« (1.Pet.3:18). »Nur durch Mich« - es gibt nur diesen einzigen Weg; nur Einer ist der Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus (1.Tim.2:5). »In keinem anderen ist die Rettung; denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter Menschen gegeben worden ist, in welchem wir gerettet werden müssen« (Ap.4:12).

 

»Zeige uns den Vater«

 

  Dann sagte der Herr: »Wenn ihr Mich erkannt hättet, würdet ihr auch Meinen Vater kennen. Von jetzt an kennt ihr Ihn und habt Ihn gesehen. - Darauf sagte Philippus zu Ihm: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns. - Jesus antwortete ihm: So lange Zeit bin Ich schon bei euch, und du hast Mich nicht erkannt, Philippus! Wer Mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen; doch wie sagst du: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass Ich im Vater bin  und der Vater in Mir ist? Die Worte, die Ich zu euch spreche, spreche Ich nicht von Mir Selbst aus, sondern der Vater, der in Mir bleibt, Er tut Seine Werke« (Verse 7-10).

  Da der Vater durch Seinen Geist im Sohn ist und der Sohn nur die Worte des Vaters spricht sowie die Ausstrahlung der Herrlichkeit und die Abprägung des Wesens Gottes ist (Heb.1:3), sieht den Vater, wer Jesus sieht. Niemand kann den unsichtbaren Gott sehen (Kol.1:15; 1.Tim.1:17). Im Anschauen des Charakters und der Handlungen Jesu aber lernt man den Vater kennen. Nirgendwo anders als im Angesicht Jesu kann man den Vater erkennen und in Sein Herz blicken. Es gibt keinen anderen Weg. Den Vater kann nur erkennen, wem der Sohn es zu enthüllen beschließt (Mat.11:27). Nur Jesus schildert uns den Vater (Joh.1:18).

  Jesu Lehre war nicht von Ihm Selbst, sondern von dem, der Ihn ausgesandt hatte (Joh.7:16; 8:28). Was Er sagte und sprach, war Ihm vom Vater gegeben (Joh.12:49). Und Jesu Werke und Wunder waren des Vaters Taten; der Vater wirkte durch Seinen Sohn (Joh.5:19).

 

Das Bitten im Namen Jesu

 

  Der Herr fuhr fort (Verse 11-15): »Glaubt Mir, dass Ich im Vater bin und der Vater in Mir ist; aber wenn nicht, so glaubt Mir um der Werke selbst willen. Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer an Mich glaubt, der wird die Werke, die Ich tue, auch tun, und er wird größere Werke als diese vollbringen; denn Ich gehe zum Vater, und was ihr auch in Meinem Namen bitten werdet, das werde Ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht werde. Wenn ihr Mich in meinem Namen um etwas bittet, werde Ich dies tun. Wenn ihr Mich liebt, werdet ihr Meine Gebote halten.«

  Der Vater und der Sohn stehen durch ihren Geist in engster Gemeinschaft. Sollte jemand dies und dass Jesus mithin der Sohn Gottes ist, nicht glauben, so möge er doch um der Werke willen, die er gesehen hat, glauben. Jesu Werke bezeugen, dass der Vater Ihn gesandt hat (Joh.5:36). Die Werke durften also zum Glauben hinführen. »Glückselig [aber] sind, die nicht gewahren und doch glauben« (Joh.20:29).

  Auch bei uns heute spielen Werke eine Rolle; zwar glauben wir nicht aufgrund von Werken - »wir wandeln hier durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung« (2.Kor.5:7) -, wir glauben aber den Werken, von denen wir in der Bibel lesen, und dies darf zu unserer Förderung im Glauben dienen.

  Wie kann es sein, dass die Gläubigen größere Werke als der Herr vollbringen werden? Wenn wir annehmen, dass die Totenauferweckungen Jesu größten Werke waren, dann stellen wir bei der Lektüre der Apostelgeschichte fest, dass die Apostel gleichgroße Werke taten (Ap.9:40; 20:10). Im tausendjährigen Königreich Israels aber werden sie größere Werke vollbringen, etwa dass sie ganze Nationen zu Jüngern machen (Mat.28:19).

  Den Werken der Jünger geht stets die Bitte an den voraus, der die Werke eigentlich tut, und dies, damit der Vater im Sohn verherrlicht werde.

  Die Erhörung der Gebete um große Werke ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden:

a)    Die Bitte muss im Namen Jesu erfolgen, das heißt in Seinem Auftrag und Seinem Willen gemäß. »Wenn wir etwas nach Seinem Willen bitten, dann hört Er uns« (1.Joh.5:14).

b)    Die Bitte muss in der Liebe zum Herrn geschehen. Nur wer den Herrn liebt, wird Seine Worte aufnehmen und bewahren (Joh.15:7), auf Seine Gebote hören und nur wollen, dass des Herrn Wille geschieht. Dann wird es so sein, wie Johannes in seinem ersten Brief schreibt: »Wenn wir etwas erbitten, so erhalten wir es von Ihm, weil wir Seine Gebote halten und das vor Seinen Augen Wohlgefällige tun« (3:22). Nur der   Gehorsame glaubt; nur der Gehorsame liebt den Herrn.

  Uns, die wir heute in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade leben (Eph.3:2; Kol.1:25), stehen die Kräfte des zukünftigen Äons nicht zur Verfügung (Heb.6:5), sodass wir nicht wissen, was der Wille des Herrn im Einzelfall ist. Wir lassen in allem unsere Bitten im Gebet und Flehen vor Gott bekannt werden und danken Ihm dafür, dass Er alles wohl hinausführt (Phil.4:6). »Wir wissen nicht, was wir beten sollten in Übereinstimmung mit dem, was sein muss« (Röm.8:26), »wir wissen aber, dass Gott denen, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt - denen, die nach Seinem Vorsatz berufen sind« (Röm.8:28). Er wird uns auch Türen auftun, um über das Geheimnis des Christus sprechen zu können (Kol.4:3), wann und wo und wie Er will. Das Geheimnis des Christus ist Seine Erstlingsschaft und Hauptschaft in allem (Kol.1:18; Eph.1:10), Seine Größe und Herrlichkeit (Kol.1:15-17; Heb.1:2,3) sowie die Vervollständigung und Aussöhnung des Alls in Ihm (Kol.1:19,20; Eph.1:23).

 

Der Zusprecher

 

  Des Weiteren verhieß unser Herr Jesus Christus Seinen Jüngern: »Dann werde Ich den Vater ersuchen, und Er wird euch einen anderen Zusprecher geben, damit er für den Äon bei euch sei: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht erhalten kann, weil sie ihn nicht schaut noch kennt; ihr aber erkennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird« (Verse 16+17).

  Bislang war Jesus der Zusprecher der Jünger. Noch war der Geist Gottes nicht gegeben (Joh.7:39). In den Zeiten des Alten Testaments war er nur auf bestimmte einzelne Menschen gekommen. Wenn der Sohn aber zum Vater zurückgekehrt sein wird, wird jener den Jüngern anstelle Seines Sohnes einen anderen Zusprecher senden, und zwar Seinen Geist, den »Geist aus Gott« (1.Kor.2:12), der auch in Jesus ist. Gottes Geist ist heilig und nicht böse oder ein Geist des Irrtums (1.Joh.4:6), sondern der Geist der Wahrheit, der mithin in alle Wahrheit leitet (Joh.16:13), und der Geist des Zuspruchs. Was wir hier mit »Zusprecher« übersetzen, heißt auf griechisch paraklêtos und bedeutet wörtlich »Beiseiterufer« (zu einem persönlichen Gespräch des Zuspruchs, der Belehrung, der Ermahnung oder des Trostes).

  Der Geist Gottes wird in den Gläubigen sein und für den kommenden Äon des Tausendjahrreiches Israels bei ihnen bleiben. Darauf geht Johannes in seinem ersten Brief auch ein: »Die Salbung, die ihr von Ihm erhalten habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass jemand euch lehre, sondern wie euch Seine Salbung über alles belehrt, so ist es wahr und keine Lüge; und wie sie euch gelehrt hat, so bleibt in Ihm (1.Joh.2:27). Man muss allerdings in Ihm bleiben, in dem Sohn. »Und gerade nun, Kindlein, bleibet in Ihm, damit wir, wenn Er geoffenbart wird, Freimut haben mögen und nicht vor Ihm zuschanden werden bei seiner Anwesenheit« (1.Joh.2:28).

  Wir allerdings, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), sind noch begnadeter, denn wir sind mit dem heiligen Geist versiegelt (2.Kor.1:22; Eph.1:13).

 

Sie werden Ihn schauen

 

  »Ich werde euch nicht als Verwaiste zurücklassen: Ich komme zu euch. Noch kurze Zeit, dann schaut Mich die Welt nicht mehr; ihr aber schaut Mich, denn Ich lebe, und ihr werdet auch leben. An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass Ich in Meinem Vater bin und ihr in Mir seid und Ich in euch bin« (Verse 18-20).

  Diese Verse können zeitnah verstanden werden. Zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt werden die Jünger den Herrn schauen, wie Er denn ja auch zu ihnen kam und sie Ihn gewahrten (Joh.20:20; Ap.10:41). Und sie werden zur Erkenntnis des Ineinanderseins des Vaters und des Sohnes sowie der Tatsache gelangen, dass Jesus auch durch Seinen Geist in ihnen ist.

  Die Verse können darüber hinaus auch auf den kommenden Königreichsäon Israels bezogen werden. Jesus wird mit Macht und Herrlichkeit wieder zu Israel kommen, und dann werden sie leben und Ihn sehen (Sach.14:4; Mat.24:30; Ap.1:11; Off.1:7). Die Welt wird allerdings nur den König David als den Repräsentanten Jesu in Jerusalem sehen - David wird der Fürst in ihrer Mitte sein (Hes.34:24; 37:24,25; Hos.3:5) -, die Gläubigen aber werden ihren zur Rechten Gottes im Himmel sitzenden Herrn und Messias Jesus allezeit schauen, weil sie den Himmel offen sehen (Joh.1:51). Durch Seinen Geist ist Er alle Tage mit ihnen bis zum Abschluss des Äons (Mat.28:20).

 

»Wer Mich aber liebt ...«

 

  Und dann sagte der Herr noch: »Wer Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt. Wer Mich aber liebt, wird von Meinem Vater geliebt werden; auch Ich werde ihn lieben und Mich ihm offenbaren« (Vers 21).

  Wer den Herrn liebt - auf wen dies zutrifft, hat Er deutlich gesagt -, dem ist Jesus bereits als der Sohn Gottes bekannt, denn sonst würde er Ihn nicht lieben. Wer dies nun tut, der wird vom Vater und dem Sohn in vollem Maße geliebt werden, und Jesus wird Sich ihm ganz persönlich vollkommen offenbaren.

 

»... wird Mein Wort bewahren«

 

  »Da fragte Ihn Judas (nicht der Iskariot): Herr, was ist geschehen, dass Du im Begriff bist, Dich uns zu offenbaren und nicht der Welt? - Jesus antwortete ihm: Wenn jemand Mich liebt, wird er Mein Wort bewahren, und Mein Vater wird ihn lieben; und Wir werden zu ihm kommen und Unsere Bleibe bei ihm nehmen. Wer Mich nicht liebt, hält Meine Worte nicht. Doch ist das Wort, das ihr hört, nicht Mein Wort, sondern das des Vaters, der Mich gesandt hat« (Verse 22-24).

  Auf die Frage des Judas mit Beinamen Thaddäus (Mat.10:3; Mark.3:18; Luk.6:16) erklärte der Herr das in Vers 21 Gesagte nochmals mit ähnlichen Worten. Mit Seiner Antwort wurde nun aber deutlich, dass Jesus Sich deshalb der Welt nicht offenbaren wird, weil sie Sein Wort nicht bewahrt und Ihn folglich nicht liebt. Nur in den Herzen der Treuen werden der Vater und der Sohn Wohnung nehmen.

 

Der heilige Geist wird sie lehren

 

  Jesus setzte Seine Rede fort: »Dies habe Ich zu euch gesprochen, während Ich unter euch weilte. Der Zusprecher aber, der Geist, der heilige, den der Vater in Meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe« (Verse 25+26).

  Der Geist Gottes wirkt sich kraftvoll in den Gläubigen aus. Er wird ihr Erinnerungsvermögen vollkommen machen und sie überhaupt immer wieder über das sie angehende Evangelium der Beschneidung (Gal.2:7) belehren, sodass sie zur vollen Erkenntnis gelangen.

  Nicht nur die uns überlieferten Worte Jesu im Einzelnen, sondern alle hebräischen und griechischen heiligen Schriften sind aufgrund der Wirksamkeit des Geistes, des heiligen, völlig zuverlässig, »denn nicht durch den Willen eines Menschen wurde jemals ein Prophetenwort hervorgebracht, sondern von heiligem Geist getragen, haben heilige Menschen Gottes gesprochen« (2.Pet.1:21). »Alle Schrift ist gottgehaucht« (2.Tim.3:16; siehe auch 1.Thess.2:13).

  Als unser Herr dann aus den Toten auferweckt war, erinnerten sich Seine Jünger - um nur ein Beispiel zu nennen -, dass Er gesagt hatte: »Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde Ich ihn aufrichten!« Und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte (Joh.2:19-22).

  Auch wir werden vom Geist aus Gott belehrt; wir erhielten ihn auch deshalb, »damit wir wissen, was uns von Gott aus Gnaden gewährt ist« (1.Kor.2:12). Und wir belehren uns einander ja doch mit Worten, »wie der Geist sie uns lehrt« (1.Kor.2:13), und zwar durch das von dem Apostel Paulus vervollständigte (Kol.1:25) apostolische und prophetische Wort, für welches Gott uns durch Seinen Geist das geistliche Verständnis gibt (Kol.1:9; Eph.1:17).

 

Mein Friede

 

  »Frieden lasse Ich euch. Meinen Frieden gebe Ich euch. Nicht so, wie die Welt gibt, gebe Ich euch. Euer Herz sei nicht beunruhigt noch verzagt!« (Vers 27).

  Frieden hinterlässt der Herr Seinen Jüngern. »Schalom« war nicht nur der Eingangs-, sondern auch der Abschiedsgruß der Juden. Es ist der Frieden des Christus, der die Herzen der Jünger bewahren wird, sodass sie sich nicht mehr fürchten oder verzagt sind. Diesen im Wesen Jesu als des Sohnes des allgewaltigen und liebenden Gottes und Vaters gegründeten Frieden kann die Welt nicht geben.

 

»Der Vater ist größer als Ich«

 

  »Ihr habt gehört, dass Ich euch sagte: Ich gehe hin und komme wieder zu euch! Wenn ihr Mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass Ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als Ich. Und nun habe Ich es euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es geschieht« (Verse 28+29).

  Die Jünger freuten sich nicht bei dem Gedanken, dass ihr sicherer Hort, ihr Herr und Meister, nun weggehen wird, weil dies für sie ein Verlust zu sein schien. Wenn sie Ihn aber völlig geliebt hätten, hätten sie sich gefreut, dass der, den sie als den Sohn des lebendigen Gottes erkannt hatten (Mat.16:16), zu Seinem Vater zurückkehrt, an dessen Herzen man eine unaussprechliche herrliche Freude empfindet.

  Jesus kommt wieder - nach einer kleinen Weile, nämlich nach Seiner Auferstehung, und dann mit Macht und Herrlichkeit bei der Aufrichtung des Königreichs für das wiedergezeugte und gläubige Israel.

  Jetzt aber ging Er zu dem Größeren hin, dem einen und einzigen Gott, aus dem das All ist und durch den es ist und zu dem hin es ist (Röm.11:36; 1.Kor.8:6), zu dem hin, dem alle Verherrlichung gebührt und zu dem sich dereinst alle hinwenden werden.

 

Der Fürst der Welt

 

  Schließlich sagte unser Herr noch: »Ich werde nicht mehr viel mit euch sprechen; denn es kommt der Fürst der Welt, und in Mir hat sie nichts« (Vers 30).

  Der Fürst der Welt ist der Satan. Der wird in dieser Nacht kommen, um den wahren Herrn der Welt, der hocherhaben über jede Fürstlichkeit ist (Eph.1:21), gefangen nehmen und an den Pfahl, das Fluchholz, bringen zu lassen.

  Für »in Mir hat sie [die Welt] nichts« kann man genauso gut »in Mir hat er [der Satan] nichts«, da die grammatische Form 3. Person Singular beides erlaubt. Weder die Welt noch der Satan haben etwas in Jesus, nichts haben sie gemeinsam mit Ihm.

  Da mitunter behauptet wird, Jesus sei hier mit dem Fürsten der Welt gemeint, der da komme, sei auf die anderen Bibelstellen im Beicht des Johannes hingewiesen, wo vom Fürsten dieser Welt die Rede ist: 8:23; 12:31; 16:11; 16:33. Aus diesen Stellen geht hervor, dass nicht Jesus, sondern der Fürst dieser Welt, der Satan, hinausgeworfen (12:31) und im Abgrund gebunden werden wird (Off.20:3). Da Jesus die Welt besiegt hat, kann Er nicht ihr Fürst sein (16:33; vgl. 8:23). Und nach der Himmelfahrt Jesu wird der Geist Gottes die Welt betreffs des Gerichts überführen, dass der Fürst dieser Welt, und zwar der Satan, gerichtet ist (16:11), denn »Oberherrschaften und Obrigkeiten abstreifend, hat Er [Jesus] sie öffentlich zur Schau gestellt und in demselben [dem Kreuz] im Triumph einhergeführt« (Kol.2:15).

 

Damit die Welt erkenne

 

  Der Herr schloss Seine Rede mit den Worten: »Damit aber die Welt erkenne, dass Ich den Vater liebe und so handle, wie Mir der Vater geboten hat - erhebt euch! Lasst uns von hier fortgehen!« (Vers 31).

  Die Liebe Jesu zu seinem Vater zeigte sich darin, dass Er so handelte, wie der Vater Ihm geboten hatte. Um den Willen des Vaters zu tun (Heb.10:9) und gehorsam zu werden bis zum Tode (Phil.2:8), wird auch Er Sich nun erheben und den Weg bis hin zum Kreuz auf Golgatha gehen - aus Liebe zu allen Menschen, mögen sie Ihn noch so hassen.

  Und somit darf der Apostel Paulus später schreiben: »Als geliebte Kinder werdet nun Nachahmer Gottes und wandelt in Liebe, so wie auch Christus euch liebt und Sich Selbst für uns als Opfer und Darbringung für Gott dahingegeben hat, zu einem duftenden Wohlgeruch« (Eph.5:1,2).

 

»Bringt viel Frucht!«

(Johannes 15:1-16:4)

 

  Während des letzten Mahls mit Seinen Jüngern - kurz vor dem Gang zum Garten Gethsemane - sagte unser Herr Jesus Christus zu ihnen: »Ich bin der wahrhafte Weinstock, und Mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an Mir, welche keine Frucht bringt, die nimmt Er fort; und jede, welche Frucht bringt, die reinigt Er, damit sie mehr Frucht bringe« (Verse 1+2).

  »Ich bin der wahrhafte Weinstock!« - dieses Wort ist das letzte der sieben Ich-bin-Worte Jesu im Bericht des Johannes.

 

Der wahrhafte Weinstock

 

  Welch ein wunderschönes Bild der Herr anwendet! Er, der Urheber des Lebens (Ap.3:15), vergleicht Sich mit einem Trank und Freude spendenden Weinstock. Sein Vater ist der Winzer, der Herr des Weinbergs (vgl. Mat.21:33-43).

  Seit dem Ausspruch des Propheten Jesaia in Kapitel 5:1-7 ist allen Israeliten bekannt, dass das Haus Israel der Weinberg Jewes der Heere und jeder Mann Judas eine Pflanzung Seiner Erquickung ist. Von einem solchen wohlgepflegten Weinberg sollte man viel Frucht erwarten können. Leider aber müssen Jesaia und viele andere Propheten sagen, dass Israel nur verdorbene Beeren, nur stinkende Frucht hervorgebracht hat (vgl. Jer.2:21; Hes.15; 17:5-10; Hos.10:1; 14:8).

  Israel hatte versagt, nun aber kam Jesus, der wahre Weinstock, an welchem allein gute Frucht ersteht (vgl. Ps.80:8-18).

  Und wieder sorgt der Vater dafür, dass gute Frucht wachse, dieses Mal an Seinem Sohn. Verdorrte Reben, die keine Frucht bringen, wie zum Beispiel Judas Iskariot, schneidet Er ab. Und jede Rebe, welche Frucht bringt, reinigt Er durch sein Wort von allem Ungeistlichen, ebenso wie ein Winzer eine Rebe durch Beschneiden ertragreicher macht.

  Der Apostel Petrus nennt als Frucht: die Tugend, die Erkenntnis, die Enthaltsamkeit, die Beharrlichkeit, die Frömmigkeit, die brüderliche Freundschaft und die Liebe - und schreibt dann: »Bei wem diese Eigenschaften nicht vorhanden sind, der ist wie blind in seiner Kurzsichtigkeit und hat die Reinigung von seinen früheren Versündigungen längst vergessen« (2.Pet.1:5-9).

  Und der Apostel Paulus sagt: »Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Gutheit, Treue, Sanftmut, Selbstzucht« (Gal.5:22).

 

Das reinigende Wort

 

  Jesus fuhr fort: »Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das Ich zu euch gesprochen habe. Bleibt in Mir, so bleibe auch Ich in euch. So wie die Rebe nicht von sich aus Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr es nicht, wenn ihr nicht in Mir bleibt« (Verse 3+4).

  Ebenso wie es für eine Rebe lebenswichtig ist, am Weinstock zu bleiben, so ist es auch unabdingbar, in Christus zu bleiben. In seinem ersten Brief betont Johannes dementsprechend mehrmals die Notwendigkeit, in Jesus zu bleiben, und zwar dadurch, dass man Sein Wort bewahrt (2:24), Seine Gebote hält (3:24), bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist (4:15), und in der Liebe bleibt (4:16).

  Die elf Jünger waren durch das vom Herrn gesprochene Wort bereits gereinigt, weil Seine Worte Geist und Leben sind (Joh.6:63) und eine durchdringende Wirkung in gläubigen Herzen haben. Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schneidet das Seelische vom Geistlichen weg (Heb.4:12). Im Gehorsam gegenüber dem Wort der Wahrheit wird man geläutert (1.Pet.1:22).

  Jesu Worte müssen nun aber auch in ihnen bleiben, denn nur, »wenn das in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben« (1.Joh.2:24).

  Im Übrigen werden auch wir, die Glieder der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), im Alltag ständig durch das Wasserbad Seiner Aussprüche gereinigt (Eph.5:26).

 

»Ihr seid die Reben«

 

  »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in Mir bleibt und Ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von Mir könnt ihr nichts vollbringen« (Vers 5).

  Nur die Jünger, die in Jesus Christus sind und bleiben, sind die wahren Reben; das übrige Israel zählt nicht zum Weinberg des Vaters.

  Um Frucht zu bringen, sind die Jünger völlig auf den Herrn angewiesen. Nichts ist aus uns, alles ist aus Ihm.

  Auch der Apostel Paulus stellt fest, dass wir nicht aus uns selbst tauglich sind, den Dienst der Gerechtigkeit und der Versöhnung zu tun (2.Kor.3:9; 5:18), sondern unsere Tauglichkeit ist nur von Gott (2.Kor.3:5). Jede Frucht, die wir bringen, ist allein durch Jesus Christus (Phil.1:11).

 

Ins Feuer

 

  »Wenn jemand nicht in Mir bleibt, wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt. Dann sammelt man sie und wirft sie in Feuer, wo sie verbrennen« (Vers 6).

  Verdorrtes Rebholz ist ganz und gar nutzlos; man kann es nur verbrennen (Hes.15:4). Dementsprechend werden die Leichen der Übertreter des Gesetzes im tausendjährigen Königreich Israels in die Gehenna geworfen, wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlischt (Jes.66:24). Und heute erleidet das verworfene Volk Israel das Feuer der Drangsal unter den Nationen (Luk.16:24). Auch Johannes der Täufer hatte es gesagt: »Die Axt aber liegt schon an der Wurzel der Bäume. Daher wird jeder Baum, der nicht edle Frucht trägt, umgehauen und ins Feuer geworfen« (Mat.3:10).

  Wir dagegen, die wir in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes leben (Eph.3:2; Kol.1:25; Röm.5:20), können nicht aus Jesus herausfallen, wir können nicht abgeschnitten werden, wir können unsere Rettung nicht mehr verlieren, denn wir sind mit dem Geist Gottes unverbrüchlich versiegelt (Eph.1:13). Wir sind keine Reben am Weinstock, sondern Glieder des Körpers Christi, der auf keinen Fall durch Abtrennung von Gliedern verstümmelt wird. Und wir wissen, was in Römer 8:30 geschrieben steht: »Die Er aber vorherbestimmte [dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden], diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch.«

 

Gebetserhörungen

 

  »Wenn ihr in Mir bleibt und Meine Worte in euch bleiben, dann bittet, was ihr wollt, und es wird euch gegeben werden. Darin wird Mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und euch als Meine Jünger erweist [wörtlich: Meine Jünger werdet]« (Verse 7+8).

  Zum Thema der Erhörung der Gebete lesen wir des Weiteren in 1.Johannes 3:22 und 5:14: »Wenn wir etwas erbitten, so erhalten wir es von Ihm, weil wir Seine Gebote halten und das vor Seinen Augen Wohlgefällige tun«; »Und dies ist der Freimut, den wir zu Ihm haben, dass, wenn wir etwas nach Seinem Willen bitten, Er uns hört.«

  Mithin werden die dem Willen Gottes gemäßen Bitten der völlig von den Worten Jesu geprägten und gehorsamen Gläubigen erhört werden, zum einen, damit der Wille Gottes auch durch die Seinen geschieht und zum anderen, damit die Jünger die zur Verherrlichung des Vaters dienende Frucht hervorbringen.

  Diese Verheißung ist den Gläubigen Israels im Hinblick auf die Kräfte des zukünftigen Äons gegeben (Heb.6:5). Für uns heißt es in Römer 8:26,27: »Der Geist [Jesu] hilft unserer Schwachheit auf; denn das, was wir beten sollten (in Übereinstimmung mit dem, was sein muss), wissen wir nicht; sondern der Geist [Jesu] selbst verwendet sich für uns mit unausgesprochenem Ächzen. Der aber die Herzen erforscht, [Gott], weiß, was die Gesinnung des Geistes [Jesu] ist, weil er [der Geist Jesu] sich gottgemäß [und damit auch Gottes Zielen gemäß] für Heilige verwendet.« Der Vater erfüllt also die Bitten Christi Jesu, der Sich für uns verwendet (Röm.8:34).

 

»Bleibt in meiner Liebe!«

 

  In den Versen 9 bis 17 nun spricht unser Herr die Liebe des Vaters zu Ihm und Seine Liebe zu seinen Freunden an und gebietet ihnen, einander zu lieben.

  »So wie der Vater Mich liebt, habe auch Ich euch geliebt. Bleibt in Meiner Liebe! Wenn ihr Meine Gebote haltet, werdet ihr in Meiner Liebe bleiben, so wie Ich die Gebote Meines Vaters gehalten habe und in Seiner Liebe bleibe. Dies habe Ich zu euch gesprochen, damit Meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollständig gemacht werde« (Verse 9-11).

  Freude als eine Frucht des Geistes Gottes wird die Gläubigen erfüllen, wenn sie den Herrn Jesus Christus lieben, was sich darin ausdrückt, dass sie in Treue Seinen Worten gehorchen. Wer nicht mehr sich selbst lebt, sondern dem, der für ihn starb und auferweckt wurde (2.Kor.5:15), wird von tiefer Freude getragen werden.

  Wieder finden wir Entsprechungen im ersten Johannesbrief: »Dies ist die Liebe Gottes [die Liebe zu Gott], dass wir Seine Gebote halten, und Seine Gebote sind nicht schwer« (5:3); »Wer aber Sein Wort hält, in dem ist die Liebe Gottes wahrhaft vollkommen geworden« (2:5). Freude soll in den Herzen der Heiligen wohnen, wie denn unser Herr sagte: »Ich bin gekommen, damit sie äonisches Leben haben und es überfließend haben« (Joh.10:10).

 

Freunde Jesu

 

  »Dies ist Mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie Ich euch geliebt habe. Größere Liebe kann niemand haben als die, dass jemand seine Seele für Seine Freunde hingibt. Ihr seid Meine Freunde, wenn ihr tut, was immer Ich euch gebiete« (Verse 12-14).

  Die Freunde Jesu sind die Ihm Gehorchenden. Diese sollen nun aber auch einander lieben (Joh.13:34). Möge ihre Liebe so vollkommen  sein wie die Jesu, dass sie sogar ihre Seele für ihre Glaubensgeschwister hinzugeben bereit sind.

  In Kürze wird das All den größten Erweis der Liebe sehen, wenn nämlich Jesus Seine Seele für Sünder und Gottesfeinde hinlegen wird (Joh.10:11).

  So kann Johannes später schreiben: »Darin haben wir die Liebe erkannt, dass jener Seine Seele für uns dahingegeben hat. So sollen auch wir unsere Seelen für die Brüder dahingeben« (1.Joh.3:16).

  Sodann erläuterte der Herr: »Ich nenne euch nicht mehr Sklaven, denn ein Sklave weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe Ich Freunde genannt, weil Ich euch alles bekannt gemacht habe, was Ich von Meinem Vater höre« (Vers 15).

  Freunden vertraut man seine Gedanken an, nicht aber Sklaven. Für die Beziehung zwischen dem Herrn und Seinen Jüngern war der Begriff des Sklaven nicht angebracht. Alles hatte Er sie wissen lassen; mit nichts von dem, was der Vater zu Ihm gesprochen hatte (Joh.8:26,28; 12:50), hatte Er zurückgehalten.

  Wenn sich gleichwohl der Apostel Paulus einen Sklaven Christi Jesu nennt und wir uns ebenfalls so bezeichnen (Röm.1:1; 14:18; Phil.1:1; Kol.3:24; 4:12 u. a.), dann deshalb, weil wir unseren unbedingten Gehorsam damit ausdrücken wollen.

 

»Nicht ihr habt Mich erwählt«

 

  Der Herr fügte an, das bisher in Kapitel 15 Gesagte zusammenfassend: »Nicht ihr habt Mich erwählt, sondern Ich habe euch erwählt und euch dazu gesetzt, dass ihr hingeht und viel Frucht bringt. Und eure Frucht soll bleiben, damit der Vater euch gebe, um was ihr Ihn in Meinem Namen bittet« (Vers 16).

  Um zuerst auf das schwer verständliche Bindewort »damit« einzugehen:

a)    da es im ursprünglichen Kodex Sinaiticus nicht steht, könnte man es weglassen; der eigenständige Satz lautete dann: Was ihr den Vater in Meinem Namen bittet, wird Er euch geben (vgl. Joh.14:13);

b)    im Übrigen könnte der Gedankengang sein: ... dass ihr hingeht und viel Frucht bringt und eure Frucht bleibe, denn was ihr den Vater in Meinem Namen bittet, nämlich viel Frucht zu tragen, wird Er euch geben;

c)    oder: Ich habe euch dazu gesetzt, damit der Vater euch gebe, um was ihr bittet, nämlich viel Frucht.

  Da die Frucht in diesem Vers mit einem Hingehen verbunden ist, dürfen wir an Matthäus 28:19 denken: »Gehet hin und macht alle Nationen zu Jüngern« und unter der Frucht die für den Herrn gewonnenen Menschen und Nationen verstehen.

  Normalerweise wählten sich die Schüler den Lehrer aus. Bei Gott aber ist es anders. Jesus war es, der Sich Seine Jünger auserwählte (Mark:3:13; Joh.6:70; 13:18). Gott allein, der ohnehin alles Verfügende und alles Bewirkende (Eph.1:11), ist stets auch der Auserwählende und Berufende. Niemand konnte zu dem Herrn Jesus kommen, den der Vater nicht gezogen hatte (Joh.6:37,44,65; Röm.11:5,7).

  Auch wir sind Auserwählte (Röm.8:33; Kol.3:12; 1.Thess.1:4; 2.Tim.2:12; Tit.1:1). Vor dem Niederwurf der Welt erwählte Gott uns (Eph.1:4), als die Erde ein Tohuwabohu wurde (1.Mose 1:2). Und nur die Auserwählten beruft Gott (Röm.8:30), ihnen den Glauben in Gnaden gewährend (Phil.1:29; Eph.2:8).

 

»Liebet einander!«

 

  Diesen Teil Seiner Rede abschließend, legte der Herr den Seinen zum dritten Mal ans Herz: »Dies gebiete Ich euch, dass ihr einander liebt« (Vers 17). Vergleiche Johannes 13:34; 15:12.

  An dieses Liebesgebot für die Gläubigen untereinander erinnert Johannes mehrmals in seinen Briefen (1.Joh.3:23; 4:7,21; 2.Joh.5). Sollte denn auch jemand, der seinen Bruder nicht liebt, Gott lieben (1.Joh.4:20) und mithin Gebetserhörungen erfahren und Frucht bringen?

  Der Apostel Paulus betont: »Seid niemandem irgend etwas schuldig, außer einander zu lieben« (Röm.13:8). Die Auferbauung des Körpers Christi kann nur in Liebe geschehen (Eph.4:16). Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit (Kol.3:14).

 

Der Hass der Welt

 

  Im Folgenden (Joh.15:18 bis 16:4) klärte der Herr Seine Jünger über den Hass der Welt auf.

  Er sprach: »Wenn die Welt euch hasst, so erkennt, dass sie Mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wärt, würde die Welt euch wie ihr Eigenes liebhaben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern Ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt« (Verse 18+19).

  Wir Gläubigen haben einen anderen Geist als die Welt, den Geist aus Gott (1.Kor.2:12). Die Welt dagegen, die ungläubige Menschheit, ist vom Geist Satans durchdrungen. Dieser geistliche Fürst wirkt in den Söhnen der Widerspenstigkeit (Eph.2:2). Die Feindschaft der Welt uns gegenüber ist somit grundsätzlich vorhanden und wird von Fall zu Fall ausbrechen. So lesen wir denn auch in 1.Johannes 3:13: »Staunet nicht, Brüder, wenn die Welt euch hasst.«

  Zuerst hat die Welt unseren Herrn Jesus Christus gehasst; Er sagte: »Mich hasst sie, weil Ich von ihr bezeuge, dass ihre Werke böse sind« (Joh.7:7). Über ihren Hass uns gegenüber schreibt Petrus: »Das befremdet sie, dass ihr nicht mehr durch dieselbe Pfütze der Liederlichkeit mit ihnen lauft, und darum lästern sie euch« (1.Pet.4:4). Keinesfalls sollen wir die Freundschaft der Welt suchen, indem wir uns etwa anbiedern oder sogar mitmachen, denn die »Freundschaft dieser Welt bedeutet Feindschaft Gott gegenüber« (Jak.4:4).

  Den Treuen verhieß Jesus: »Glückselig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen, wenn sie euch absondern, schmähen und euren Namen wegen des Sohnes des Menschen als böse verwerfen sollten. Freut euch an jenem Tag und hüpft vor Wonne; denn siehe, euer Lohn im Himmel ist groß; denn in derselben Weise handelten ihre Väter an den Propheten« (Luk.6:22,23).

 

Die Welt ist nicht mit Gott vertraut

 

  Jesus fuhr fort: »Gedenkt des Wortes, das Ich euch gesagt habe: Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie Mich verfolgen, werden sie auch euch verfolgen. Wenn sie Mein Wort bewahren, werden sie auch das eure bewahren. Dies alles aber werden sie euch um Meines Namens willen antun; denn sie sind nicht mit dem vertraut, der Mich gesandt hat« (Verse 20+21).

  »Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr« - mit diesen Worten hatte der Herr bei der Fußwaschung Seinen Jüngern eingeprägt, ebenso wie Er an ihnen handelte, miteinander in Liebe umzugehen und einander zu dienen (Joh.13:16). Die Stellung des Sklaven unter seinem Herrn hat auch bei dem Hass der Welt ihre Konsequenzen (Mat.10:24). »Wenn sie dem Hausherrn den Beinamen Beezeboul geben, wieviel mehr seinen Hausgenossen?« (Mat.10:25).

  Der tiefe Grund für die Ablehnung Jesu und derer, die Seinen Namen bekennen, ist der, dass die Menschen nicht mit Gott vertraut sind. Sie kennen Ihn nicht. »Keiner ist verständig! Es gibt keinen, der Gott ernstlich sucht. Alle meiden sie Ihn« (Röm.3:10,11). Und wenn sie angesichts der Schöpfung wenigstens um einen Schöpfer wissen, so verherrlichen sie Ihn dennoch nicht (Röm.1:21), weil die Gesinnung des Fleisches schlechthin Feindschaft gegen Gott ist; Fleisch kann sich Gott überhaupt nicht unterordnen (Röm.8:7), und das religiöse Fleisch tut es nur einer willkürlichen Form nach.

 

»Sie hassen Mich ohne Grund«

 

  »Wenn Ich nicht gekommen wäre und zu ihnen gesprochen hätte, so hätten sie keine Sünde. Nun aber haben sie keinen Vorwand für ihre Sünde. Wer Mich hasst, der hasst auch Meinen Vater. Wenn Ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer je tat, so hätten sie keine Sünde. Nun aber haben sie zwar alles gesehen und haben doch sowohl Mich als auch Meinen Vater gehasst. Aber dies geschieht, damit das Wort erfüllt werde, das in ihrem Gesetz geschrieben ist: Sie hassen Mich ohne Grund« (Verse 22-25).

  Die Sünde der Juden war, dass sie Jesus und damit auch Seinen Vater hassten. Und darin waren sie unentschuldbar, denn die Zeichen und Wunder Jesu waren eindeutig (Joh.3:2; 5:36; 7:31).

  Gott richtet auch unter Berücksichtigung des Maßes der Erkenntnis eines Menschen. Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen (Luk.12:48). Zu den Pharisäern hatte Jesus gesagt: »Wenn ihr blind wärt, so hättet ihr keine Sünde; nun aber sagt ihr: Wir sehen -, folglich bleibt eure Sünde.« Und wenn der Bezug der Aussage: »Wo kein Gesetz ist, gibt es auch keine Übertretung« (Röm.4:15) auch ein anderer ist, so ist das Prinzip dennoch dasselbe.

  Ja, sie hassen den Sohn Gottes wirklich ohne Grund, ebenso wie König David es erfuhr und als prophetisches Wort auf den Messias niederschreiben durfte (Ps.35:19; 69:5; 109:3). Sogar Pilatus, der keine Schuld an Ihm fand, hatte erkannt, dass sie Ihn grundlos hassten (Luk.23:22).

  »Sie hassen Mich ohne Grund« steht zwar in den Psalmen geschrieben und nicht im Gesetz, das der Herr in Vers 25 allein nannte, doch ist dies hier - ebenso wie der Begriff »Das Gesetz (hebr. die Torah) und die Propheten (hebr. die Nöbiim)« auch die Schriftwerke (hebr. die Kötubim) einschließt - als ein verkürzter Ausdruck für die gesamten hebräischen heiligen Schriften aufzufassen.

 

Zeugen

 

  Angesichts des Hasses der Welt war es nötig, dass der Herr den Jüngern verhieß, dass sie durch den zusprechenden Geist Gottes für ihren zeugnishaften Dienst in der Welt gekräftigt würden. Er sagte ihnen: »Wenn nun der Zusprecher kommt, den Ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird derselbe für Mich Zeugnis ablegen. Aber auch ihr seid Zeugen, weil ihr von Anfang an mit Mir gewesen seid« (Verse 26+27).

  Wieder kam Jesus auf den Zusprecher zu sprechen (Joh.14:16,17,26). Der Zusprecher oder der zu einem vertraulichen Gespräch Beiseiterufende oder der Beistand ist der Geist Gottes; der wird die Wahrheit sagen und für Jesus Zeugnis ablegen, wie zum Beispiel beim kommenden Pfingstfest, dem Erntefest (2.Mose 23:16,19; 3.Mose 23:15-21; 5.Mose 16:9,10), als alle Gläubigen in Jerusalem mit heiligem Geist erfüllt wurden (Ap.2:4).

  Der Geist aus Gott wird die Jünger ganz persönlich ansprechen, um sie zu belehren, ihnen zuzusprechen sowie sie ggf. zu ermahnen, und darüber hinaus wird er sie befähigen, Zeugnis für Jesus als den Messias abzulegen. Sie können es nicht von sich selbst aus. Sie waren von Anfang an Augenzeugen und Gehilfen des Wortes gewesen (Luk.1:2) - nun sollten sie auch den Mut und die Kraft erhalten, es weiterzutragen.

  Vor Seiner Himmelfahrt verhieß der Herr ihnen: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt, und ihr werdet Meine Zeugen sein« (Ap.1:8). Und so legten sie in der Kraft des heiligen Geistes viele Male Zeugnis für Ihn ab, zum Beispiel, dass Gott Jesus auferweckt hat (Ap.2:32; 3:15), dass der Gelähmte in der Weihestätte im Namen Jesu Christi und auf den Glauben an dessen Namen hin geheilt worden war (Ap.3:6,16) und vor dem Synedrium, als Petrus und die anderen Apostel antworteten: »Diesen hat Gott zum Urheber und Retter zu seiner Rechten erhöht, um Israel Umsinnung und Sündenerlass zu geben. Für diese Dinge sind sowohl wir Zeugen als auch der Geist, der heilige, den Gott denen gibt, die sich Ihm fügen« (Ap.5:31,32).

 

Warum Jesus dies sagte

 

  Der Herr beendete Seine Ausführungen über den Hass der Welt mit den folgenden Worten von Kapitel 16:1-4: »Dies habe Ich euch gesagt, damit ihr nicht strauchelt; denn man wird euch aus den Synagogen ausstoßen. Es kommt sogar die Stunde, dass jeder, der euch tötet, meint, Gott damit einen Dienst zu erbringen. Und dies werden sie tun, weil sie weder den Vater noch Mich kennen. Dies habe Ich aber zu euch gesprochen, damit ihr, wenn die Stunde kommt, dessen eingedenkt, dass Ich es euch sagte. Zu Anfang jedoch hatte Ich euch das noch nicht gesagt, weil Ich bei euch war.«

  Kurz vor Seinem Hingang in den Tod und nach der Auferstehung zum Vater im Himmel bereitete der Herr Seine Jünger auf das vor, was nun auch sie erwartete: Verfolgung und Tod. Hat die Welt den Herrn gehasst, dann auch die Ihm Angehörenden. Dies kündigte Er ihnen an, damit sie nicht irritiert und in Verzagtheit verstrickt würden, im treuen Dienst nachließen und dann versagten oder gar vom Glauben abfielen (Mat.13:21).

  Kein Hass ist so groß wie der religiöse, keine Verfolgung ist so schlimm wie die aus falschem Eifer für Gott. Der Apostel Paulus bezeugte den Juden Eifer für Gott, jedoch nicht in rechter Erkenntnis (Röm.10:2). Wohl kannten sie das Gesetz, hatten es aber nicht im Glauben aufgenommen (Heb.4:2). Immer noch galt Psalm 95:10: »Ein Volk irregehenden Herzens sind sie, sie haben Meine Wege nicht erkannt.«

  Ein Ausschluss aus der Synagoge kam der Verstoßung aus dem Judentum gleich. Da die Juden aber weder den Vater noch den Sohn erkannt hatten, waren ihnen auch die Gläubigen fremd (1.Joh.3:1). Und Fremdkörper werden ausgestoßen. Gewiss werden die religiösen Führer manche biblische Lehre verteidigen, gleichwohl aber bekämpfen sie jedes Zeugnis einer biblischen Wahrheit, die sie nicht kennen oder nicht vertreten oder nicht in den gesellschaftlichen Kontext passt.

  Wie Jesus es vorausgesagt hatte, so geschah es alsbald: Stephanus erlitt den Tod (Ap.7:58). Nach dessen Steinigung brach die erste breite Verfolgung aus; der aktivste Verfolger war ein junger Pharisäer namens Saulus (Ap.8:1). Der hatte mit gutem Gewissen gemeint, so handeln zu müssen (Ap.26:9; 2.Tim.1:3). Später musste er einräumen, dass er es unwissend getan hatte (1.Tim.1:13).

  Die Worte ihres Herrn stärkten die Jünger im Glauben, da sie nun wussten, warum sie verfolgt würden und dass es in dieser Welt nicht anders sein konnte.

  Wie zusprechend ist es zu wissen, dass alles nach Gottes Vorsatz geschieht (Eph.3:11). Der uns liebende Gott und Vater ist der allein weise (Röm.16:27) - Er weiß, was sein muss (Röm.8:26) -, und Er bewirkt alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11). Unter Seiner alles obwaltenden, liebenden Hand können wir ruhig bleiben und Frieden haben über allen Seinen Wegen mit der Welt und mit uns.

  Möge Seine Gnade uns kräftigen, Verfolgungen um Jesu willen zu erdulden!

 

Der Geist der Wahrheit

(Johannes 16:5-33)

 

  Nach der Beendigung des letzten Mahls mit Seinen Jüngern in der Nacht Seiner Gefangennahme teilte unser Herr Jesus Christus ihnen Näheres über Seinen Fortgang zum Vater und den Zusprecher, den Geist der Wahrheit, mit.

  »Nun aber gehe Ich zu dem, der Mich gesandt hat, und niemand von euch fragt Mich: Wohin gehst Du? Sondern weil Ich euch dies gesagt habe, hat Betrübnis euer Herz erfüllt. Doch Ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch förderlich, dass Ich fortgehe. Denn wenn Ich nicht fortgehe, wird der Zusprecher nicht zu euch kommen; wenn Ich aber gegangen bin, werde Ich ihn zu euch senden« (Verse 5-7).

  Der Zusprecher ist der Geist Gottes, der die Gläubigen ganz persönlich ansprechen wird, um sie zu belehren, sie zu ermutigen, ihnen Kraft zum Zeugnis zu geben, ihnen zuzusprechen, sie zu trösten und nötigenfalls zu ermahnen.

  Jesus hatte bereits gesagt, dass Er fortgehe (Joh.13:33), und Petrus und Thomas hatten schon nachgefragt (Joh.13:36; 14:5). Sie wussten also alle, dass Er zum Vater gehen wird (Joh.14:12,28), aber nun waren sie in dem Gedanken des bevorstehenden Verlusts Seiner Nähe so betrübt, dass sie sich nicht zu einer Nachfrage aufraffen konnten. Ohne Jesu Weggehen, Tod und Auferstehung aber käme keine Rettung Israels aus der Sünde zustande (Mat.1:21). Und Er wird ihnen Seinen Geist senden. Dies ist durchaus förderlich für sie, da der Geist allezeit und überall in ihnen sein wird (Joh.14:17).

  Gott wird durch Seinen Geist aber auch an der Welt, an den Ungläubigen einen Dienst tun, wie wir aus den folgenden Versen erfahren.

 

Der Geist wird die Welt überführen

 

  »Wenn er kommt, wird er die Welt überführen betreffs der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts. Und zwar betreffs der Sünde: weil sie nicht an Mich glauben; betreffs der Gerechtigkeit: weil Ich zu Meinem Vater gehe und ihr Mich nicht mehr schaut; und betreffs des Gerichts: weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist« (Verse 8-11).

  Während der Abwesenheit Jesu Christi wird der Geist die Welt überführen

1.    von der Sünde: weil sie nicht an Jesus glauben:

  Die elementare Sünde der Menschen ist, nicht an Jesus zu glauben. Ohne den Geist Gottes aber gibt es keine Erkenntnis dieser Sünde. Aus dem Kreis der von dieser Sünde Überführten wird der Vater sodann welche zu Jesus ziehen (Joh.6:44);

2.    von der Gerechtigkeit: weil Jesus zum Vater geht und die Jünger Ihn nicht mehr schauen:

  Die Welt meinte, Gerechtigkeit zu üben, indem sie Jesus tötete; Gott aber bestätigte die Gerechtigkeit Seines Sohnes, indem Er Ihn auferweckte und zu Seiner Rechten erhöhte. Die von der Sünde Überführten und an Jesus Glaubenden bekommen Anteil an Seiner Gerechtigkeit;

3.    von dem Gericht: weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist:

  Der Fürst dieser Welt ist der Satan (Joh.12:31; 14:30); er ist gerichtet. »Oberherrschaften und Obrigkeiten abstreifend, hat Er [Jesus] sie öffentlich zur Schau gestellt und in demselben [in dem Kreuz] im Triumph einhergeführt« (Kol.2:15). Folglich können die Menschen aus der Gewalt des Satans befreit werden, und zwar durch den Glauben an den Gerechten.

 

Der Geist der Wahrheit

 

  Jesus sprach weiter: »Noch vieles hätte Ich euch zu sagen, doch könnt ihr es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in alle Wahrheit leiten; denn  er wird nicht von sich selbst aus sprechen, sondern alles, was er hört, wird er sprechen; auch das Kommende wird er euch verkündigen« (Verse 12+13).

  Alles zu seiner Zeit - gemäß dem Fortschreiten der Heilsgeschichte, gemäß dem Verständnis der Jünger, die unter anderem noch nicht begreifen konnten, dass Jesus das Sündopfer werden sollte, das der Welt Sünde auf Sich nimmt, und denen die bevorstehende zeitweilige Abwesenheit Jesu ein Rätsel war.

  Der Geist der Wahrheit aber, der die gesamte Wahrheit kennt, weil er der Geist Gottes ist und die Tiefen Gottes erforscht (1.Kor.2:10), wird die Jünger in die gesamte Wahrheit einführen, die Dinge der Zukunft eingeschlossen. Und so geschah es dann auch, dass die Apostel mehr und mehr geoffenbart bekamen. Das Wirken des Geistes setzte sich fort bis hin zur Vervollständigung des Wortes Gottes für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung durch den Apostel Paulus (Kol.1:25).

  Die Erfüllung der Bitte Davids bahnte sich an: »Lass mich in Deiner Wahrheit wandeln und belehre mich; denn Du bist der Elohim meiner Rettung, nach Dir strecke ich mich aus den ganzen Tag« (Ps.25:5). Und so kann Johannes schreiben: »Wie euch seine Salbung über alles belehrt, so ist es wahr« (1.Joh.2:27). Ebenso schreibt Paulus: »Wir erhielten den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott aus Gnaden gewährt ist« (1.Kor.2:12).

  Gott Selbst ist Geist (Joh.4:24), der Vater Selbst ist Geist, und Sein Geist ist Seine Präsenz auf der Erde.

 

Der Geist verherrlicht Jesus

 

  Es folgen die Verse 14 und 15: »Derselbe wird Mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er nehmen und es euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist Mein; deshalb habe Ich euch gesagt, dass er von dem Meinen nimmt und es euch verkündigen wird.«

  Der Geist verkündigt die Größe und Herrlichkeit Christi sowie den Segen, den Er bringt. Vom Geist geleitet, schreibt Paulus dementsprechend: »Wir herolden nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als den Herrn« (2.Kor.4:5).

  Der Geist entnimmt seine Offenbarungen dem Sohn; der aber offenbart Seinen Vater, da Er das Wort Gottes und nicht Sein eigenes sagt und die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes und das Gepräge Seines Wesens ist (Heb.1:3).

 

Noch eine kurze Zeit

 

  Dann sagte der Herr: »Noch kurze Zeit, und ihr schaut Mich nicht mehr; dann nochmals eine kurze Zeit, und ihr werdet Mich wiedersehen. - Da sagten nun einige Seiner Jünger zueinander: Was ist das, was Er uns sagt: Noch kurze Zeit, und ihr schaut Mich nicht mehr; dann nochmals eine kurze Zeit, und ihr werdet Mich wiedersehen, und: Ich gehe zum Vater -? - Was ist das, meinten sie daher, was Er kurze Zeit nennt? Wir wissen nicht, was Er spricht« (Verse 16-18).

  Uns ist natürlich bekannt, dass Jesus in aller Kürze gefangengenommen und von Seinen Jüngern getrennt werden wird, Er nach weiterer kurzer Zeit von Seiner Auferstehung an für vierzig Tage von ihnen wiedergesehen wird und Er dann zum Vater gehen wird, wo Er heute noch ist.

 

Eure Trübsal wird zur Freude werden

 

  »Jesus erkannte, dass sie Ihn fragen wollten, und sagte zu ihnen: Sucht ihr miteinander Aufschluss darüber, dass Ich gesagt habe: Noch kurze Zeit, und ihr schaut Mich nicht mehr; dann nochmals eine kurze Zeit, und ihr werdet Mich wiedersehen? Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ihr werdet jammern und klagen, die Welt aber wird sich freuen. Ihr werdet betrübt sein, doch eure Trübsal wird zur Freude werden. Wenn eine Frau gebiert, hat sie Trübsal, weil ihre Stunde gekommen ist. Wenn sie aber das Kindlein geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Drangsal um der Freude willen, dass ein Mensch in die Welt geboren ist. Daher werdet auch ihr von nun an zwar Trübsal haben; Ich werde euch aber wiedersehen, dann wird euer Herz sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An jenem Tag werdet ihr Mich nichts mehr fragen« (Verse 19-23 a).

  Ja, die Trübsal der Jünger wie auch alle die Trübsal, die wir erleiden, wird zur Freude werden, weil Gott groß und herrlich ist und »das augenblickliche Leichte unserer Drangsal für uns eine alles überragende und zum Überragenden führende äonische Gewichtigkeit der Herrlichkeit bewirkt« (2.Kor.4:17).

  König David prophezeite in Bezug auf den Messias, den lebendig machenden Geist: »Du hast mich mit dem Pfad des Lebens bekannt gemacht, vor Deinem Angesicht ist überaus befriedigende Freude, und Lieblichkeit ist zu Deiner Rechten« (Ps.16:11; Ap.2:28).

  Wie verheißen, erfuhren die Jünger alsbald große Freude, als sie den Auferstandenen gewahrten (Luk.24:41; Joh.20:20), als Er gen Himmel fuhr (Luk.24:52), dann nach Pfingsten die gesamte Gemeinde in Jerusalem (Ap.2:46) und weiterhin, denken wir nur an den Lobgesang des Paulus und Silas im Gefängnis zu Philippi und die Freude des Gefängnisaufsehers über seinen Glauben (Ap.16:25,34). Petrus schreibt: »Diesen [Jesus] liebt ihr, obgleich ihr Ihn nicht gewahrt habt, an den glaubt ihr, ohne Ihn jetzt zu sehen, und frohlockt mit Freude, die unaussprechlich und verherrlicht ist, weil ihr die Vollendung eures Glaubens davontragt: Die Rettung eurer Seelen« (1.Pet.1:8,9). Und was uns anbelangt: Unsere Freude darf allezeit überströmen bei all unserer Drangsal (2.Kor.7:4).

  »An jenem Tag werdet ihr Mich nichts mehr fragen.« Mit diesem Tag meinte der Herr wohl weniger die Frist zwischen Seiner Auferstehung und Himmelfahrt, sondern den Tag Seiner Wiederkunft und des Königreichs, wenn die Jünger zur vollen geistlichen Erkenntnis gebracht sein werden; aber auch schon in der Zeit der Apostelgeschichte, eben der nach der Ausgießung des heiligen Geistes, fragten Ihn die Apostel nichts mehr, sondern baten Ihn in Seinem Namen um Sein Wirken.

  Darum kam der Herr sogleich auf das Bitten zu sprechen (Verse

23 b+24).

 

»Bittet!«

 

  »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Was ihr den Vater auch bitten werdet in Meinem Namen, das wird Er euch geben. Bis jetzt habt ihr noch nichts in Meinem Namen erbeten. Bittet, und ihr werdet erhalten, damit eure Freude vollständig sei« (Verse 23 b+24).

  Wer im Namen Jesu bittet, in Seinem Auftrag, in Übereinstimmung mit Ihm, der wird empfangen und dessen Freude wird vollständig sein (Joh.14:13; 15:11). Johannes schreibt dazu: »Wenn wir etwas erbitten, so erhalten wir es von Ihm, weil wir Seine Gebote halten und das vor Seinen Augen Wohlgefällige tun« (1.Joh.3:22). Ja, die Gebete der Gerechten werden erhört (Spr.15:29; Ps.66:18; Joh.9:31)! »Und dies ist der Freimut, den wir zu Ihm haben, dass, wenn wir etwas nach Seinem Willen bitten, Er uns hört« (1.Joh.5:14). - Wer im Dienst des Herrn steht, darf den Vater um alles bitten, was er dazu braucht.

 

Der Vater liebt die Jünger

 

  Abschließend sagte Jesus: »Dies habe Ich in verhüllter Rede zu euch gesprochen. Doch es kommt die Stunde, da werde Ich nicht mehr in verhüllter Rede zu euch sprechen, sondern euch freimütig über den Vater berichten. An jenem Tag werdet ihr in Meinem Namen bitten, und Ich sage euch nicht, dass Ich den Vater für euch ersuchen werde; denn der Vater Selbst hat euch lieb, weil ihr Mich liebgehabt habt und geglaubt habt, dass Ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; nun verlasse Ich die Welt wieder und gehe zum Vater« (Verse 25-28).

  Von Pfingsten an wird der Sohn den Aposteln Seinen Vater völlig enthüllen. Der Geist der Wahrheit wird ihnen den Vater im Angesicht Jesu Christi offenbaren (Joh.14:9; 2.Kor.4:6).

  Wir sind sicherlich sehr verwundert darüber, in Vers 26 zu lesen, dass Jesus die Bitten der Jünger beim Vater nicht noch eigens unterstützen wird, ist Er doch der Mittler von allem, auch der Gebete (Röm.8:26,27,34; Kol.3:17). Jesu Mittlerschaft bleibt aber unberührt, denn es ist einfach nicht nötig, dass der Herr Sich beim Vater für die Seinen einsetzt, wenn sie Ihn im Namen Jesu um etwas bitten, weil diese Bitten ihnen auf jeden Fall erfüllt werden, zumal der Vater und der Sohn und die Gläubigen durch den Geist Gottes eins sind (Joh.17:21). Wenn keine Uneinigkeit besteht, verläuft alles glatt.

  Nicht nur der Sohn liebt die Jünger, sondern auch der Vater. In Vers 27 versicherte der Herr es ihnen wieder, wie bereits in Kapitel 14:21: »Wer Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt. Wer Mich aber liebt, wird von Meinem Vater geliebt werden«; und in Vers 23 desselben Kapitels: »Wenn jemand Mich liebt, wird er Mein Wort bewahren, und Mein Vater wird ihn lieben; und Wir werden zu ihm kommen und Unsere Bleibe bei ihm nehmen.« Die Liebe des Vaters findet insbesondere in der Erhörung der Bitten ihren Ausdruck.

  Schließlich fasste der Herr in Vers 28 Seine Mission aufs kürzeste zusammen. Er kam vom Vater und geht nach vollbrachter Erlösung wieder zu Ihm. Die Tatsache Seines Ausgangs vom Vater und mithin Seiner Gottessohnschaft ist ein wesentlicher Teil des Glaubens der Jünger.

  Und nun wird Er die Welt verlassen und wieder zum Vater gehen. War Jesu Eingang in die Welt schon wunderbar, wie viel mehr wird es Sein Ausgang, Seine Himmelfahrt, sein!

 

»Wir glauben«

 

  »Da sagten seine Jünger zu Ihm: Siehe, nun sprichst Du freimütig und sagst nichts in verhüllter Rede. Nun wissen wir, dass Du alles weißt und dass man Dich nicht weiter zu fragen braucht. Darum glauben wir, dass Du von Gott ausgegangen bist« (Verse 29+30).

  Da den Jüngern deutlich vor Augen stand, dass Jesus alles wusste und all ihre Gedanken und Beweggründe kannte, und Er von der Liebe des Vaters zu ihnen gesprochen hatte, glaubten die Jünger voller Freude. Sie hatten auch erkannt, dass sie Ihm in vollem Maße vertrauen konnten, ohne erst durch Rückfragen weiteren Aufschluss erlangt zu haben. Und sie glaubten, dass Jesus der Sohn Gottes ist.

 

»Ihr werdet Mich allein lassen«

 

  Aber den Jüngern stand die Bewährungsprobe noch bevor. Vielleicht trauten sie ihren Ohren nicht, als sie hörten, was ihr Herr ihnen jetzt ansagte.

  »Jesus antwortete ihnen: Jetzt glaubt ihr. Siehe, es kommt die Stunde, ja sie ist gekommen, dass ihr zerstreut werdet, jeder in das Eigene, und ihr werdet Mich allein lassen. Doch Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei Mir« (Verse 31+32).

  Der Glaube und die Treue der Jünger werden ins Wanken geraten. Sie werden Jesus verlassen und in ihre eigenen Häuser zurückkehren, wie Er in Erfüllung des Wortes aus Sacharja 13:7 sagte: »Ihr alle werdet in dieser Nacht an Mir Anstoß nehmen; denn es steht geschrieben: Ich werde den Hirten erschlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen« (Mat.26:31).

  Aber der Herr wird nicht allein sein, weil der Vater durch Seinen Geist allezeit bei Ihm ist, bis zum Tode (Joh.8:29).

 

»Fasset Mut!«

 

  Jesus beendete Seine Rede mit den Worten: »Dies habe Ich zu euch gesprochen, damit ihr in Mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Drangsal; doch fasset Mut, Ich habe die Welt überwunden« (Vers 33).

  Ihr Herr und Meister hatte Seinen Jüngern dies alles vorausgesagt, damit sie Frieden über den Wegen Gottes mit Seinem Sohn haben und ihren inneren Halt wiedergewinnen sollten sowie sich ihres Heils in Unverzagtheit erfreuen mögen.

  In dieser Welt bleiben Drangsale nicht aus. Sie hat einen anderen Geist und ist den Gläubigen feindlich gesonnen. Wir leben in einem bösen Äon (Gal.1:4). Paulus sagte einst, dass »wir durch viele Drangsale in das Königreich Gottes eingehen müssen« (Ap.14:22).

  Mögen die Jünger angesichts dieses Druckes Mut fassen, und zwar im Blick auf Jesus, der die Welt überwunden hat. Der Verfasser des Hebräerbriefs schreibt in Kapitel 12:1-3: »Daher mögen also auch wir, weil wir von einer solch großen Wolke von Zeugen umgeben sind, alle Hemmungen samt der bestrickenden Sünde ablegen, den vor uns liegenden Wettlauf mit Ausdauer rennen und (von alldem wegsehend) auf den Urheber und Vollender des Glaubens blicken, auf Jesus, der anstatt der vor Ihm liegenden Freude das Kreuz erduldete und die Schande verachtete und Sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat. So betrachtet denn den, der solch einen Widerspruch von den Sündern erduldet hat, als Er unter ihnen war, damit ihr nicht wankt und in euren Seelen ermattet.«

  Jesus hat die Welt besiegt. Dies konnte Er Seinen Jüngern jetzt schon sagen, weil es aufgrund Seiner Treue und Seines Gehorsams dem Vater gegenüber bereits feststand. Jesus hat den Satan besiegt; folglich wird diese Welt vorübergehen und Christus eine neue Welt heraufführen. Jesus hat den Sieg über diese Welt errungen, weil Er nicht nach dem Schema der Welt an Seiner eigenen Herrlichkeit festhielt, sondern Sich für Sünder und Gottesfeinde in Liebe dahingab. Diese Liebe ist Sein Sieg!

  Wir schließen mit den Worten des erfahrenen Apostels Johannes: »Ihr seid aus Gott, Kindlein, und habt sie [die Welt] überwunden, weil der in euch Wirkende größer ist als der in der Welt« (1.Joh.4:4); »Seine Gebote sind nicht schwer; denn alles, was aus Gott gezeugt ist, überwindet die Welt. Und dies ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube!« (1.Joh.5:4).

 

Das große Fürbittegebet Jesu

(Johannes 17)

 

  Nach dem letzten Mahl mit Seinen Jüngern in der Nacht, in der Er verraten wurde, betete unser Herr Jesus Christus in ergreifender Weise Seinen Vater an, um Seine Verherrlichung bittend (Verse 1-5) und für Seine Jünger (Verse 6-19) sowie für alle Gläubigen (Verse 20-26) um deren Bewahrung, Einssein und Heiligung. Dieses Gebet ist ein Sieg des Glaubens Jesu und des Vertrauens in die Heilswege Gottes. Seinen Vater anbetend macht Er Sich auf den Weg zum Kreuz.

 

»Vater!«

 

  »Als Jesus dies gesprochen hatte, hob Er Seine Augen zum Himmel auf und sagte: Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche Deinen Sohn, damit Dein Sohn Dich verherrliche ...« (Vers 1).

  Die Stunde war gekommen, die Seiner Gefangennahme und Kreuzigung, die entscheidende Stunde der gesamten Heilsgeschichte, die bedeutendste Stunde für das ganze All.

  Der Sohn verherrlicht Seinen Vater, indem Er Ihm gehorcht und alle Ehre gibt.

  Der Vater verherrlicht Seinen Sohn, indem Er Ihn durch Leiden vollkommen macht (Heb.2:10; 5:8,9), Ihn auferweckt, Ihn zum Retter macht (Heb.5:9), indem Er Ihn zu Seiner Rechten erhöht (Eph.1:20) und Ihm alle Vollmacht im Himmel und auf der Erde überträgt (Mat.28:18).

  In solcher Weise wird der Vater den Sohn verherrlichen, damit der Sohn wiederum den Vater verherrliche, aus dem und zu dem hin alles ist (Röm.11:36), indem Er Ihm alles überstellt, damit Gott alles in allen sei (1.Kor.15:28).

 

Das äonische Leben

 

  Den angefangenen Satz fortführend, sagte Jesus: »... so wie Du Ihm Vollmacht über alles Fleisch gegeben hast, damit Er alles, was Du Ihm gegeben hast, ihnen gebe, auch äonisches Leben. Das aber ist das äonische Leben, dass sie Dich erkennen, den allein wahrhaften Gott, und den Du ausgesandt hast, Jesus Christus« (Verse 2+3).

  Der Vater hat dem Sohn die Autorität über alle Menschen gegeben, und diese gebraucht Er zunächst zum Segen der Gläubigen. Alles, was Er hat - daran lässt Er sie teilhaben. Ihm hatte der Vater gegeben, Leben in Sich Selbst zu haben (Joh.5:26). Nach den Äonen, bei der Vollendung (1.Kor.15:24), wird Er schließlich alle lebendig machen (1.Kor.15:22). Jetzt wird Er den Seinen äonisches Leben geben, Leben in den beiden kommenden Äonen (während die Nichtauserwählten noch tot sind), Leben im tausendjährigen Königreich auf der Erde und dann im Königreich auf der neuen Erde. »Ich gebe ihnen äonisches Leben, und sie werden für den Äon keinesfalls umkommen« (Joh.10:28).

  Dies aber bedeutet das äonische Leben, anders gesagt: dies aber hat das äonische Leben zur Folge, dass sie den Vater und den Sohn erkennen. Mit der Erkenntnis des Vaters und des Sohnes erfreuen sie sich übrigens bereits des äonischen Lebens in Erwartung.

  Der Vater ist der eine und einzige Gott im absoluten Sinne, der einzige Verfüger, Platzierer und Sich alle Unterordnende. Wenn Jesus als Gott bezeichnet wird (1.Joh.5:20), dann nur im abgeleiteten Sinne, wenn Er in göttlicher Vollmacht auftritt, Gott repräsentierend.

 

Der Sohn verherrlicht den Vater

 

  Jesus betete weiter: »Ich verherrliche Dich auf Erden, indem Ich das Werk vollende, das Du Mir zu tun gegeben hast« (Vers 4).

  Schon als Jesus in die Welt kam, hatte Er gesagt: »Siehe, Ich treffe ein, um Deinen Willen, o Gott, zu tun!« (Heb.10:9). »In diesem Willen sind wir durch die Darbringung des Körpers Jesu Christi ein für allemal geheiligt« (Heb.10:10). Gott hatte in Christus Jesus einen Vorsatz für den Ablauf der Äonen gefasst (Eph.3:11), den Er durch Ihn ausführt. Am Kreuz wird das Werk vollendet. So wie Er es Seinen Jüngern auch am Jakobsbrunnen erklärt hat: »Meine Speise ist die, dass Ich den Willen dessen tue, der Mich gesandt hat, und Sein Werk vollende« (Joh.4:34).

  So wird geschehen, was in Johannes 13:31 geschrieben steht: »Gott wird in Ihm [oder: infolge Seiner] verherrlicht« - infolge Seines Gehorsams bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod (Phil.2:8).

 

»Nun verherrliche Du Mich, Vater«

 

  »Nun verherrliche Du Mich, Vater, bei Dir Selbst mit der Herrlichkeit, die Ich bei Dir hatte, bevor die Welt war« (Vers 5).

  Als der einziggezeugte Sohn Gottes (Ps.2:7), als Sein Wort (Joh.1:1) und Sein Abbild (Kol.1:15) hatte Jesus größte Herrlichkeit. Als Er in der Gestalt Gottes war, war Er wie Gott (Phil.2:6,7). »Wie Gott war das Wort« (Joh.1:1). Durch Ihn und in Ihm hat der Vater das All und die Äonen erschaffen (1.Kor.8:6; Joh.1:3; Kol.1:16; Heb.1:2).

  Und nun bat Jesus, dass der Vater Ihm diese Herrlichkeit wieder gebe. Und so geschah es auch, wie in Hebräer 2:9 zu lesen, dass Jesus um des Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre bekränzt wurde.

 

Jesus offenbarte den Namen Gottes

 

  Dann betete der Herr in Bezug auf Seine Jünger: »Ich habe Deinen Namen den Menschen offenbart, die Du Mir aus der Welt gegeben hast. Dein waren sie, und Mir hast Du sie gegeben, und Dein Wort haben sie bewahrt« (Vers 6).

  Jesus hatte Seinen Jüngern den Namen Gottes offenbart. Wie lautet dieser? In früheren Zeiten wurde Er mit dem Namen »Jewe« angerufen, das heißt »Ich werde da sein, Ich bin da, Ich war da« (2.Mose 3:13-15). Jewe war der Elohim, der alle Sich Unterordnende. Jetzt aber lautet der Name Gottes: Vater. Diesen Namen hatte der Herr Seinen Jüngern enthüllt und auch an Sich Selbst dargestellt. Immer wieder hatte Jesus von Seinem Vater gesprochen und damit Psalm 22:23 erfüllt, wo es heißt: »Erzählen will ich von Deinem Namen meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich Dich loben« (vgl. Heb.2:12).

  »Dein waren sie«, sagte Jesus. Die Jünger standen also ursprünglich nicht Jesus zur Verfügung, sondern dem Vater, aus dem alles ist (Röm.11:36). Jesus besitzt und verfügt nur über die, die der Vater Ihm gegeben hat, und herrscht auch nur insoweit der Vater Ihm die Vollmacht dafür übertragen hat. Vom Vater geht alles aus. Dies hatte der Herr mehrfach betont (Joh.6:37,44,63; 10:29).

  Wie köstlich darf uns doch der Gedanke sein, dass die Jünger ein Geschenk des Vaters an Seinen Sohn sind! Sie dürfen sich somit als wertvollen Besitz des Sohnes verstehen.

  Wie der Herr im Gebet zum Ausdruck brachte, haben Seine Jünger das Wort des Vaters bewahrt, in treuem Glauben daran festgehalten.

 

Alles ist vom Vater

 

  »Nun haben sie erkannt, dass alles, was Du Mir gegeben hast, von Dir ist; denn die Worte, die Du Mir gegeben hast, habe Ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und haben wahrhaftig erkannt, dass Ich von Dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass Du Mich ausgesandt hast« (Verse 7+8).

  Die Jünger hatten erkannt, dass Jesu Reden Gottes Reden waren (Joh.8:26; 12:49,50; 15:15), und Er von Ihm ausgesandt war und mithin der Sohn Gottes und der verheißene Messias ist (Joh.16:27,30).

 

»Ich ersuche Dich«

 

  »Ich ersuche Dich für sie; nicht für die Welt ersuche Ich Dich, sondern für die, die Du Mir gegeben hast; denn sie sind Dein, wie all das Meine Dein ist und das Deine Mein. In ihnen bin Ich nun verherrlicht« (Verse 9+10).

  Was der Sohn Gottes als das Seine bezeichnet, weiß Er vom Vater gegeben; daher gehört es im Grunde dem Vater. Der Vater aber stellt alles dem Sohn bereit.

  Der Herr bat für Seine geliebten Jünger. Sie sind ein besonderer Schatz, zumal Er Selbst in ihnen verherrlicht ist, und zwar insofern, als sie Ihm glauben, Ihm mithin Raum in ihren Herzen geben und Ihn zum Ausdruck bringen. Zum Lobpreis Seiner Herrlichkeit sind ohnehin alle Gläubigen da, so auch wir (Eph.1:12).

  Jesus verwendete Sich für die Seinen wie in Hebräer 7:24,25 geschrieben: »Er hat, weil Er für den Äon bleibt, ein unantastbares Priestertum, weshalb Er auch die völlig retten kann, die durch Ihn zu Gott kommen, weil Er immerdar lebt, um Sich für sie zu verwenden.« Dies ist uns auch aus Römer 8:33,34 bekannt: »Wer aber wird die Auserwählten Gottes bezichtigen? Etwa Gott, der Rechtfertiger? Wer sollte sie verurteilen? Etwa Christus Jesus, der gestorben, ja vielmehr auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist, der Sich auch für uns verwendet?«

 

»Heiliger Vater!«

 

  Wir hören auf Jesu Worte der Verse 11 und 12: »Ich bin nicht mehr in der Welt, doch sie sind in der Welt, Ich aber komme zu Dir. Heiliger Vater, bewahre sie in Deinem Namen, in welchem Du sie Mir gegeben hast, damit sie eins seien so wie Wir. Als Ich bei ihnen in der Welt war, bewahrte Ich sie, die Du Mir gegeben hast, in Deinem Namen. Ich behütete sie, und keiner von ihnen ging verloren außer dem Sohn des Untergangs, damit die Schrift erfüllt werde.«

  »Heiliger Vater!« - diese Anrede finden wir nur einmal in der Heiligen Schrift; umso wertvoller ist sie uns. Der Vater ist heilig, Er ist ganz anders als die Welt. Einst sagte Er von Sich: »Heilig bin Ich, Jewe, euer Elohim!« (3.Mose 19:2; 1.Pet.1:16).

  Da unser Herr nun zum Vater ging und Seine Jünger damit nicht mehr unter Seiner unmittelbaren Obhut standen - bislang konnte niemand sie aus Seiner Hand rauben (Joh.10:28) -, vertraute Er sie Seinem Vater an. Jesu Bitte um Bewahrung der Jünger meint an dieser Stelle weniger die vor Drangsalen, sondern vor Unglauben und vor dem Abfallen (wie es gerade mit dem Jünger Judas Iskariot geschehen war), zumal der Herr um die Einheit Seiner Jünger bat. Möge keiner durch einen Rückfall in die Gesinnung der Welt die Gemeinschaft der Gläubigen verlassen. Jene würden ihre Rettung und ihren Platz im Königreich Israels verlieren (2.Pet.2:20-22; Heb.10:26-31). Dementsprechend betont der Apostel Petrus, dass man durch den Glauben in der Kraft Gottes sicher bewahrt wird zur Rettung (1.Pet.1:5).

  Welch eine besondere Gnade ist es doch, dass wir, die Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), nach dem dem Apostel Paulus enthüllten Evangelium der überströmenden Gnade (Gal.1:12; Eph.3:2; Röm.5:20) nicht wieder verloren gehen können, da wir mit heiligem Geist versiegelt sind (2.Kor.1:22; Eph.1:13; Röm.8:30).

  Nur einer der zwölf Jünger ging verloren, damit Psalm 41:10 erfüllt werde: »Der mein Brot aß, erhebt seine Ferse hoch gegen mich« (vgl. Joh.13:18).

 

Zu ihrer Freude

 

  »Nun aber komme Ich zu Dir und spreche dies noch hier in der Welt, damit Meine Freude in ihnen vollständig sei« (Vers 13).

  Nur die vom Vater durch den Glauben Bewahrten werden Freude haben, eine Freude, die nicht aus ihnen ist, sondern die Jesu Selbst ist (Joh.15:11). Die Freude erwächst aus der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn (1.Joh.1:3,4).

 

Sie sind nicht von der Welt

 

  Des Weiteren betete unser Herr Jesus Christus: »Ich habe ihnen Dein Wort gegeben, und die Welt hasst sie, weil sie nicht von der Welt sind, so wie auch Ich nicht von der Welt bin. Ich ersuche Dich nicht, dass Du sie aus der Welt nimmst, sondern dass Du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, so wie auch Ich nicht von der Welt bin« (Verse 14-16).

  Die Jünger sind nicht von der Welt, sondern von Gott, weil sie von oben her durch den Geist Gottes neu gezeugt sind (Joh.3:1-12). Die Welt hasst sie, weil sie anders sind als sie; weil Jesus ihr bezeugte, dass ihre Werke böse sind (Joh.7:7); weil Jesus die Seinen aus der Welt heraus erwählt hat (Joh.15:19). Die Menschen hassen die Gläubigen um des Namens Jesu willen (Mat.10:22); sie hassen Ihn ohne Grund und die Ihm Angehörenden ebenso (Joh.15:25). Die Welt liegt im Bösen, im Griff des Satans (1.Joh.5:19).

  Nun bat der Sohn den Vater, nicht dass Er die Jünger aus der Welt herausnehme, sondern sie vor dem Bösen, dem Satan, dem Menschentöter von Anfang an (Joh.8:44), bewahre, inmitten der feindlichen Umwelt schütze. Hier denken wir an Psalm 12:8,9: »Du, Jewe, bewahrst uns, Du behütest uns vor dieser Generation für den Äon. Ringsum wandeln die Frevler.« Die Apostel sollen nämlich inmitten dieser unserer dämonisierten Welt den Dienst der Verkündigung der Wahrheit tun, wie unser Herr es ihnen vor Seiner Himmelfahrt auf dem Ölberg sagte: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt; und ihr werdet Meine Zeugen sein: in Jerusalem wie auch im gesamten Judäa und Samaria und bis zur letzten Grenze des Landes« (Ap.1:8; vgl. Mat.28:29).

 

»Heilige sie in Deiner Wahrheit!«

 

  »Heilige sie in Deiner Wahrheit: Dein Wort ist die Wahrheit. Wie Du Mich in die Welt ausgesandt hast, so sende auch Ich sie in die Welt aus. Für sie heilige Ich Mich, damit auch sie in Wahrheit Geheiligte seien« (Verse 17-19).

  Heilig sein heißt für Gott von der Welt abgesondert sein.

  Ein heiliges, geistliches Verhalten in einer verführerischen Umwelt kann nur aus der festen Gründung im Wort der Wahrheit erwachsen. Genau dorthin aber, in die Finsternis, sind die Apostel ausgesandt, und dort sollen sie das Licht des Wortes Gottes aufleuchten lassen.

  Zugleich mit der Bitte an den Vater heiligte Jesus Sich für die Apostel, sie also in Seine Heiligung einschließend, damit sie ebenso heilig würden wie Er Selbst, geheiligt durch das Wort der Wahrheit. »Denn sowohl der Heiligende wie auch die geheiligt werden, stammen alle aus dem Einen« (Heb.2:11), aus Gott nämlich.

  Insbesondere heiligte Sich unser Herr Jesus Christus in der Weise, dass Er Sich als das Opfer für Gott aussonderte. Mithin sind die Apostel im tiefsten Grunde durch dieses Opfer geheiligt (Heb.10:10).

 

Jesus ersucht für künftige Gläubige

 

  Sodann betete Jesus für die zukünftigen Gläubigen: »Aber nicht für diese allein ersuche Ich Dich, sondern auch für die, die durch deren Wort an Mich glauben, damit sie alle eins seien; wie Du, Vater, in Mir bist und Ich in Dir bin, so mögen auch sie in Uns sein, damit die Welt glaube, dass Du Mich ausgesandt hast« (Verse 20+21).

  Das Wort der Apostel ist nicht Menschenwort, sondern vom heiligen Geist getragenes Wort Gottes (1.Thess.2:13; 2.Pet.1:21); es ist lebendig und wirksam (Heb.4:12; Joh.6:63). Mithin werden andere Menschen durch ihr Wort zum Glauben kommen.

  Und dann werden alle eins sein, der Vater und der Sohn und die Gläubigen, und zwar weil ihnen allen der eine Geist Gottes innewohnt. Sie werden allesamt völlig übereinstimmend denken und handeln. Johannes bezeugt später: »Diese unsere Gemeinschaft aber ist auch die mit dem Vater und Seinem Sohn Jesus Christus« (1.Joh.1:3).

  Der Zahl nach sind der Vater und der Sohn zwei - Sie sind nicht identisch - und die Gläubigen sind eine Vielzahl (1.Kor.8:6; 1.Tim.2:5); doch darum geht es hier nicht, sondern darum, dass alle eins sind in der Gesinnung, im Wollen und Tun.

  Und dies wird zur Folge haben, dass die Welt glaubt, dass Jesus der von Gott gesandte Christus ist.

  Ebenso wie in dieser Gemeinde ganz Israels, die damals ihren Anfang nahm, verhält es sich auch in der gegenwärtigen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), die seinerzeit ein Geheimnis war, das erst dem Apostel Paulus enthüllt wurde (Kol.1:24,25): wir sind alle eins (Röm.12:5; 1.Kor.12:12-27).

 

Des Vaters Herrlichkeit und Liebe

 

  Es schließen sich die Verse 22 und 23 an: »Ich habe die Herrlichkeit, die Du Mir gegeben hast, ihnen gegeben, damit sie eins seien, so wie Wir eins sind: Ich in ihnen und Du in Mir, damit sie zur Einheit hin vollendet werden und damit die Welt erkenne, dass Du Mich ausgesandt hast und sie liebst, so wie Du Mich liebst.«

  Alle Menschen ermangeln der Herrlichkeit Gottes (Röm.3:23). Nun aber, durch den Glauben in die Gemeinschaft mit Christus eingetreten, sind sie in Ihm verherrlicht (vgl. Röm.8:30).

  Diese nicht von ihnen stammende, sie alle umfassende Herrlichkeit ist die Krönung ihres Einsseins. Die göttliche Herrlichkeit, die sich im Frieden, in der Freude und in der Zuversicht der Gläubigen ausdrückt, soll von der Welt erkannt und auf den Vater und den Sohn zurückgeführt werden.

  An all diesem sollen die Menschen auch die Liebe des Vaters erkennen, der nicht nur den Sohn, sondern auch alle die Gläubigen liebt (Joh.3:35; 14:21).

  Mögen aber besonders die Gläubigen selbst die Zuneigung Gottes zu ihnen erkennen und zu würdigen wissen!

 

»... dass sie bei Mir seien«

 

  »Vater, ich will, dass auch jene, die Du Mir gegeben hast, bei Mir seien, wo Ich bin, damit sie Meine Herrlichkeit schauen, die Du Mir gegeben hast; denn Du hast Mich vor dem Niederwurf der Welt geliebt« (Vers 24).

  Der Niederwurf (oder: Herabwurf) der Welt erfolgte nach dem ersten Äon der Urschöpfung (1.Mose 1:1) und wird in 1.Mose 1:2 beschrieben: »Und die Erde wurde ein Chaos und inhaltslos, und Finsternis war auf der Fläche des überfluteten Chaos.«

  Der Sohn war von Seiner Zeugung an (Ps.2:7; Heb.1:5; Off.3:14) der Geliebte des Vaters; dessen besondere Liebe aber galt Ihm sodann vor dem Niederwurf der Welt, als Er Ihn als makellos und fehlerloses Lamm vorhererkannte (ins Auge fasste) (1.Pet.1:20).

  Insbesondere die Apostel, aber auch alle Gläubigen Israels werden Jesu Herrlichkeit im Königreich schauen. Zu den Jüngern hatte der Herr gesagt: »In Meinem Königreich sollt ihr an Meinem Tisch essen und trinken« (Luk.22:30) und: »Die ihr Mir gefolgt seid, in der Wiederwerdung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzt, werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten« (Mat.19:28). Alle Heiligen Israels werden dem Herrn Jesus gleich sein, wenn sie Ihn sehen werden, wie Er ist (1.Joh.3:2).

  Was unser Herr hier im Gebet vor Seinem Vater ausbreitete, nämlich dass die Jünger dort sein sollen, wo Er sein wird, hatte Er in dieser Nacht mit folgenden Worten bereits verheißen: »In dem Haus Meines Vaters sind viele Bleibestätten; wenn aber nicht, hätte Ich’s euch gesagt, da Ich gehe, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn Ich gegangen bin und euch eine Stätte bereitet habe, komme Ich wieder und werde euch zu Mir nehmen, damit auch ihr seid, wo Ich bin« (Joh.14:2,3). Das Haus Seines Vaters ist die Weihestätte (Joh.2:16). Darin waren viele Bleibestätten, und zwar die Dienstzimmer für die jeweils amtierenden Priester. Dies wird auch in der neuen hesekielschen Weihestätte wieder so sein (Hes.40:7,45). Die Apostel werden also zusammen mit dem Herrn Jesus Christus in den Bleibestätten der Weihestätte sein. Er wird ihnen ihre Dienstzimmer bereiten.

  Und das ganze Israel der Auserwählung wird ein königliches Priestertum zum Segen der Erde sein (1.Mose 12:3; 1.Pet.2:9) und alle Nationen zu Jüngern machen (Mat.28:19).

  Unser Losteil in den beiden kommenden Äonen dagegen befindet sich im Himmel; inmitten der überhimmlischen Regionen und Geschöpfe werden wir niedergesetzt sein (Eph.2:6,7).

 

»Gerechter Vater!«

 

  Der Herr kam zum Ende Seines Gebets: »Gerechter Vater, die Welt erkannte Dich nicht, Ich aber kenne Dich; und diese haben erkannt, dass Du Mich ausgesandt hast. Ich habe ihnen Deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der Du Mich liebst, in ihnen sei und Ich in ihnen« (Verse 25+26).

  Wieder betonte Jesus, wie wichtig es ist, Ihn als den von Gott ausgesandten Messias zu erkennen. Die Welt hat aber auch Gott nicht erkannt; der Apostel Paulus kommt viele Jahre später darauf in 1.Korinther 1:21 zurück: »Denn weil (in der Weisheit Gottes) die Welt in ihrer Weisheit nun Gott nicht erkannt hat, befand Gott es als gut, durch die Torheit der Heroldsbotschaft die zu retten, die glauben.«

  Die Anrede »Gerechter Vater« mochte anklingen lassen, dass Gott all denen Seine Gerechtigkeit erweisen und sie zum äonischen Leben retten werde, die an das Blut des Sühneopfers Jesu Christi glauben (vgl. Röm.3:25).

  Mit den Worten: »Ich habe ihnen Deinen Namen bekannt gemacht« brachte Jesus Seinen Dienst auf der Erde auf den Punkt, wollte Er doch als das Wort (Joh.1:1) und Abbild Gottes (Kol.1:15), als die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit und das Gepräge Seines Wesens (Heb.1:3) nichts anderes, als den Menschen Seinen Vater nahezubringen und Ihn zu verherrlichen. Ein Name steht für den Träger des Namens. Mit dem Namen Gottes meinte Jesus somit Gott Selbst, den wir mit dem köstlichsten Namen, nämlich »Vater« anreden dürfen. Je mehr die Größe und Herrlichkeit des Namens Gottes im Denken der Heiligen Raum gewinnt, desto mehr wird die Liebe des Vaters und zugleich auch Jesus Selbst ihre Herzen erfüllen. Dies war unseres Herrn höchster Wunsch in diesem Seinem großen Fürbittegebet.

 

 

Jesu Gefangennahme und die Verhöre vor Hannas und Pilatus

(Johannes 18:1-19:11)

 

  Es war in der Nacht des Tages vor dem Passahfest (Joh.13:1), am Vorbereitungstag des Passah (Joh.19:14), am 13. Nisan des Jahres 32 n. Chr. nach den letzten Reden Jesu an Seine Jünger und Seinem großen Fürbittegebet.

 

Im Garten Gethsemane

 

  »Nachdem Jesus diese Worte gesprochen hatte, ging Er mit Seinen Jüngern hinaus und begab Sich jenseits des Winterbachs Kidron, wo ein Garten war, in den Er und Seine Jünger eintraten. Judas aber, Sein Verräter, war auch mit dem Ort vertraut, weil Jesus Sich dort oftmals mit Seinen Jüngern versammelt hatte« (Verse 1+2).

  Jesus und Seine Jünger gingen nach ihrem vorgezogenen Passahmahl in den Garten Gethsemane am Osthang des Ölbergs.

 

Der Verräter nahte

 

  »Als Judas dann die Truppe und die Gerichtsdiener von den Hohenpriestern und Pharisäern erhalten hatte, kam er mit Laternen, Fackeln und Waffen dorthin. Jesus wusste nun alles, was über Ihn kommen sollte; Er trat hinaus und fragte sie: Wen sucht ihr? - Sie antworteten Ihm: Jesus, den Nazarener! - Da sagte Jesus zu ihnen: Ich bin es! - Aber auch Judas, Sein Verräter, stand bei ihnen« (Verse 3-5).

  Dass Jesus »nun alles wusste«, bedeutet nicht, dass Er »jetzt« alles wusste; das griechische Wort oun ist eine kausale Konjunktion im Sinne von »daher, mithin, somit, folglich«. Mit anderen Worten: Angesichts der Truppe wusste Er nun denn oder mithin, was auf Ihn zukommen würde.

  Jesu Stunde war gekommen, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen (Joh.13:1).

  Jesus, dessen Name »Jewe, der Retter« bedeutet und der in die Welt gekommen war, um den Willen des Vaters zu tun (Heb.10:7), schritt der Truppe im festen Wissen um Seinen Sendungsauftrag entgegen. »Ich bin es!« - dieser Ausspruch war nicht nur eine Mitteilung, sondern eine Selbstbezeichnung, die der glich, mit der Jewe Sich einst dem Mose vorgestellt hatte (2.Mose 3:14). In dieser Autorität hatte Jesus den Gang der Dinge in der Hand. Niemand sollte Ihm Seine Seele nehmen, sondern Er Selbst wird sie dahingeben (Joh.10:15,18).

  »Als Er nun zu ihnen sagte: Ich bin es, wichen sie zurück und fielen zu Boden. Dann fragte Er sie nochmals: Wen sucht ihr? - Sie sagten: Jesus, den Nazarener! - Jesus antwortete: Ich sagte euch, dass Ich es bin. Wenn ihr Mich nun sucht, dann lasst diese gehen! - Damit das Wort erfüllt werden sollte, das Er gesprochen hatte: Von denen, die Du Mir gegeben hast, verliere Ich gar keinen« (Verse 6-9).

  Des Herrn freimütiges Bekenntnis in göttlicher Vollmacht warf die Häscher zu Boden. Jesu wiederholte Frage, wen sie suchten, sollte ihre Gedanken auf Ihn allein konzentrieren, damit die Jünger fliehen konnten (Mat.26:56). Mit Seinem Eintreten für die Jünger liebte und bewahrte Er sie bis zum Abschluss, wie es geschrieben steht und Er gebetet hatte (Joh.13:1; 17:12).

  Die Stunde der Finsternis, all derer, die dem Satan zu Diensten waren, war angebrochen (Luk.22:53).

 

Der Schwerthieb des Petrus

 

  »Simon Petrus nun, der ein Schwert hatte, zog es heraus, schlug auf den Sklaven des Hohenpriesters ein und hieb ihm die rechte Ohrmuschel ab; der Name des Sklaven war Malchus. Da sagte nun Jesus zu Petrus: Stecke das Schwert in die Scheide! Soll Ich den Becher, den Mir der Vater gegeben hat, etwa nicht trinken?« (Verse 10+11).

  Petrus stand zu seinem Wort; er hatte dem Herrn ja versichert, dass er seine Seele für Ihn einsetzen wolle (Joh.13:37). Dies tat er jetzt - leider noch immer in menschlich-seelischer Weise und ohne Einsicht für den zur Rettung der Welt notwendigen Opfertod Jesu Christi. Mit dem Hinweis auf den Ihm vom Vater gegebenen Becher wies Jesus Petrus zurecht, zugleich dessen geistliches Verständnis aufbauend.

  Der Herr hatte ein Herz für Seine Feinde und heilte das Ohr des Malchus wieder (Luk.22:51).

  Der zu trinkende Becher ist ein Bild für das zu Erfahrende und zu Erleidende. Der Becher, der dem Herrn bevorstand, war die Preisgabe durch den Vater (Ps.22:2), die Übergabe an die Nationen und die Kreuzigung (Mat.20:19; 26:2).

 

Zu Hannas

 

  »Die Truppe, der Oberst und die Gerichtsdiener der Juden ergriffen nun Jesus, banden Ihn und führten Ihn zuerst zu Hannas ab; denn er war der Schwiegervater des Kaiphas, der Hoherpriester jenes Jahres war. Kaiphas aber war es, der den Juden geraten hatte, dass es für sie vorteilhaft sei, ein Mensch sterbe für das Volk« (Verse 12-14).

  Hannas hatte vom Jahre 6 bis zum Jahre 15 n. Chr. als Hoherpriester amtiert.

  Was Kaiphas geäußert hatte, hatte er nicht von sich aus gesagt, »sondern als Hoherpriester jenes Jahres redete er prophetisch, dass Jesus demnächst für die Nation sterben sollte« (Joh.11:51).

 

Des Petrus erste Verleugnung

 

  »Simon Petrus nun und ein anderer Jünger folgten Jesus. Jener Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus in den Hof des Hohenpriesters hinein, doch Petrus blieb draußen an der Tür stehen. Der andere Jünger nun, der dem Hohenpriester bekannt war, kam heraus, sprach mit der Türhüterin und führte Petrus hinein. Nun sagte die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: Bist nicht du auch einer von den Jüngern dieses Menschen? - Er antwortete: Ich bin es nicht. - Dort standen auch die Sklaven und Gerichtsdiener; sie hatten ein Kohlenfeuer angemacht und wärmten sich, denn es war kalt. Auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich« (Verse 15-18).

  Der andere, dem Hohenpriester bekannte Jünger war zweifellos Johannes, der Verfasser dieses Berichts, der seinen Namen nicht hervorheben wollte.

  Petrus war bereit, sich in einer direkten Konfrontation vor dem Hohenpriester zu Jesus zu bekennen und sogar für Ihn zu sterben - das hätte ihm Ehre eingebracht; er war aber nicht bereit, sich vor einer einfachen Magd in Gefahr zu begeben. Wie listig der Satan doch vorging, um Petrus zu Fall zu bringen - durch eine ungelegene Frage einer unwichtigen Person.

  Petrus musste noch lernen, dass das Fleisch zwar willig ist, aber nicht die Kraft hat, das Treffliche auszuführen (Vgl. Röm.7:18). - Wie steht es um uns heute? Haben wir die Lektion des Kapitels sieben des Römerbriefs inzwischen gelernt, dass nur das Leben aus der Gnade - das Fleisch ist ja mitgekreuzigt und vermag gar nichts - uns kräftigt, das Rechte zu tun und Gott wohlgefällig zu wandeln (Röm.7:24,25)?

 

Vor Hannas

 

  »Der Hohepriester befragte nun Jesus über Seine Jünger und über Seine Lehre. Jesus antwortete ihm: Ich habe öffentlich zur Welt gesprochen. Ich habe allezeit in der Synagoge und in der Weihestätte gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen; und Ich habe nichts im Verborgenen gesprochen. Warum fragst du Mich? Frage die, die alles gehört haben, was Ich zu ihnen sprach. Siehe, diese wissen, was Ich sagte« (Verse 19-21).

  Der Hohepriester außer Dienst Hannas - die Hohenpriester behielten auch nach ihrer Amtszeit ihren Titel - wusste sehr wohl, was Jesus lehrte; aber um einen Anschein eines ordentlichen Verhörs hervorzurufen, tat er so, als wolle er die Sache untersuchen, obwohl das Todesurteil für Jesus bereits feststand. Das Verhör war reine Heuchelei. Dies ließ unser Herr in Seiner klaren Antwort sehr deutlich werden, die zugleich ein Hinweis darauf war, Zeugen zu hören, die Entlastungszeugen normalerweise zuerst.

  »Als Er dies gesagt hatte, gab einer der Gerichtsdiener, der dabeistand, Jesus eine Ohrfeige und sagte: So antwortest Du dem Hohenpriester? - Jesus antwortete ihm: Wenn Ich übel gesprochen habe, so bezeuge, was übel war; wenn es aber trefflich war, warum schlägst du Mich?« (Verse 22+23).

  Es war gegen die Gerichtsordnung, einen Unverurteilten zu schlagen. Wieder war Jesu Antwort ein treffliches Zeugnis für die Wahrheit und für Seine Gesinnung, denn Er, der beleidigt wurde, beleidigte nicht wieder (1.Pet.2:23).

Vor Kaiphas

 

  »Dann schickte Hannas Ihn gebunden zu Kaiphas, dem Hohenpriester« (Vers 24).

  Hannas und sein Schwiegersohn Kaiphas wohnten nebeneinander; die beiden Häuser hatten einen gemeinsamen Innenhof, in welchem das Personal und Petrus sich am Holzkohlenfeuer wärmten.

  Die dramatische Verhandlung vor Kaiphas ist in Matthäus 26:57 bis 68 und Markus 14:53 bis 65 nachzulesen. Auf das Bekenntnis Jesu, dass Er der Messias und der Sohn Gottes sei, zerriss der Hohepriester seine Kleider und bespien und schlugen Ihn die Ältesten mit Fäusten als dem Tode Verfallenen.

 

Die zweite und dritte Verleugnung des Petrus

 

  »Simon Petrus aber stand dabei und wärmte sich. Man fragte ihn nun: Bist nicht auch du einer von Seinen Jüngern? - Er leugnete und sagte: Ich bin es nicht. - Da sagte einer der Sklaven des Hohenpriesters, der ein Verwandter dessen war, dem Petrus die Ohrmuschel abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten mit Ihm? - Da leugnete nun Petrus nochmals, und sogleich krähte ein Hahn« (Verse 25-27).

  »Darauf wandte Sich der Herr um und blickte Petrus an; nun erinnerte sich Petrus des Ausspruchs des Herrn, wie Er zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du Mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und schluchzte bitterlich« (Luk.22:61,62).

  Diese tiefe Reue eröffnete Petrus den Weg zur Wiederannahme durch den Herrn. Und sein Versagen diente seiner Reifung. Wir denken auch an Psalm 119:67: »Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich.«

 

Vor dem Synedrium

 

  Als es Morgen geworden war - dies ist die Zeit zwischen sechs und neun Uhr - trat das Synedrium zusammen (Mat.27:1; Mark.15:1; Luk.22:66). Von dieser Verhandlung berichtet Lukas in Kapitel 22:66-71.

 

Vor Pilatus

 

  »Dann führte man Jesus von Kaiphas in das Prätorium. Es war früh am Morgen, und die Juden selbst gingen nicht in das Prätorium hinein, um nicht entweiht zu werden; sie wollten doch das Passah essen. Daher kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte mit Nachdruck: Welche Anklage bringt ihr gegen diesen Menschen vor? - Sie antworteten ihm: Wenn dieser nichts Übles getan hätte, würden wir Ihn dir nicht überantworten!

  Pilatus erwiderte ihnen nun: Nehmt ihr Ihn und richtet Ihn nach eurem Gesetz! - Da entgegneten ihm die Juden: Uns ist es nicht erlaubt, irgendjemand zu töten -, damit das Wort Jesu erfüllt werde, das Er gesagt hatte, als Er andeutete, welches Todes Er demnächst sterben würde« (Verse 28-32).

  Welch ein Widerspruch! Die Juden beachteten das kultische Reinheitsgebot, indem sie das heidnische Amtsgebäude des römischen Statthalters nicht betraten, während ihre Herzen auf das größte Verbrechen sannen. Das Gebot: »Du sollst nicht morden« (2.Mose 20:13) kam ihnen nicht in den Sinn.

  Im Grunde erwarteten sie von Pilatus nur die Bestätigung und Vollstreckung des von ihnen beschlossenen Todesurteils, Dinge, die die römische Besatzungsmacht sich vorbehalten hatte.

  Aber Pilatus reagierte anders, denn er wusste, dass die Hohenpriester neidisch auf Jesus waren (Mat.27:18), dem die Menge bei Seinem Einritt in Jerusalem zugejubelt hatte. So kam es, dass Pilatus ein echtes Interesse an dem Anklagegrund hatte und den Kampf gegen das Synedrium aufnahm.

  Damit hatten die Juden nicht gerechnet. Ihre Antwort an den verhassten Prokurator: »Wenn dieser nichts Übles getan hätte, würden wir Ihn dir nicht überantworten« war inhaltslos, völlig unsachlich und eine Unverschämtheit.

  Pilatus wollte aber nicht einfach »Ja« sagen; jetzt drehte er den Spieß um: »Nehmt ihr Ihn und richtet Ihn nach eurem Gesetz!« Diese Antwort war eine empfindliche Niederlage für die Hohenpriester, denn sie bedeutete, dass Jesus nicht getötet werden konnte; die Juden hatten kein Recht dazu. Diese Konsequenz kommt auch in ihrer Äußerung: »Uns ist es nicht erlaubt, irgend jemand zu töten« zum Ausdruck.

  Der Herr Jesus Christus hatte aber bereits geweissagt, dass Er demnächst den Nationen überantwortet und von ihnen gekreuzigt werden würde (Mat.20:19; Joh.3:14; 8:28; 12:33). Sein Wort wird sich erfüllen.

 

Vor Herodes Antipas

 

  Dann sandte Pilatus Jesus zu dem Vierfürsten und Regenten Herodes Antipas; jener sandte Ihn wieder zurück (Luk.23:4-12).

 

Wieder vor Pilatus

 

  »Dann ging Pilatus wieder in das Prätorium hinein, ließ Jesus rufen und fragte Ihn: Bist Du der König der Juden? - Jesus antwortete: Fragst du dies aus dir selbst, oder haben es dir andere von Mir gesagt? - Da antwortete Pilatus: Ich bin doch kein Jude! Deine Nation und die Hohenpriester haben Dich mir überantwortet. Was hast Du getan? - Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn Mein Königtum von dieser Welt wäre, hätten sich Meine Untergebenen für Mich eingesetzt, damit Ich den Juden nicht überantwortet würde. Mein Königtum ist nun nicht von hier. -

  Dann sagte Pilatus zu Ihm: Du bist also doch ein König? - Jesus antwortete: Du sagst es, dass Ich ein König bin. Ich bin dazu geboren« (Verse 33-37 a).

  Der Prokurator hatte von Amts wegen zu ermitteln, inwiefern Jesus der König der Juden zu sein beanspruchte. Sollte Er der Anführer einer Gruppe von Aufständischen sein, die die römische Herrschaft beseitigen wollten, so musste der Aufstand niedergeschlagen und der Anführer hingerichtet werden.

  Die Antwort, dass jenes Königtum nicht von dieser Welt sei und auch nicht mit Waffengewalt aufgerichtet werden würde, überzeugte Pilatus völlig von der Unschuld Jesu. Pilatus hatte sehr wohl verstanden, dass Jesus dennoch ein König ist. Für die Wahrheit des Königreichs Gottes aber hatte er keinen Sinn. Die anderen Vorwürfe gegen Jesus, die religiöser Natur waren, interessierten den Statthalter nicht. Also beabsichtigte er, Ihn freizulassen.

  Jesus Selbst ist nicht aus dieser Welt (Joh.8:23) und Sein Königreich ist mithin ebenfalls nicht von dieser Welt, sondern von den zukünftigen Welten der beiden kommenden Äonen. Gott wird es herbeiführen (Dan.2:44; 7:14). Jesus war als König geboren, denn Er stammte aus der königlichen Linie, Er war ein Sohn Davids (Mat.1:1; Luk.3:23).

 

»Was ist Wahrheit?«

 

  »Und Ich bin dazu in die Welt gekommen, um ein Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört Meine Stimme. - Pilatus entgegnete Ihm: Was ist Wahrheit?« (Verse 37 b-38 a).

  Ob Pilatus die Wahrheit mit dem lebendigen Gott und mit Jesus in Verbindung bringen konnte? - Für diesen Weltmenschen gab es keine Wahrheit, die von den Menschen ergründet werden könnte, außer der Macht. Er hörte Jesu Stimme nicht. Jesus ist die Wahrheit (Joh.14:6), in Ihm ist die Wahrheit über Gott und die Menschen zusammengefasst; Er sagt die Wahrheit und handelt ihr gemäß.

  Übrigens kommt der Apostel Paulus in 1.Timotheus 6:13 auf diesen Teil des Gesprächs zwischen dem Herrn und Pilatus zurück, indem er von dem trefflichen Bekenntnis schreibt, das Jesus Christus vor Pilatus bezeugt hat.

  Leider erwartete Pilatus auf seine Frage: »Was ist Wahrheit?« keine Antwort. Gleichwohl hatte er ein gewisses Interesse an der Wahrheit und trat er für sie ein, wie wir in Vers 38 b lesen: »Als er dies gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und erklärte ihnen: Ich finde keine Schuld an Ihm!«

 

Jesus oder Barabbas?

 

  Der Statthalter sprach weiter zu den Juden: »Es ist aber bei euch Gewohnheit, dass ich euch am Passah einen Gefangenen freilasse. Beschließt ihr nun, dass ich euch den König der Juden freilasse? - Sie wiederum schrien nun alle: Nicht diesen, sondern Barabbas! - Barabbas aber war ein Wegelagerer« (Verse 39+40).

  Barabbas war ein Mörder (Ap.3:14), wie denn die Wegelagerer durchweg Banditen waren, die raubten und mordeten.

  Pilatus hätte den von ihm als unschuldig Erkannten freilassen müssen. Da ihm angesichts der Feindschaft der Juden der Mut dazu fehlte, versuchte er, sich irgendwie hindurchzulavieren. Er handelte zwar nach der Gewohnheit aller bisherigen Prokuratoren, aber die Formulierung »den König der Juden« war eine Spitze, die die Juden sehr verletzen musste. Die Frage des Pilatus war ein kapitaler politischer Fehler, weil die Entscheidung damit in die Hand der Juden gelegt wurde. Nun konnten sie ihre Absicht durchsetzen. Auf keinen Fall wollten sie Jesus als Messias und König.

  Wie die Israeliten einst Mose als Fürsten und Richter über sie ablehnten, ihm nicht gehorsam sein wollten und ihn von sich stießen (2.Mose 2:14; Ap.7:35,39), so verwarfen sie nun auch ihren König. Der Herr hatte geweissagt, dass sie sagen werden: »Wir wollen nicht, dass dieser als König über uns herrsche« (Luk.19:14,27).

  So kam es, dass der Retter verurteilt, der Mörder aber freigelassen wurde. Gottes Vorsatz sollte sich erfüllen, der für alle Menschen, auch für die Mörder, die wahre Freiheit bringen wird.

 

Jesu Geißelung und Verhöhnung

 

  »Dann nahm Pilatus nun Jesus und ließ Ihn geißeln. Die Krieger flochten einen Kranz aus Dornen, setzten Ihm diesen auf das Haupt, warfen Ihm ein purpurnes Obergewand um, traten zu Ihm und sagten: Freue Dich, König der Juden! - Dann gaben sie Ihm Ohrfeigen« (Kapitel 19, Verse 1-3).

  Ein Kranz und ein purpurnes Gewand waren Zeichen der Fürsten und Könige. Die Krieger aber verhöhnten Jesus damit.

  Matthäus und Markus verwenden für diese Szene nur die wenigen Worte: »Jesus aber ließ er peitschen« (Mat.27:26; Mark.15:15). Lukas berichtet nur von der Absicht des Pilatus, Jesus zu züchtigen (Luk.23:16,22); danach wollte er Ihn freilassen.

  Des Pilatus Berechnung war, mit der blutigen Auspeitschung den Hass der Menge zu befriedigen, sodass sie dann nicht mehr auf der Anpfahlung bestehen würde.

  So erfuhr unser Herr Jesus Christus nun die tiefe Erniedrigung, von der Jesaia gesprochen hatte: »Meinen Rücken gebe ich denen hin, die mich schlagen, und meine Wangen denen, die mich raufen. Mein Angesicht berge ich nicht vor Schande und Bespeiung« (Jes.50:6).

 

»Siehe, der Mensch!«

 

  »Pilatus kam danach nochmals heraus und sagte zu ihnen: Siehe, ich führe Ihn zu euch heraus, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an Ihm finde. - Darauf kam nun Jesus heraus und trug den Dornenkranz und das purpurne Obergewand. Da sagte Pilatus zu ihnen: Siehe, der Mensch! -

  Als die Hohenpriester und Gerichtsdiener Ihn nun gewahrten, schrien sie: Kreuzige, kreuzige Ihn! - Pilatus entgegnete ihnen: Nehmt ihr Ihn und kreuzigt Ihn; denn ich finde keine Schuld an Ihm! - Die Juden antworteten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach unserem Gesetz muss Er sterben, weil Er Sich Selbst zu Gottes Sohn gemacht hat« (Verse 4-7).

  Mit der abermaligen Hinausführung Jesu brachte Pilatus dessen Unschuld nochmals deutlich zum Ausdruck. Die Worte: »Siehe, der Mensch!« lassen erkennen, dass er die Tragik des konfliktreichen Daseins des Menschen empfand. So wie Jesus ergeht es nämlich allen Menschen, wenn deren Leiden auch höchst verschieden sein mag.

  Der Herr - blutend und mit einem Dornenkranz! Unsere Herzen neigen sich anbetend vor Ihm, der diesen Weg zu unserer Rettung ging und dem der allerherrlichste Kranz gebührt.

  Die blutrünstige Menge aber war nicht mehr zu bremsen.

  Dann fuhren die Hohenpriester ein gewaltiges Geschütz auf: ihr Gesetz, das Gesetz des Mose, auf das die Römer Rücksicht nahmen, da sie den Juden Kultusfreiheit zugestanden hatten.

  Das Gesetz sagt, dass man nur Jewe, dem Elohim Israels, nachzufolgen habe und keinem anderen angeblichen Gott (5.Mose 13:2-5). Es sagt des Weiteren, dass getötet werden muss, wer den Namen Jewes lästert (3.Mose 24:16). Mit diesem Argument nahmen die Juden Pilatus jetzt in die Zange.

  Jesus hatte mehrfach bezeugt, dass Er Gottes Sohn ist. Er hatte Gott Seinen Vater genannt (Joh.5:17). Er hatte ausgerufen: »Ich und der Vater - wir sind eins« (Joh.10:30). Er hatte gesagt: »Ich bin Gottes Sohn« (Joh.10:36). Dies beurteilten die Juden als Gotteslästerung, weil Er Sich in ihren Augen damit Selbst zu Gott machte (Joh.5:18; 10:33). Und schließlich hatte Er beim Verhör vor Kaiphas auf die entscheidende Frage, ob Er der Christus, der Sohn Gottes, sei, geantwortet: »Du hast es gesagt« (Mat.26:63,64).

  Pilatus wurde von der Information, dass Jesus der Sohn Gottes zu sein beanspruchte, sehr verunsichert. Wie auch immer seine Gedanken über die antike Götterwelt waren oder was auch immer er von dem Gott der Hebräer wusste - er fürchtete sich, denn Götter fordern im Allgemeinen Rechenschaft oder üben Rache.

 

»Woher bist Du?«

 

  »Als dann Pilatus dieses Wort hörte, fürchtete er sich um so mehr. Er ging wieder in das Prätorium hinein und fragte Jesus: Woher bist Du? - Jesus aber gab ihm keine Antwort. Pilatus sagte nun zu Ihm: Mit mir sprichst Du nicht? Weißt Du nicht, dass ich Vollmacht habe, Dich freizulassen, und Vollmacht habe, Dich zu kreuzigen? - Jesus antwortete ihm: Du hättest gar keine Vollmacht über Mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre; deshalb hat er, der Mich dir überantwortete, eine größere Sünde begangen« (Verse 8-11).

  »Woher bist Du?« Bist Du von einem Gott und wenn ja, von welchem, oder bist Du Selbst ein Gott? Stammst Du aus der unsichtbaren Welt? - Jesus antwortete nicht. Sein Schweigen war die Antwort, und Pilatus mag in Betracht gezogen haben, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Er wollte es aber mit Sicherheit wissen und verlieh seiner Frage deshalb mit dem Hinweis auf seine Vollmacht Nachdruck.

  Jesus verwies auf die über Pilatus Stehenden, den Kaiser, die geistlichen Mächte (Luk.4:6) und letztlich Gott. Damit drückte Er Sein Vertrauen auf Gott aus, von dem alle Vollmacht ausgeht. Demütig beugte Er Sich dem Willen Gottes, während die Juden dem Befehl des Satans nachkamen.

  Der, der Jesus dem Pilatus überantwortet hatte, der Hohepriester Kaiphas nämlich (Joh.11:50; 18:28,35), hatte größere Schuld als Pilatus, weil er die treibende Kraft war, wogegen Pilatus nur als Inhaber seines Amtes mit der Sache befasst war.

  Die souveräne Ruhe und die Gott wohlgefällige Antwort unseres Herrn Jesus Christus mussten einen tiefen Eindruck auf Pilatus gemacht haben. »Aus diesem Grunde suchte Pilatus Ihn freizulassen« (Joh.19:12).

 

»Kreuzige Ihn!«

(Johannes 19:12-42)

 

  Für den Prokurator Pilatus war das Verhör Jesu abgeschlossen. Er hatte keine Schuld an Ihm gefunden, er ahnte auch, dass Jesus etwas mit Gott zu tun haben musste, und war sich bewusst, dass er Schuld auf sich laden würde, wenn er dem Drängen der Juden nachgäbe (Joh.19:4,6,7,11). Mithin stand sein Entschluss fest, Jesus freizulassen.

 

Der Kaiser als Druckmittel

 

  »Aus diesem Grund suchte Pilatus Ihn freizulassen, aber die Juden schrien: Wenn du diesen freilässt, bist du kein Freund des Kaisers! Jeder, der sich selbst zum König macht, widersetzt sich dem Kaiser! - Als Pilatus nun diese Worte hörte, ließ er Jesus hinausführen und setzte sich auf die Richterbühne an der Stätte, die »Steinpflaster« (hebräisch »Gabbatha«) heißt« (Verse 12+13).

  Es kam anders als gedacht. Gegen die Argumentation der Juden, dass Widerstand gegen den Kaiser leiste, wer sich selbst zum König macht, war Pilatus machtlos. Den Anschein der Duldung einer Widersetzlichkeit gegen den Kaiser konnte er sich nicht leisten. Die Loyalität gegenüber dem Kaiser war unbedingt zu wahren. Die Political Correctness ließ ihm keine Wahl. Mit dem Urteilsspruch war nun nicht mehr zu zögern.

  Deshalb setzte sich Pilatus unverzüglich auf das Richterpodium an einem mit Steinplatten und Mosaiken gepflasterten Platz, dessen hebräische Bezeichnung »Hochgewölbter« bedeutet.

 

Das Urteil

 

  »Es war aber der Vorbereitungstag des Passah, etwa um die sechste Stunde. Da sagte er zu den Juden: Siehe, euer König! - Da schrien nun jene: Hinweg, hinweg! Kreuzige Ihn! - Pilatus entgegnete ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? - Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem Kaiser! - Daher gab er Ihn dann dahin, ihnen zu Willen, damit Er gekreuzigt würde« (Verse 14-16 a).

  Der Vorbereitungs- oder Rüsttag des Passah war der 13. Nisan. Die sechste Stunde war die gegen zwölf Uhr mittags. Es sei darauf hingewiesen, dass der redigierte Kodex Sinaiticus (S2) »dritte Stunde« hat (das ist gegen neun Uhr morgens), der ursprüngliche Kodex Sinaiticus

(S1) sowie die Kodizes Alexandrinus (A) und Vaticanus (B) aber »sechste Stunde« haben. Abgesehen von der Frage, ab wann am Morgen (sechs bis neun Uhr) Pilatus denn zu sprechen gewesen sein mag, dürften die Verhandlungen gegen Jesus, die Sendung zu Herodes, die erneute Zusammenführung der Oberen bei Pilatus (Luk.23:13) und die Aufwiegelung der Volksmenge geraume Zeit in Anspruch genommen haben, sodass die Änderung im Kodex S2 von »sechste« in »dritte« Stunde von daher nicht berechtigt war. Die Mehrheit der Textzeugen spricht ebenfalls dagegen.

  Pilatus hatte nur noch die Freiheit, die Juden mit seiner Bemerkung: »Siehe, euer König!« zu ärgern. Nachdem die Hohenpriester dann auch noch mit ihrer Versicherung, keinen König außer dem Kaiser zu haben, kaisertreuer zu sein schienen als Pilatus, fällte er das Urteil und gab Jesus zur Kreuzigung dahin.

  Mit den Worten: »Wir haben keinen König außer dem Kaiser!« hatte Israel seinen König verworfen und somit auch das von den Propheten verheißene Königreich. Israel hatte das Gebot von 5.Mose 17:15 übertreten: »Du sollst nur den König über dich setzen, den Jewe, dein Elohim, erwählen wird.« Es hatte sich dem römischen Kaiser angelobt, der sich göttliche Verehrung gefallen ließ. Dies war der Höhepunkt der Untreue und des Abfalls Israels von Jewe, ihrem Elohim.

  Wir schreiben das Jahr 32 n. Chr., 69 Jahrsiebener nach dem Ausgang des Erlasses des Artaxerxes im Nisan 445 v. Chr., Jerusalem wieder aufzubauen (Dan.9:25).

 

Der Gang nach Golgatha

 

  Die Verhöhnung Jesu, von der Matthäus 27:27-31 und Markus 15:17-19 berichten, fand wahrscheinlich am Morgen des 14. Nisan statt.

  Am 14. Nisan war das Passahlamm zu opfern (2.Mose 12:6; 3.Mose 23:5). Genau an diesem Tag starb das wahre Passahlamm, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf Sich nahm (Joh.1:29).

  Der Apostel Johannes berichtet in den Versen 16 b bis 18: »Die Krieger nahmen nun Jesus mit sich und führten Ihn ab. Sein Kreuz Selbst tragend, ging Er hinaus zur sogenannten »Schädelstätte«, die hebräisch »Golgatha« heißt, wo sie Ihn kreuzigten und mit Ihm andere zwei diesseits und jenseits, Jesus aber in der Mitte.«

  Einen zweiten Teil der Wegstrecke trug der Kyrenäer Simon das Kreuz (Mat.27:32; Mark.15:21; Luk.23:26).

  Markus lässt uns wissen, dass es die dritte Stunde, also gegen neun Uhr morgens war, als sie Ihn anpfahlten (Mark.15:25).

  Unter dem Kreuz haben wir uns nichts Kreuzförmiges vorzustellen. Es war ein Pfahl (griech. stauros: Stehendes, Pfahl).

  Ebenso wie Jesu prophetisches Vorbild Isaak das Holz für die Aufsteignahung trug (1.Mose 22:6), trug auch Er seinen Pfahl Selbst.

  Unser Herr litt außerhalb der Stadt, »denn« - wie in Hebräer 13:11,12 zu lesen - »die Tiere, deren Blut für die Sünde durch den Hohenpriester in die heiligen Stätten hineingebracht wird, von diesen werden die Körper außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit Er das Volk durch Sein eigenes Blut heilige, außerhalb des Tores gelitten« (vgl. 3.Mose 16:27; 4.Mose 19:3-9).

  Als sie Jesus an den Pfahl annagelten, erfüllte sich Psalm 22:15+17: »Wie Wasser bin ich ausgegossen, und alle meine Gebeine trennen sich. ... Viele Hunde umgeben mich; schon haben sie meine Hände und Füße durchgraben.« Jesaia hatte von diesem Geschehen geweissagt: »Er trug die Sünde der vielen und stand für die Übertreter ein« (Jes.53:12). Er wurde um unsertwillen - damit wir frei würden - zum Träger des Fluches Gottes über die Sünde, denn es steht geschrieben: Verflucht ist jeder, der am Holz hängt (5.Mose 21:23; Gal.3:13). So wurde Er zum Sündopfer gemacht (2.Kor.5:21).

  Lasst uns Ihm huldigen, unserem Herrn Jesus Christus, der Sich Selbst erniedrigte und gehorsam wurde bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod (Phil.2:8)!

  In der Mitte zwischen zwei Verbrechern wurde Jesus erhöht, wie Jesaia sagt: »Er wurde unter die Übertreter gerechnet« (Jes.53:12).

  Jesu erstes Wort am Kreuz war: »Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun« (Luk.23:34).

 

Die Inschrift am Kreuz

 

  »Auch eine Inschrift hatte Pilatus schreiben und oben am Kreuz anbringen lassen, und zwar war geschrieben: Jesus, der Nazarener, der König der Juden. Weil die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt war, lasen nun viele Juden diese Inschrift, zumal sie hebräisch, lateinisch und griechisch geschrieben war. Dann sagten die Hohenpriester der Juden dem Pilatus: Schreibe nicht: Der König der Juden, sondern dass jener gesagt hat: König der Juden bin Ich. - Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben!« (Verse 19-22).

  Es war üblich, die Schuld des Verurteilten oben am Pfahl anzugeben. Pilatus hatte durchaus erkannt, dass an Jesus etwas Königliches war und dass der einzige Grund der Verurteilung genau der war, dass die Juden Jesus nicht als König haben wollten. Den Hohenpriestern war diese Inschrift natürlich ein Stachel in der Seele, ein Ärgernis, sodass sie zu schreiben verlangten, Jesus habe nur gesagt, dass Er der König sei. Aber Pilatus ließ sich seinen kleinen Triumph nicht nehmen und blieb bei seiner Version; er hatte den Juden lange genug nachgegeben.

 

Die Verteilung der Kleider

 

  »Als nun die Krieger Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie Seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Krieger ein Teil, dazu das Untergewand. Nun war aber das Untergewand ohne Naht, von oben an ganz durchgewebt. Daher sagten sie zueinander: Wir sollten es nicht zerreißen, sondern darum würfeln, wer es haben soll - damit die Schrift erfüllt werde, welche sagt: Sie verteilten Meine Kleider unter sich und warfen über Mein Gewand das Los. - Das taten nun die Krieger« (Verse 23+24).

  Diese Prophezeiung steht in Psalm 22:19 geschrieben. Die Soldaten erfüllten dieses Wort, weil Gott der alles Bewirkende und alle Gedanken und Taten Hervorrufende ist (Eph.1:11).

  Es folgten die Verhöhnung, Lästerung und Schmähung Jesu (Mat.27:39-44; Mark.15:29-32; Luk.23:35-37), die Lästerung durch den einen gehängten Verbrecher, die Bitte des anderen Verbrechers: »Gedenke meiner, Herr, wenn Du in Deinem Königreich kommst!« und Jesu zweites Wort am Kreuz: »Wahrlich, dir sage Ich heute: Mit Mir wirst du im Paradiese sein!« (Luk.23:39-43). Dieser Verbrecher wird mit dem König und Messias im Königreich Israels leben.

 

Jesu Fürsorge für Seine Mutter

 

  »Bei Jesu Kreuz standen Seine Mutter, die Schwester Seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria, die Magdalenerin. Als nun Jesus Seine Mutter sah und den Jünger, den Er liebte, dabeistehen, sagte Er zu Seiner Mutter: Siehe, deine Mutter! - Von jener Stunde an nahm der Jünger sie in sein eigenes Haus« (Verse 25-27).

  Maria, seine Mutter, erlitt jetzt, was der greise Simeon bei der Darstellung des 40 Tage alten Jesus im Tempel zu ihr gesagt hatte: »Aber auch durch deine Seele wird eine Klinge dringen« (Luk.2:35).

  Mit dem Jünger, den Jesus liebte, bezeichnete der Apostel Johannes sich selbst (Joh.13:23; 21:20).

  Mit diesem Seinem dritten Wort am Kreuz übergab der Herr Seine Mutter der Obhut und Fürsorge des Johannes. Für die Mutter zu sorgen, wäre eigentlich die Aufgabe ihrer anderen Söhne gewesen (Mat.13:55; Mark.3:32; 6:3), Jesus aber stellte beide in eine heilige Gemeinschaft und beschenkte zudem Johannes mit einer besonders begnadeten Mutter.

 

Die dreistündige Finsternis

 

  Dann trat eine dreistündige Finsternis von der sechsten bis zur neunten Stunde, also von gegen zwölf Uhr mittags bis gegen 15 Uhr nachmittags, im ganzen Land ein, weil die Sonne ausblieb (Mat.27:45; Mark.15:33; Luk.23:44). Dies war die Stunde und Vollmacht der Mächte der Finsternis (Luk.22:53), wie sie in Psalm 22:13+14 beschrieben ist.

 

Jesu viertes Wort am Kreuz

 

  »Um die neunte Stunde aber schrie Jesus mit lauter Stimme auf und rief: Eloi, Eloi, lema sabachthani!, das heißt: Mein Gott, Mein Gott, wozu Du Mich verlassen hast!« (Mat.27:46; Mark.15:34). Dies war Jesu viertes und zentrales Wort in der Reihe Seiner sieben Worte am Kreuz. Mit diesem Zitat aus Psalm 22:2: »Mein El! Mein El! Wozu Du Mich verlassen hast!« brachte Er den gesamten Psalm zum Ausdruck, der Seine Preisgabe als Sündopfer und Seine Dahingabe an die Menschen und die Finsternismächte im Einzelnen schildert.

 

Mich dürstet!«

 

  »Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, sagte Er, damit die Schrift vollkommen erfüllt werde: Mich dürstet. - Es stand aber dort ein Gefäß, angefüllt mit Essig; man steckte daher einen essiggetränkten Schwamm auf einen Ysopstängel und hielt Ihm diesen an den Mund« (Verse 28+29).

  Christus hatte alles vollbracht, aber die Menschen hatten noch nicht alles getan, was geschrieben steht; deshalb veranlasste Er sie mit Seinem Ausruf: »Mich dürstet!« zu tun, was die Psalmen 22:16 und 69:22 sagen: »Meine Kraft ist trocken wie eine Scherbe, und meine Zunge klebt an meinen Kiefern«; »Und für meinen Durst lassen sie mich Essig trinken.«

  Wie leidenschaftlich der Herr für die Erfüllung des Wortes Gottes eintrat! Dies bestätigt uns, dass alle Worte der Bibel Wirklichkeit werden!

  Der Essig, ein saurer Soldatenwein, wurde mit Hilfe des Stängels der Gewürzpflanze Ysop gereicht. Ein Büschel Ysop wurde übrigens auch beim Passah in Ägypten verwendet (2.Mose 12:22; vgl. Ps.51:9; 3.Mose 14:6,51).

 

Jesu Tod

 

  »Als nun Jesus den Essig genommen hatte, rief Er aus: Es ist vollbracht!, neigte das Haupt und übergab den Geist« (Vers 30).

  »Es ist vollbracht!« Jesu Werk am Kreuz war zum vollen Ende gebracht: die Sühne für die Sünden Israels und nicht allein für ihre, sondern auch für die der ganzen Welt (1.Joh.2:2); der Erweis der Gerechtigkeit Gottes, dass Er nämlich gerecht ist und den rechtfertigt, der aus dem Glauben Jesu ist (Röm.3:22,25,26; Ps.22:32); die Hervorhebung der Liebe Gottes dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren (Röm.5:8); die Versöhnung der Welt mit dem in Christus gewesenen Gott (2.Kor.5:19). Für alle war Er gestorben (1.Tim.2:6), zur Rettung aller Menschen (1.Tim.4:10) und zur Aussöhnung des gesamten Alls (Kol.1:20).

  Seinen Geist übergab Jesus mit dem lauten Ausruf: »Vater, in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist« (Luk.23:46; Ps.31:6), und Er hauchte aus (Mark.15:37). Seine Seele ging ins Ungewahrte (Ps.16:10; Ap.2:17).

  Wenn der Geist, der Lebensodem Gottes, aus dem Körper entweicht, tritt der Tod ein; der Geist kehrt zu Gott zurück, der Körper zum Erdreich, und die Seele, das Bewusstsein, ist nicht mehr (1.Mose 2:7; Ps.104:29; Pred.9:10). Näheres siehe Artikel »Zwischen Tod und Auferstehung« unter www.people.freenet.de/biblische_lehre.

  Den Willen des Vaters tuend, gab Sich unser Herr Jesus Christus Selbst in den Tod, so wie Er gesagt hatte: »Niemand nimmt sie [die Seele] von Mir, sondern Ich gebe sie von Mir Selbst aus hin. Ich habe Vollmacht, sie hinzugeben« (Joh.10:18). Der Stich des Kriegers in Seine Seite, von dem Matthäus 27:49 berichtet, diente dem äußerlichen Vollzug Seines Willens.

 

Nach dem Tod Jesu

 

  »Die Juden nun (weil es der Vorbereitungstag war und damit die Körper am Sabbat nicht am Kreuz blieben, denn jener Sabbat war ein hoher Festtag) ersuchten den Pilatus, dass ihnen die Beine zerschmettert und sie dann abgenommen würden« (Vers 31).

  Der Passahtag, der 14. Nisan, war zugleich der Vorbereitungstag oder Tag der Gerätebereitstellung für das Fest der ungesäuerten Brote. Hiervon steht in 3.Mose 23:6-8 geschrieben: »Am fünfzehnten Tag dieses Monats ist das Fest der ungesäuerten Brote für Jewe. Sieben Tage sollt ihr ungesäuerte Brote essen. Am ersten Tag soll eine heilige Versammlung für euch sein; da sollt ihr gar keine Dienstarbeit verrichten. Und ihr sollt für Jewe sieben Tage lang ein Feueropfer darbringen. Am siebenten Tag ist eine heilige Versammlung, da sollt ihr gar keine Dienstarbeit verrichten.«

  Im Übrigen gebietet 5.Mose 21:23, dass eine Leiche nicht über Nacht am Holz hängen bleiben darf, sondern am selben Tag zu begraben ist, weil ein Aufgehängter ein Fluch Gottes ist und das Land sonst unrein machen würde.

  Am Tag der ungesäuerten Brote war Israel rein von allem Gesäuerten, was symbolisch für die Sünde steht; es war aber vor allem deshalb rein - auch wenn Israel dies erst am Tag seiner Wiedergeburt erfahren wird -, weil Jesus alle Sünde gesühnt hatte.

  Nach der Zerschmetterung der Beine mit einer Keule trat der Tod aufgrund des Schocks, des Blutverlusts und weil man sich nicht mehr abstützen und folglich kaum mehr atmen konnte, schnell ein.

 

Der Lanzenstich

 

  Wir lesen die Verse 32 bis 37: »Daher kamen die Krieger und zerschmetterten dem ersten, der mit Ihm gekreuzigt war, die Beine und ebenso auch dem anderen. Aber als sie zu Jesus kamen, gewahrten sie, dass Er schon gestorben war, und zerschmetterten Seine Beine nicht. Einer der Krieger jedoch durchbohrte Seine Seite mit einer Lanzenspitze, und sogleich kamen Blut und Wasser heraus. Dies hat einer bezeugt, der es gesehen hat; sein Zeugnis ist wahrhaft, und jener weiß, dass er die Wahrheit sagt, damit auch ihr es glaubt. Denn dies ist geschehen, damit die Schrift erfüllt werde: Kein Knochen soll an Ihm zerbrochen werden. Und wieder eine andere Schriftstelle sagt: Sie werden auf Ihn sehen, den sie durchstochen haben.«

  Der Lanzenstich gab den Kriegern die volle Sicherheit, dass Jesus wirklich tot war. Johannes hat es gesehen. Warum schrieb er auch diese Einzelheit auf? Damit die Leser glauben (vgl. Joh.20:31)!

  Mit diesen Ereignissen nach dem Eintritt des Todes Jesu hatten sich die folgenden prophetischen Worte nach dem Willen Gottes durch in Unwissenheit handelnde Menschen erfüllt:

  »Nicht sollst du von dem Fleisch [des Passahlamms] etwas aus dem Haus nach draußen hinausbringen; auch sollt ihr keinen Knochen daran zerbrechen« (2.Mose 12:46);

  »Sie sollen keinen Knochen an ihm zerbrechen« (4.Mose 9:12);

  »Viele sind der Übel des Gerechten. Doch aus ihnen allen wird Jewe ihn bergen, behüten alle seine Gebeine; nicht eines von ihnen wird zerbrochen« (Ps.34:20,21);

  »Über das Haus David und über die Bewohnerschaft von Jerusalem gieße Ich den Geist der Gnade und des Flehens aus, und sie werden auf Mich blicken, den sie durchbohrt haben, und sie werden über Ihn wehklagen, wie man über den einzigen Sohn wehklagt, und sie werden bitter über Ihn weinen, wie man bitter über den Erstgeborenen weint« (Sach.12:10);

  »Er wurde verwundet um unserer Übertretungen willen« (Jes.53:5).

  Und viele Jahre später durfte Johannes auf Patmos schreiben: »Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen, auch die Ihn durchstochen haben, und wehklagen werden um Ihn alle Stämme des Landes. Ja, Amen!« (Off.1:7).

  Als der Krieger das Blut Jesu mit dem Lanzenstich vergoss, bereitete er Jesu Auferstehungskörper vor, der kein Blut mehr enthält, sondern nur Fleisch und Gebein hat (Luk.24:39).

 

Die Grablegung Jesu

 

  »Danach ersuchte Joseph von Arimathia (der ein Jünger Jesu war, allerdings im Verborgenen, aus Furcht vor den Juden) den Pilatus, dass er den Körper Jesu abnehmen dürfe; und Pilatus gestattete es. Daher kam er und nahm Seinen Körper ab. Auch Nikodemus kam (der das erste Mal nachts zu Ihm gekommen war) und brachte eine Mischung von Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen dann den Körper Jesu und wickelten ihn samt den Gewürzen in Leinentücher, so wie es bei den Juden Sitte ist zu bestatten. Es war aber bei der Stätte, wo Er gekreuzigt wurde, ein Garten und in dem Garten ein neues Grab, in das bisher noch niemand gelegt worden war. Dorthin legten sie nun Jesus wegen des Vorbereitungstags der Juden, weil das Grab nahe war« (Verse 38-42).

  Welch einen bemerkenswerten Wandel die Kreuzigung Jesu doch in den zwei geheimen Jüngern unseres Herrn hervorrief! Joseph von Arimathia, ein angesehener und reicher Ratsherr, der mit dem Handeln des Synedriums nicht einverstanden war und auch selbst nach dem Königreich Gottes ausschaute (Mat.27:57; Mark.15:43; Luk.23:50,51), hatte seine Furcht abgelegt und den Mut gefunden, sich zu Jesus zu bekennen. Er nahm den Leichnam vor den Augen derer ab, vor denen er bisher Angst hatte. Und Nikodemus, ebenfalls ein Oberer der Juden und ein Lehrer Israels (Joh.3:1-12; 7:50,51), wartete dieses Mal nicht ab, bis es Nacht geworden war, sondern brachte sogleich kostbare Gewürze, Myrrhe, ein aromatisches Harz, und Aloe, ein wohlriechendes Holz, etwa hundert Pfund; das sind über dreißig kg (ein Pfund, griech. litra = 327 g).

  Das Leiden und Sterben Jesu hatte ihre Herzen gewonnen. Ihre Liebe zum Herrn hatte ihre Furcht vertrieben (1.Joh.4:18).

  Auf diese Weise geschah, was der Prophet Jesaia gesagt hatte: »Man bestimmte Ihm Sein Grab bei Frevlern, aber die Höhle eines Reichen wurde Ihm im Tode« (Jes.53:9). Jesus wurde nämlich in das Grab des reichen Joseph von Arimathia gelegt (Mat.27:60).

  »Maria aber, die Magdalenerin, und Maria, die Mutter des Joses, schauten sich an, wohin Er gelegt worden war« (Mark.15:47; Mat.27:61; Luk.23:55).

  Über die Sicherung des Grabes berichten Matthäus 27:62-66, Markus 15:42-46 und Lukas 23:50-54.

  Auch unsere Herzen hat der Herr Jesus Christus gewonnen. »Als geliebte Kinder werdet nun Nachahmer Gottes und wandelt in Liebe, so wie auch Christus euch liebt und Sich Selbst für uns als Darbringung und Opfer für Gott dahingegeben hat, zu einem duftenden Wohlgeruch« (Eph.5:1,2).

 

 An dem einen der Sabbattage

(Johannes 20)

 

  Unser Herr Jesus Christus wurde am dritten Tag auferweckt (Mat.16:21; Luk.24:21; Ap.10:40), am 16. Nisan, einem regelmäßigen wöchentlichen Sabbat, gerechnet vom 14. Nisan, dem Passahtag, dem Tag Seiner Grablegung an, dem der 15. Nisan, der große Festsabbat der ungesäuerten Brote, gefolgt war. Wir schreiben das Jahr 32 n. Chr. In der Nacht des 16. Nisan (der biblische Tag beginnt mit der Nachthälfte gegen 18 Uhr) war ein großes Erdbeben geschehen, und ein Bote des Herrn hatte den Stein vom Eingang des Grabes weggewälzt (Mat.28:2).

  Matthäus, Markus und Lukas berichten, dass an dem einen der Sabbattage mehrere Frauen in der Morgendämmerung (Mat.28:1), bei Sonnenaufgang (Mark.16:2), in aller Frühe (Luk.24:1) zum Grabe gingen. Der Apostel Johannes, dessen gesamter Bericht davon gekennzeichnet ist, dass er viele Ergänzungen zu den drei anderen Berichten bringt, teilt uns nun als Einziger in Kapitel 20:1-18 mit, was noch vor dem Gang der Gruppe der Frauen geschah, als es noch finster war.

 

        Als noch Finsternis war

 

  Johannes schreibt: »An dem einen der Sabbattage ging Mirjam, die Magdalenerin, früh am Morgen, als noch Finsternis war, zum Grab  und sah, dass der Stein vom Eingang des Grabes weggehoben war« (Vers 1).

  Maria, die Magdalenerin, aus dem Ort Magdala, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte (Luk.8:2), war allein und noch in der Finsternis, also vor sechs Uhr morgens, zur Gruft gegangen und hatte den Eingang offen und das Grab leer vorgefunden.

  »Sie lief nun eilends und kam zu Simon Petrus und zu dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab genommen, und wir wissen nicht, wohin man Ihn gelegt hat!« (Vers 2).

  Maria sprach im Plural: »Wir wissen nicht.« Dies muss nicht bedeuten, dass noch jemand bei ihr war; vielleicht hatte sie die in die Stadt zurückkehrenden Krieger der Wache oder andere Menschen unterwegs gefragt.

 

Petrus und Johannes am Grab

 

  »Dann gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab. Die zwei aber liefen zugleich, doch lief der andere Jünger voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst zum Grab. Als er sich vorbeugte, sah er die Leinentücher daliegen; doch ging er nicht hinein. Dann kam auch Simon Petrus, der ihm folgte, und ging in das Grab hinein. Auch er schaute die Leinentücher daliegen; aber das Schweißtuch, das auf Seinem Haupt gewesen war, lag nicht bei den Leinentüchern, sondern getrennt, an einem Platz für sich und gefaltet« (Verse 3-7).

  Dies ist der Bericht eines Augenzeugen, und zwar des Johannes, der sich zurückhaltend als »der andere Jünger« bezeichnet (vgl. Joh.13:23; 19:26; 20:2). Petrus sah nicht nur die Tücher daliegen und das Schweißtuch ordentlich gefaltet an einem besonderen Platz, sondern erkannte beurteilend, dass es kein Raub gewesen sein konnte. Räuber hätten die Tücher mitgenommen oder achtlos hingeworfen.

  »Dann ging nun auch der andere Jünger, der zuerst angekommen war, in das Grab hinein, gewahrte alles und glaubte. Denn bisher wussten sie aus der Schrift noch nicht, dass Er aus den Toten auferstehen müsse. Dann gingen die beiden Jünger wieder zu den Ihren« (Verse 8-10).

  Diese Verse sagen uns, dass die Jünger bisher nicht geglaubt hatten oder es in ihren Gedanken nur unverstanden aufgezeichnet war, dass Jesus aus den Toten auferstehen müsse, obwohl Er es ihnen wiederholt gesagt hatte, so zum Beispiel in Matthäus 16:21: »Von da an begann Jesus, Seinen Jüngern zu zeigen, Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, Hohenpriestern und Schriftgelehrten viel leiden, und Er müsse getötet und am dritten Tag auferweckt werden.« Des Weiteren in Johannes 2:19-22: »Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde Ich ihn aufrichten! ... Er hatte von dem Tempel Seines Körpers gesprochen. Als Er dann aus den Toten auferweckt war, erinnerten sich Seine Jünger, dass Er dies gesagt hatte; und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.« Hier wird uns bestätigt, dass die Jünger erst aufgrund der Auferstehung Jesu zu einem klaren und festen Glauben kamen.

  Die Heilige Schrift hatte schon seit langem gesagt: »Du wirst Meine Seele nicht im Ungewahrten lassen« (Ps.16:10; Ap.2:27). Und: »Wenn Er Seine Seele als Schuldopfer eingesetzt hat, dann wird Er Samen sehen und Seine Tage verlängern; und das, was Jewe wohlgefällt, wird Seiner Hand gelingen. Nach der Mühsal Seiner Seele soll Er Licht sehen und satt werden« (Jes.53:10 b, 11 a).

  Jesus Christus ist auferstanden und lebt! Ja, Er ist die Auferstehung und das Leben (Joh.11:25), woran Er alle teilhaben lassen wird (1.Tim.1:10).

 

Maria sah zwei Boten

 

  »Maria blieb jammernd draußen am Grab stehen. Als sie nun so jammerte, beugte sie sich in das Grab vor und schaute, wo der Körper Jesu gelegen hatte, zwei Boten in weißen Gewändern sitzen, einen am Kopfende und einen am Fußende. Jene fragten sie: Frau, was jammerst du? - Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man Ihn gelegt hat« (Verse 11-13).

  Maria, die Magdalenerin, war eine der Frauen, die Jesus nachgefolgt waren und Ihm mit ihrem Besitz gedient hatten (Luk.8:2,3). Sie glaubte an Ihn als den Messias und Sohn Gottes, der das Königreich für Israel aufrichten würde. Sie war, dem Petrus und dem Johannes folgend, wieder zur Grabhöhle gekommen und blieb, während die beiden Jünger zurückkehrten, schluchzend dort stehen. Was ist mir ihrem geliebten Herrn? Was wird nun aus ihrer Erwartung der Erlösung Israels durch Jesus und des äonischen Lebens?

  Ihr wurde der Anblick zweier himmlischen Boten gewährt, was sie zum einen nicht erschütterte, denn warum sollte Gott nicht durch die Boten etwas mitzuteilen haben, und zum andern aber auch nicht zufrieden stellen konnte, denn es ging ihr um ihren Herrn. Die Frage der Boten: »Was jammerst du?« ist ein erster Zuspruch für sie, denn aus diesen Worten war herauszuhören, dass es gar nicht angebracht sei zu schluchzen.

 

 

        Der Auferstandene offenbart Sich Maria

 

  »Als sie dies gesagt hatte, wandte sie sich zurück und schaute Jesus stehen; doch wusste sie nicht, dass es Jesus war. Da fragte Jesus sie: Frau, was jammerst du? Wen suchst du? - Weil sie meinte, dass es der Gärtner sei, sagte sie zu Ihm: Herr, wenn du Ihn fortgetragen hast, so sage mir, wohin du Ihn gelegt hast, dann will ich Ihn mitnehmen. - Jesus sagte zu ihr: Mirjam! - Sie aber, sich umwendend, sagte zu Ihm auf hebräisch: Rabbuni, das heißt: Lehrer« (Verse 14-16).

  Wieso hatte Maria den Herrn nicht sofort erkannt? Weil Er Sich offenbart, wann Er will (Joh.21:1). Bis dahin waren ihre Augen gehalten, sodass sie Ihn nicht erkennen konnte. Den zwei Jüngern, die sich auf dem Weg nach Emmaus begeben werden, wird es ebenso ergehen (Luk.24:16). Sie erkannten Ihn, als Er das Abendbrot nahm und segnete, es brach und ihnen reichte. Da wurden ihnen die Augen aufgetan, und sie erkannten Ihn (Luk.24:31).

  Der Maria offenbarte Sich der Herr, indem Er sie bei ihrem Namen rief: »Mirjam!« (Das ist die hebräische Form von Maria.) Er ruft Seine Schafe mit Namen, und Seine Schafe hören auf Seine Stimme. Sie sind mit Seiner Stimme vertraut (Joh.10:3,4,27). Und sofort erkannte Maria ihren Herrn und Lehrer und antwortete prompt: Rabbuni! (was auch mit »Mein Lehrer« oder »Mein Meister« wiedergegeben werden darf).

 

        Jesu erste, verborgene Himmelfahrt

 

  »Da sagte Jesus zu ihr: Rühre Mich nicht an; denn Ich bin noch nicht zu Meinem Vater aufgestiegen! Geh aber zu Meinen Brüdern und sage ihnen: Siehe, Ich steige zu Meinem Vater und eurem Vater auf, zu Meinem Gott und zu eurem Gott« (Vers 17).

  Warum durfte Maria den Herrn nicht anrühren? Diese Frage stellt sich, weil ein wenig später die Gruppe der zum Grab gegangenen Frauen bei ihrer Rückkehr herzutreten und Seine Füße umfassen durfte (Mat.28:9). Am Abend desselben Tages forderte Er Seine Jünger auf, Ihn anzutasten (Luk.24:39; Joh.20:20). Acht Tage später sagte Er zu Thomas: »Reiche deine Hand her und lege sie in Meine Seite« (Joh.20:27).

  Maria durfte Ihn jetzt unmittelbar nach Seiner Auferstehung deshalb nicht anrühren, weil Er in Erfüllung von 3.Mose 23:10,11, wonach die Erstlingsgarbe der Ernte am Tag nach dem großen Festsabbat der ungesäuerten Brote vor Jewe zu schwingen war, Sich Selbst als Erstling aller Ernte zuallererst vor Jewe darstellen musste.

  So stieg Er nach dem Weggang der Maria zu Seinem Vater und Gott auf. Dies war Seine erste, verborgene Himmelfahrt (vgl. Ap.1:9). Und der Vater krönte den Sieger von Golgatha mit den Insignien der Herrschaft über das ganze All, wie Jesus denn in Matthäus 28:18 sagte: »Mir ist alle Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben.«

  Jesus war die Erstlingsgarbe;  am fünfzigsten Tag sodann, beim Fest der Erstlingsernte oder des Erstlingsbrotes (des Brotes vom ersten Korn der Ernte), zu Pfingsten (3.Mose 23:15-21), fuhren die Apostel die Erstlingsernte von etwa dreitausend Seelen ein (Ap.2:1,41) und stellten sie gleichsam Gott dar.

  Hebräer 9:24 enthält zwar eine allgemeine Aussage, schließt aber auch das besondere Ereignis ein: »Christus ging nicht in die mit Händen gemachten heiligen Stätten ein, die nur Gegenbilder der wahrhaften sind, sondern in dem Himmel selbst, um nun vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen.«

  Im Übrigen zeigen die Worte unseres Herrn, dass Er zum Vater aufsteige, dass Er während Seines Todes nicht beim Vater war, wenngleich Sein Geist dort war (Luk.23:46). Wenn Körper und Geist nicht vereinigt sind, dann ist da keine lebende Seele, dann ist da kein Mensch (vgl. 1.Mose 2:7; Ps.104:29; Pred.9:5,6,10). Jesu Seele, ja Er Selbst, war im Ungewahrten, in der Nichtexistenz; Er war tot (Ps.16:10; Ap.2:27; Off.1:18).

  Maria war die erste Zeugin der Auferstehung Jesu Christi. Der Herr gab ihr sogleich einen Auftrag, nämlich zu Seinen Brüdern zu gehen. Er nannte Seine Jünger Brüder, wie in Psalm 22:23 geweissagt: »Erzählen will ich von Deinem Namen meinen Brüdern.« »Denn sowohl der Heiligende wie auch die geheiligt werden, stammen alle aus dem Einen, um welcher Ursache Er Sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen« (Heb.2:11).

  Jesus stieg zu Seinem Gott auf. Er hat einen Gott, einen absoluten Souverän, einen allgewaltigen Verfüger über Sich, der Ihn erschaffen hat (Off.3:14; Ps.2:7), der Ihn gesandt hat (Joh.4:34; 8:26; 12:44), der Ihm Anweisung gibt, was Er sprechen soll (Joh.12:49), und dessen Willen Er gehorsam tut (Joh.6:38).

 

        Marias Zeugnis

 

  »Da ging Mirjam, die Magdalenerin, hin und verkündete den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen -, und dieses habe Er zu ihr gesagt« (Vers 18).

  Voller Freude teilte Maria den Jüngern mit: Der Herr ist auferstanden! Ich habe Ihn gesehen! Er lebt! - Dies bezeugte sie, und so wurde sie die erste Verkündigerin der Auferstehung des Sohnes Gottes.

 

»Friede sei mit euch!«

 

  »Als es nun an jenem Tag, dem einen der Sabbattage, Abend geworden war und die Türen in dem Haus, wo die Jünger sich versammelt hatten, aus Furcht vor den Juden verschlossen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! - Als Er dies sagte, zeigte Er ihnen sowohl Seine Hände als auch die Seite. Nun freuten sich die Jünger, weil sie den Herrn gewahrten« (Verse 19+20; vgl. 24:36-40).

  Es war am Abend des zu Ende gehenden Tages, also zwischen 15 und 18 Uhr (nicht zu verwechseln mit dem Abend von 18 bis 21 Uhr, mit dem ein Tag beginnt), als die Jünger, die durchaus mit ihrer Verhaftung rechnen mussten, hinter verschlossenen Türen versammelt waren, die für den auferstandenen Herrn allerdings kein Hindernis waren.

  Er grüßte sie mit: »Friede sei mit euch!« Dies war zwar der übliche Gruß, aus dem Mund des Herrn aber hatte er eine besondere Bedeutung. Seinen eigenen, kraftvollen und bestandhabenden Frieden sprach Er ihnen jetzt zu (Joh.14:27).

  Sie sahen den Herrn. Nun legte sich ihre Furcht, und Freude zog in ihre Herzen ein, wie Jesus es ihnen angekündigt hatte: »Ihr werdet von nun an zwar Trübsal haben; Ich werde euch aber wiedersehen, dann wird euer Herz sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An jenem Tag werdet ihr Mich nichts mehr fragen« (Joh.16:22,23 a).

  Johannes nimmt in seinem ersten Brief darauf Bezug, indem er schreibt: »Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und mit unseren Händen betastet haben, betrifft das Wort des Lebens: Denn das Leben ist offenbar geworden, und wir haben gesehen, bezeugen und verkünden euch das äonische Leben, das zum Vater hingewandt war und uns offenbar geworden ist« (1:1,2).

 

        »Nehmt heiligen Geist!«

 

  »Dann sagte Jesus nochmals zu ihnen: Friede sei mit euch! So wie der Vater Mich ausgesandt hat, sende auch Ich euch. - Als Er dies gesprochen hatte, hauchte Er sie an und sagte zu ihnen: Nehmt heiligen Geist! Wenn ihr jemandem die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen, und wenn ihr sie jemandem behaltet, dem sind sie behalten (Verse 21-23).

  Die als Zeugen der Auferstehung Gesegneten des Herrn erfuhren den Frieden und ihre Freude nicht nur um ihretwillen, sondern auch um vieler anderer willen, denen sie den Lebendigen bezeugen sollen. Darum sandte der Herr sie hinaus, damit sie zum Segen für die Welt würden.

  Die Sendung der Jünger ist mit einer hohen Würde verbunden, denn ihre Sendung entspricht der des Sohnes durch den Vater, wie Jesus auch gebetet hatte: »Wie Du Mich in die Welt ausgesandt hast, so sende auch Ich sie in die Welt aus« (Joh.17:18).

  Um den Dienst der Bezeugung und Verkündigung tun zu können, brauchen die Jünger Kraft, und zwar von Gott (Ap.1:8). Darum hauchte der Herr sie an und übermittelte ihnen den Geist Gottes. Verheißen hatte Jesus den heiligen Geist Seinen Jüngern mit den Worten: »Der Zusprecher aber, der Geist, der heilige, den der Vater in Meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe« (Joh.14:26; vgl. Joh.14:16,17). Schon gegenüber Nikodemus hatte Er gesagt, dass man vom Geist Gottes neu gezeugt werden müsse (Joh.3:3-8).

  Gottes Geist, der von nun an in den Jüngern wohnte (Joh.14:17; 1.Joh.2:27), befähigte sie zugleich auch, Sünden zu erlassen und im Falle mangelnder Umsinnung auf dem Sünder zu belassen sowie die richtige Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten zu treffen. So steht es auch in Matthäus 18:18 geschrieben: »Wahrlich, Ich sage euch: Was auch immer ihr auf Erden bindet, wird das sein, was auch im Himmel gebunden ist, und was auch immer ihr auf Erden löst, wird das sein, was auch im Himmel gelöst ist« (vgl. Mat.16:19).

  Nun sind die Jünger in den von Jewe dem Sohn gegebenen Auftrag hineingestellt, die aufgrund der schmerzlichen Erkenntnis der Sünde zerbrochenen Herzen der Menschen zu verbinden, wie Jesaia es beschrieb: »Der Geist Jewes, Meines Herrn, ist auf Mir, weil Jewe Mich gesalbt hat, den Elenden [oder: Demütigen] frohe Kunde zu bringen. Er entsandte Mich zu verbinden, die zerbrochenen Herzens sind« (Jes.61:1).

  Heute, in der dem Apostel Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes, in der wir leben (Eph.3:2; Kol.1:25; Röm.5:20), verhält es sich gemäß dem diesem Apostel enthüllten Evangelium (Gal.1:12;  2:7; Tit.1:3) ganz anders: Alle Gläubigen sind ein für allemal, so wie Christus ein für allemal der Sünde starb, von der Sünde (weit weg von der Sünde - an Schuld ist gar nicht mehr zu denken) gerechtfertigt (Röm.6:7-11). Allein durch Glauben und allein in der Gnade sind wir in Christi Blut für gerecht erklärt (Röm.3:24,28; 4:3,16).

 

        Der ungläubige Thomas

 

  Wir lesen nun die Verse 24 bis 29: »Thomas aber, einer von den Zwölf, der Didymus [das heißt: Zwilling] genannt wurde, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger berichteten ihm dann: Wir haben den Herrn gesehen! - Er sagte ihnen jedoch: Wenn ich nicht das Nägelmal in Seinen Händen gewahre und nicht meinen Finger in das Nägelmal und meine Hand in Seine Seite lege, werde ich es keinesfalls glauben. -

  Nach acht Tagen waren Seine Jünger wieder drinnen, und Thomas war bei ihnen. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen herein, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! - Danach sagte Er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und gewahre Meine Hände; dann reiche deine Hand her und lege sie in Meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! - Thomas antwortete Ihm: Mein Herr und mein Gott! - Jesus aber sagte zu ihm: Weil du Mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben.«

  Diese Begebenheit zeigt, wieviel Geduld Jesus für die Ungläubigen aufbringt und wie liebevoll Er ihnen entgegenkommt.

  Und Thomas glaubt. Herrlich ist seine Erkenntnis und sein Bekenntnis: »Mein Herr und mein Gott!« Diese Worte des zum Glauben Gekommenen werden von vielen als ein Höhepunkt des Berichts des Johannes angesehen, zumal er deshalb dies alles niederschrieb, damit die Menschen glauben sollten (Joh.19:35; 20:31).

  Jesus ist der Herr, weil der Vater Ihn zum Herrn über alle gesetzt hat. Petrus sagte: »Mit Sicherheit erkenne daher das ganze Haus Israel, dass Gott Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt« (Ap.2:36).

  Jesus wird auch Gott genannt, weil Er in göttlicher Autorität auftritt (Mat.28:18), Gottes Wort und Abbild ist (Joh.1:1; Kol.1:15) sowie »die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit und das Gepräge Seines Wesens« (Heb.1:3).

  »Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben.« Der Glaube bedarf eigentlich des Gesehenen nicht. Auch ohne gesehen zu haben, vermittelt der heilige Geist den Glaubenden volle Gewissheit und Glückseligkeit. So schreibt Petrus: »Diesen [Jesus Christus] liebt ihr, obgleich ihr Ihn nicht gewahrt habt, an den glaubt ihr, ohne Ihn jetzt zu sehen, und frohlockt mit Freude, die unaussprechlich und verherrlicht ist, weil ihr die Vollendung eures Glaubens davontragt: die Rettung eurer Seelen« (1.Pet.1:8,9). Und für uns, die Glieder der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), ist es ohnehin selbstverständlich, dass wir hier durch Glauben wandeln und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7). Leben wir doch in der heilsgeschichtlichen Verwaltung Gottes, die im Glauben besteht (1.Tim.1:4).

 

         »... damit ihr glaubt!«

 

  Der Apostel Johannes schließt diesen Teil seines Berichts mit folgenden Worten ab: »Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor den Augen Seiner Jünger, die nicht in dieser Rolle geschrieben sind; diese aber sind geschrieben worden, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr als Glaubende in Seinem Namen äonisches Leben habt« (Verse 30+31).

  Mögen die Leser und Hörer glauben, dass Jesus der Messias und Gott Sein Vater ist. Jesus ist das äonische Leben. Das äonische Leben ist in Gottes Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben. Wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben in den kommenden Äonen nicht (1.Joh.5:11,12).

  In Seinem Namen, das heißt weil Er es mit Seinem ganzen Wesen will, werden die Glaubenden das äonische Leben haben (1.Joh.5:13).

 

Am See Tiberias

(Johannes 21)

 

  Der auferstandene Herr Jesus Christus hatte Seine Jünger angewiesen, nach Galiläa zu gehen; dort würden sie Ihn sehen (Mat.26:32; 28:7,10; Mark.14:28; 16:7). In Galiläa offenbarte Er Sich zunächst sieben Jüngern, und zwar am See Genezareth, der nach der Stadt Tiberias am Westufer des Sees auch See Tiberias heißt. Bald darauf erschien Er Seinen elf Jüngern in Galiläa auf einem Berg (Mat.28:16).

 

Die Jünger beim Fischen

 

  »Danach offenbarte Sich Jesus nochmals den Jüngern, am See Tiberias. Hier offenbarte Er Sich auf solche Weise: Es waren beisammen Simon Petrus, Thomas, der Didymus genannt wird, Nathanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere Seiner Jünger. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen! - Sie erwiderten ihm: Auch wir kommen mit dir! - Dann gingen sie hinaus und stiegen sogleich in das Schiff, fingen aber in jener Nacht nichts« (Verse 1-3).

  Nathanael wird auch Bartholomäus genannt (Mat.10:3). Die Söhne des Zebedäus waren Jakobus und Johannes (Mat.10:2).

  Dass Petrus und die anderen Jünger fischen gingen, ist nicht zu rügen. Während sie auf die Begegnung mit dem Herrn in Galiläa warteten, sorgen sie für ihren Lebensunterhalt.

  Selbstverständlich verhält es sich so, dass ein eigensinniges Wirken keinen Ertrag bringt, ein Wirken aber im Gehorsam dem Herrn gegenüber - »auf Dein Wort hin will ich die Netze auswerfen« (Luk.5:5) - viel Frucht bringt. Ich halte aber die Entscheidung des durch seine Verleugnung des Herrn gedemütigten Petrus nicht für eigenwillig. Im Übrigen war es nicht ungewöhnlich, dass man in einer Nacht nichts fing (Luk.5:5). Dies war kein Zeichen der Missbilligung, sondern sollte etwas anderes aussagen.

  Dieses Erlebnis der Jünger mag verglichen werden mit der Nacht, die auf Israel fallen wird, weil es nicht umsinnt und nicht an Jesus glaubt. Wenn aber Jesus in Macht und Herrlichkeit wiederzukommen im Begriff ist, am Morgen, in der Endzeit, dann wird sich der wunderbare Fischzug wiederholen und die Hundertvierundvierzigtausend und eine weitere große Menge aus Israel gerettet werden (Off.7:4,9).

 

Der wunderbare Fischzug

 

  »Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Strand. Doch wussten die Jünger nicht, dass es Jesus war. Jesus fragte sie nun: Kinder, habt ihr nicht etwas Zukost zu essen? - Sie antworteten Ihm: Nein. - Dann sagte Er zu ihnen: Werft das Netz nach der rechten Seite des Schiffes aus, so werdet ihr Fische finden! - Da warfen sie es nun aus und vermochten es vor der Menge der Fische nicht mehr einzuziehen« (Verse 4-6).

  Wieder erkannten die Jünger den Auferstandenen zunächst nicht. Er war niemals ohne Weiteres erkennbar. Bei allen Begegnungen, sei es mit Maria Magdalena, den Frauen, den Emmaus-Jüngern, war Jesus es stets Selbst, der Sich offenbarte, wann Er wollte, durch ein Wort oder eine Handlung, wie Er wollte.

  Jesus sprach die Jünger mit »Kinder« an, einer Anrede, die von väterlicher Liebe geprägt ist.

  Es bedurfte des Glaubens, die Netze nochmals auszuwerfen. In den Jüngern musste aber eine Ahnung aufgekommen sein, dass nur der Herr eine solche Anweisung geben konnte.

  Und sie machten einen überaus großen Fang.

  »Dann sagte jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! - Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er das Hemd, denn er war sonst unbekleidet, und warf sich in den See. Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot; denn sie waren nicht weit vom Land, sondern nur etwa zweihundert Ellen davon entfernt, und schleppten das Netz mit den Fischen« (Verse 7+8).

  Der Jünger, den Jesus liebte, der auch diesen Bericht verfasste (Joh.21:20,24), erkannte an dem erstaunlichen Fangergebnis, dass es der Herr war, der da am Ufer stand. Und dann war Petrus in seiner Liebe zu Jesus nicht mehr aufzuhalten. Seine Gewissheit, dass es Jesus war, wurde sicherlich auch von dem früheren wunderbaren Fischzug genährt (Luk.5:4-7). Wenn jener Fang Petrus damals zur Sündenerkenntnis gebracht hatte, sodass er sagte: »Geh von mir hinaus, da ich ein sündiger Mensch bin, o Herr« (Luk.5:8), so musste das jetzt Erlebte ihm seine als Gläubiger begangene Sünde, nämlich den Herrn in der Nacht Seiner Gefangennahme dreimal verleugnet zu haben, besonders schmerzlich bewusst werden lassen.

  Aber der Herr war längst dabei, ihn zurechtzubringen. Den ungläubigen Thomas hatte Er bereits liebevoll zurechtgebracht (Joh.20:24-29). Der große Fischzug war ein Zeichen des wohlwollenden Entgegenkommens des Herrn.

  »Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer angelegt und darauf Speisefisch liegen und Brot dabei. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Speisefischen, die ihr soeben gefangen habt. - Petrus stieg nun hinauf und zog das Netz, mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen angefüllt, ans Land. Obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht« (Verse 9-11).

  Jesus Christus hatte alles bereitet, wie ein Hausvater, der sich um die Seinen kümmert: das Holzkohlenfeuer, die Fische und das Brot. Auch die Jünger durften zum Frühmahl beitragen und von den gefangenen Fischen welche dazugeben. Ihren Beitrag aber hätten sie allerdings ohne den Herrn gar nicht erlangt.

  Auf eine Deutung der Zahl 153 soll hier verzichtet werden, da sich bisher keine befriedigende Lösung gefunden hat.

  Dass das Netz nicht zerriss, war ein Wunder. Die Jünger wussten es. Diese Tatsache sowie die Fülle des Fangs haben gewiss der Glaubensstärkung des Petrus gedient.

  Das prallvolle Netz dürfen wir prophetisch dahingehend verstehen, dass Petrus in seiner Bestimmung als Menschenfischer (Mat.4:19; Mark.1:16; Luk.5:10) eines Tages eine Fülle von Menschen in das Königreich Israels hineinbringen wird. Während der Nacht der Verwerfung Israels (Röm.11:15) bringt Israel keinen Ertrag, bei der Wiederkunft Jesu Christi aber werden alle Auserwählten Israels gerettet werden und das auserwählte Volk bilden (Mat.24:31; Röm.11:26).

  »Darauf sagte Jesus zu ihnen: Herzu, nehmt das Frühmahl ein! - Keiner der Jünger aber wagte Ihn zu fragen: Wer bist Du?, denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat nun herzu, nahm das Brot und gab es ihnen, gleicherweise auch den Speisefisch. - Das war schon das dritte Mal, dass Jesus, auferweckt aus den Toten, den Jüngern offenbar wurde« (Verse 12-14).

  Das dritte Mal offenbarte Sich Jesus einem Jüngerkreis, und zwar wie stets körperlich (Joh.20:19,26). Sie erkannten Ihn an Seiner von Wundern und liebevollen Worten begleiteten fürsorglichen Handlungsweise, mit der Er Sich ihrer annahm. Es war wichtig, dass die Jünger den Herrn mit den Augen sahen, weil sie das Sehen mit den Augen des Glaubens noch erlernen mussten.

  Dieses Offenbarwerden Jesu Christi auch unter der ganz praktischen Erfahrung des gemeinsamen Essens war eine wesentliche Grundlage des künftigen Zeugen- und Verkündigungsdienstes der Apostel, wie an der Rede des Petrus vor dem römischen Hauptmann Kornelius deutlich wird: »Wir sind Zeugen von allem, was Er im Land der Juden wie auch in Jerusalem tat; den hat man ans Holz gehängt und hingerichtet. Diesen Jesus hat Gott am dritten Tag auferweckt, und Er hat Ihm gegeben, offenbar zu werden, nicht dem gesamten Volk, sondern den von Gott zuvor erwählten Zeugen, uns, die wir nach Seiner Auferstehung aus den Toten mit Ihm gegessen und getrunken haben. Er hat uns nun angewiesen, dem Volk zu herolden und zu bezeugen, dass dieser Jesus der von Gott ausersehene Richter über Lebende und Tote ist. Diesem bezeugen alle Propheten: Durch Seinen Namen erhält jeder, der an Ihn glaubt, Erlassung der Sünden« (Ap.10:39-43).

 

Die Zurechtbringung des Petrus

 

  Es dient dem Verständnis des folgenden Gesprächs Jesu mit Petrus zu wissen, dass zwischen den Worten »lieben« (griech. agapaõ) und »liebhaben« (griech. phileõ) ein großer Unterschied besteht. »Lieben« hat den Charakter der selbstlosen Hingabe, auch für nicht Liebenswerte, »liebhaben« drückt dagegen ein Befreundetsein und eine Wertschätzung aus, ein natürliches Gernhaben.

  »Als sie nun das Frühmahl eingenommen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich mehr als diese? - Er antwortete Ihm: Ja, Herr, Du weißt, dass ich Dich lieb habe. - Da sagte Er zu ihm: Weide Meine Lämmlein!« (Vers 15).

  Der Anlass zu dieser Frage war die Verleugnung des Herrn durch Petrus und seine vorausgegangene Überhebung über die anderen Jünger mit den Worten: »Wenn sie auch alle an Dir Anstoß nehmen, ich werde niemals an Dir Anstoß nehmen« (Mat.26:33; Mark.14:29; Luk.22:33; Joh.13:37). Dreimal hatte Petrus Jesus an einem Holzkohlenfeuer verleugnet. Nun sollte er sich wiederum dreimal an einem Feuer zum Herrn bekennen. Im Grunde sehnte sich Petrus nach diesem klärenden Gespräch, um ein ihn aus seiner Betrübnis lösendes Wort des Herrn zu hören.

  Das Wort »lieben« vermochte der durch sein Versagen gedemütigte Petrus nicht aufzugreifen, und zu sagen, dass er den Herrn mehr als die anderen liebe, war ihm nun völlig fern; so stellte er nur schlicht und einfach fest, dass der Herr wisse, dass er Ihm zugeneigt ist. Und Jesus Christus setzte ihn in das Amt ein, des Herrn Lämmlein zu weiden, ihnen Futter zu geben, mithin die Gläubigen mit dem Wort Gottes zu versorgen. Man mag bei dem Begriff »Lämmlein« durchaus an jüngere Gläubige denken.

  »Dann fragte Er wieder, zum zweiten Mal: Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich? - Er antwortete Ihm: Ja, Herr, Du weißt, dass ich Dich lieb habe. - Darauf sagte Er zu ihm: Hirte Meine Schafe!« (Vers 16).

  Wieder antwortete Petrus ganz bescheiden, dass der Herr wahrgenommen habe, dass er Ihn von ganzem Herzen zugetan sei - auch wenn diese Zuneigung die Bewährungsprobe nicht bestanden hatte. Jesus gab ihm daraufhin in Seinem überströmenden Erbarmen den großen Auftrag, Seine Schafe zu hirten. Die Schafe sind die erwachsenen, milchgebenden Tiere. »Hirten« bedeutet mehr als »weiden«, nämlich die weitsichtige Hege und Pflege, die Führung und der Schutz vor Gefahren sowie überhaupt alles, was einem guten Hirten obliegt. - Dieser Auftrag erinnert uns an des Herrn einstiges Wort an Petrus: »Ich aber habe für dich gefleht, dass dir dein Glaube nicht ausgehe; und wenn du dich einst umwendest, dann festige deine Brüder« (Luk.22:32). Sein Hirtenamt nahm Petrus sodann in mannigfaltiger Weise wahr, wie in der Apostelgeschichte geschildert.

  »Zum dritten Mal fragte Er ihn: Simon, Sohn des Johannes, hast du Mich lieb? - Da wurde Petrus betrübt, dass Er ihn zum dritten Mal fragte: Hast du Mich lieb?, und antwortete Ihm: Herr, Du weißt alles; Dir ist doch bekannt, dass ich Dich lieb habe. - Darauf sagte Jesus zu ihm: Weide Meine Schäflein!« (Vers 17).

  Zweimal hatte Petrus auf des Herrn Frage nach seiner selbstlosen Liebe seine freundschaftliche Liebe beteuert. Nun fragte Jesus ihn noch ein drittes Mal und gebrauchte dabei den schwächeren, von Petrus verwendeten Begriff, indem Er - frei umschrieben - fragte: Hast du Mich gern? - Dies alles traf Petrus tief; es betrübte ihn. Seine Antwort ließ deutlich werden, dass er jetzt nicht mehr auf seine eigene Überzeugung baute, sondern allein auf die Erkenntnis Jesu Selbst. Man kann sich ja über sein eigenes Herz täuschen; Jesus aber ist der Herzenskenner. Er gebrauchte im Übrigen auch zwei verschiedene Wörter, zuerst »wissen« (griech. oida), im Grunde mit »wahrnehmen« zu übersetzen, und dann »bekannt sein« oder »kennen« (griech. ginõskõ), auch mit »wissen« wiederzugeben. Petrus brachte also zum Ausdruck, dass Jesus aufgrund Seiner Wahrnehmung wisse und darüber hinaus eine tiefgehende Erkenntnis besäße. Der Herr kannte jeden Menschen durch und durch (Joh.2:25). Und er kannte auch seinen Jünger Simon.

  Sollte an den orientalischen Brauch der Haltung von drei Herden zu denken sein, und zwar a) der Lämmlein, der männlichen Jungtiere, b) der Schafe und c) der Schäflein, der weiblichen Jungtiere, so dürfen wir hier die Schwächeren im Glauben in Betracht ziehen.

  Das Gespräch des Auferstandenen mit Petrus am See Tiberias war eine wichtige, für die Reifung des Apostels unentbehrliche Schulung. Zugleich wurde Petrus damit wieder in sein besonderes Apostelamt eingesetzt, das der Herr ihm einst mit den Worten gegeben hatte: »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich Meine herausgerufene Gemeinde bauen, und die Pforten des Ungewahrten werden nicht die Oberhand über sie behalten. Ich werde dir die Schlüssel des Königreichs der Himmel geben; was auch immer du auf Erden bindest, wird das sein, was auch in den Himmeln gebunden ist, und was auch immer du auf Erden löst, wird das sein, was auch in den Himmeln gelöst ist« (Mat.16:18,19).

  Der Apostel Petrus nahm seinen Hirtendienst im Übrigen auch durch seine beiden Briefe wahr; besonders in der Endzeit, der siebenjährigen Zeit des Zornes Gottes und in deren zweiter Hälfte, der großen Drangsal für die Heiligen, werden sie dem Herdlein Jesu Christi zur Auferbauung, zur Ermahnung und zum Zuspruch dienen.

 

Petrus wird dem Herrn bis in den Tod nachfolgen

 

  Der Herr Jesus setzte das Gespräch mit Petrus fort. Es war noch der Punkt anzusprechen, dass Petrus in der Nacht, in der Jesus verraten wurde, gesagt hatte: »Herr, ich bin bereit, mit Dir auch in das Gefängnis und in den Tod zu gehen!« (Luk.22:33) und: »Und wenn ich mit Dir sterben müsste, so werde ich Dich keinesfalls verleugnen« (Mat.26:35; vgl. Mark.14:31; Joh.13:37).

  Jesus, der des Petrus Herz kannte, ja gebildet hatte (Ps.33:15), wusste, dass er es ernst gemeint hatte und verhieß ihm infolgedessen jetzt genau dies, dass er Ihm nämlich bis in den Tod nachfolgen und treu bleiben werde. Das hatte Er ihm schon einmal gesagt: »Wohin Ich jetzt gehe, dahin kannst du Mir nun nicht folgen; hernach aber wirst du Mir folgen« (Joh.13:36). Und jetzt bestätigte der Herr es ihm wieder: »Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest. Wenn du aber ein Greis geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich dahin bringen, wohin du nicht willst. - Das sagte Er aber, um anzudeuten, mit welchem Tod er Gott verherrlichen werde. Nachdem Er dies gesagt hatte, gebot Er ihm: Folge Mir nach!« (Verse 18+19).

  Mit den Worten: »Folge Mir nach!« bekräftigte Jesus die erneuerte Berufung des Apostels Petrus in die Nachfolge und den Aposteldienst. Von nun an wird Petrus der Hirte der Schafe, also der Gläubigen vom Hause Israel (vgl. Mat.15:24), und der Verkündiger des Königreichs Israels sein und dem Herrn sogar im Sterben folgen. Mit seinem Bekenntnis zu Ihm bis in den Tod wird er Gott verherrlichen.

  Als Petrus in den Sechzigerjahren seinen zweiten Brief schrieb, wusste er, »dass das Ablegen meines Zeltes schnell geschehen wird« (2.Pet.1:14). Nach außerbiblischen Quellen wurde er im Jahre 67 n. Chr. in Rom mit dem Kopf nach unten angepfahlt.

  Jesu Ankündigung, dass Petrus als Märtyrer sterben werde, ist übrigens ein Hinweis darauf, dass das Königreich nicht in Kürze anbrechen wird. Den Aposteln war verheißen, in der Wiederwerdung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzt, auf zwölf Thronen zu sitzen und die zwölf Stämme Israels zu richten (Mat.19:28). Wann wird dies geschehen? Am Tag Seiner Himmelfahrt fragten Ihn die Apostel: »Herr, stellst Du in dieser Zeit das Königreich für Israel wieder her?« (Ap.1:6). Die Juden aber verwarfen - wie die Apostelgeschichte zeigt - weiterhin ihren König und damit auch ihr Königreich.

 

Was wird mit Johannes werden?

 

  Es schließt sich die Begebenheit der Verse 20 bis 23 an: »Petrus wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus liebte, der sich bei dem Mahl an Seine Brust zurückgelehnt und Ihn gefragt hatte. Herr, wer ist es, der Dich verrät? - Als nun Petrus diesen gewahrte, fragte er Jesus: Herr, was aber wird mit diesem werden? - Jesus antwortete ihm: Wenn Ich will, dass er bleibe, bis Ich komme, was ginge es dich an? Folge du Mir nach! - Daher ging dieses Wort zu den Brüdern aus: Jener Jünger stirbt nicht. Jesus aber hatte nicht zu ihm gesagt, dass er nicht sterbe, sondern: Wenn Ich will, dass er bleibe, bis Ich komme, was ginge es dich an?«

  Wir haben Verständnis für des Petrus Frage, was denn mit dem anderen hervorragenden Jünger werde (Joh.13:23; 19:26; 20:2; 21:7). Wird der Apostel Johannes bis zur Aufrichtung des Königreichs am Leben bleiben? - Dies geht Petrus nichts an. Der Herr Jesus Christus allein verfügt über einen jeden der Seinen, und auch der Zeitpunkt Seines Kommens steht allein in Seines Vaters Ratschluss. »Folge du Mir nach!« - gib du Obacht auf deinen Dienst, richte du deinen Dienst völlig aus (Kol.4:17).

  Es ist zu beachten, dass Jesus Seine Antwort mit Seinem Kommen in Verbindung bringt. Dies darf uns ein Hinweis darauf sein, dass Johannes das Kommen Jesu erleben werde, wie es dann auch geschah - im Geist, in einer Vision, denn wir lesen in Offenbarung 1:10: »Ich befand mich im Geist in des Herrn Tag.« Und dann sah der Apostel Johannes, was im letzten Jahrsiebener, der Zeit der Enthüllung Jesu Christi (Off.1:1), im Zuge Seines Kommens geschehen wird.

 

Das Zeugnis des Johannes

 

  Wir kommen zum Abschluss des Berichts des Johannes. Er schreibt in Vers 24: »Dies ist der Jünger, der darüber Zeugnis ablegt, der auch dieses geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.«

  Der gesamte Bericht ist eine Bezeugung der Wahrheit. Des Johannes Zeugnis ist glaubwürdig. Möge es den einen dazu dienen, zum Glauben zu kommen (Joh.19:35), und den anderen, sich im Glauben zu stärken.

 

Die Welt könnte die Bücher nicht fassen

 

  Im Übrigen merkt der Apostel Johannes noch an: »Es gibt aber noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wenn das im Einzelnen aufgeschrieben werden sollte, so würde nach meiner Meinung auch die ganze Welt nicht Raum für alle Rollen haben, die man dann zu schreiben hätte« (Vers 25).

  In der Herrlichkeit werden wir alle Worte und Handlungen unseres Herrn Jesus Christus erfahren. Für unsere Zeit ist es genug, was wir wissen. Möge das Wort, das uns vorliegt, unsere Herzen und Gedanken erfüllen! Übrigens hat der Apostel Paulus das Wort Gottes für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung vervollständigt (Kol.1:25).

  Ähnliche Worte wie die unseres letzten Verses fand Johannes schon in Kapitel 20, in welchem er auch den Zweck des Niedergeschriebenen angibt, dass man nämlich glaube und das Leben in den zukünftigen Äonen gewinne: »Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor den Augen Seiner Jünger, die nicht in dieser Rolle geschrieben sind; diese aber sind geschrieben worden, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr als Glaubende in Seinem Namen äonisches Leben habt« (Joh.20:30,31). Amen!

 

 

 

Dieter Landersheim

Höhenstraße 11

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